„Bleibt nicht ungestraft“: Ukraine-Offensive auf Russlands Territorium verändert das Schlachtfeld

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Neue Dynamik im Ukraine-Krieg: Der Einsatz von westlichen Waffen auf russischem Boden hilft bei der Verteidigung, aber auch kleineren Gegenoffensiven entlang der Front.

Kiew – Lange steckten ukrainische Streitkräfte in einer Sackgasse im Ukraine-Krieg. Russland eröffnete eine neue Front bei Charkiw und die Ukraine durfte westliche Waffen erst auf ukrainischem Boden nutzen – zu spät, um das russische Militär aufzuhalten. Es war ein Weckruf für viele Verbündete: Die Ukraine darf diese Waffen nun auch begrenzt auf russischem Boden einsetzen. Das macht für die Ukrainer einen erheblichen Unterschied.

Etwas Offensive im Ukraine-Krieg: Kiews Gegenschläge auf Russlands Territorium zeigen Wirkung

Es gehe darum, Waffenlager und andere militärische Stellungen nah an der Grenze zu zerstören. So könne das russische Militär aufgehalten werden. „Wir haben Ziele in Russland zerstört, was mehrere erfolgreiche Gegenoffensiven ermöglichte“, sagte der hochrangige Offizier des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU) gegenüber CNN. „Das russische Militär kann sich nicht länger ungestraft und sicher fühlen.“ Die russischen Verluste würden weiter in die Höhe schießen.

Die Auswirkungen der neuen Regelung und der Waffenlieferungen könne man jeden Tag sehen. „Artillerie, Mehrfachraketenwerfer mit größerer Reichweite und verschiedenen Munitionsarten sowie Submunition – das beeinflusst das Gesamtbild auf dem Schlachtfeld“, sagte Ivan, ein Offizier der 148. Artilleriebrigade, gegenüber dem amerikanischen Sender. „Wir stationieren die wirksamsten Waffensysteme in den Gebieten, in denen die Russen versuchen, die Verteidigungslinien zu durchbrechen“, fügte er hinzu. Der russische Vormarsch habe sich deutlich verlangsamt.

Ukraine-Krieg - Gebiet Donezk
Ukrainische Soldaten sprechen von neuen Dynamiken im Ukraine-Krieg. © picture alliance/dpa/AP | Evgeniy Maloletka

„Sache von Minuten“: Russland kann Angriffe mit ATACMS schlechter abfangen

Ein besonderer Wendepunkt im Krieg sei der Einsatz von Langstreckenraketensystemen mit ATACMS, erklärte der internationale Sicherheitsexperte Oleksiy Melnyk CNN. Angriffe seien nun weitaus effizienter. „Geschwindigkeit ist entscheidend“, sagte er. „Bei Drohnenangriffen haben die Russen Stunden Zeit, um zu reagieren, weil sie ukrainische Drohnen frühzeitig erkennen können. Russische Piloten können einen Kaffee trinken und eine Zigarette rauchen, bevor sie ins Cockpit springen und losfliegen, um die Drohnen abzuschießen. Mit dem ATACMS ist das eine Sache von Minuten.“

Russland drückt an der Front – und hat weiterhin die Luftüberlegenheit über der Ukraine

Trotz veränderter Rahmenbedingungen solle man nicht zu übermütig werden. „Der Feind ist nun erschöpft, aber nicht vernichtet“, sagte Melnyk und verwies auf die Tatsache, dass Russland immer noch die vollständige Luftüberlegenheit über der Ukraine hat. Kiew hofft auf schnelle Lieferungen von F-16-Kampfflugzeugen – die ersten ukrainischen Piloten sollten im Sommer ihre Ausbildung in den USA abschließen.

Wegen logistischer Probleme verzögert sich die Lieferung der Kampfjets. Um sie vor russischen Luftangriffen zu schützen, braucht es mehrere Flugplätze und Verstecke. Es bedarf also viel Planung, bevor die F-16 vollends in den Kampfablauf integriert werden können, erklärte Markus Reisner, Oberst des österreichischen Bundesheers, gegenüber ntv. Gleichzeitig bezweifeln Militärexperten, dass die Flugzeuge aus den 1980er und 1990er Jahren mit neuen Maschinen mithalten können. Trotzdem können die Jets dabei helfen, Russland die Kontrolle über den gesamten ukrainischen Luftraum zu entziehen.

Ukraine-Krieg: Kiew fehlen Soldaten, Waffen und langfristige Pläne

Das gravierendste Problem der Ukraine ist aktuell der Mangel an ausgebildeten Soldaten. Die Freiwilligkeit ist verschwunden und Erschöpfung setzt ein, berichtete das ZDF. Trotzdem will die Ukraine bis zum Ende des Sommers etwa 13-14 neue Brigaden aufstellen. Doch schwieriger als die Rekrutierung ist die Ausbildung der neuen Soldaten – und hofft dabei auf weitere Hilfe des Westens.

Gleichzeitig reißt auch der Bedarf an finanzieller Hilfe und an Waffenlieferungen nicht ab. „Das Problem ist, dass die Ukraine wartet, welche Ausrüstung der Westen ihr liefern kann, und der Westen wartet darauf, welche Pläne die Ukraine für die Zukunft hat“, sagte Melnyk. Deswegen sei unklar, wie eine ukrainische Strategie auf Dauer aussehen könnte. (hk)

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