„Reine Augenwischerei“: Umweltschützer hält wenig von nachhaltigen Raketen - Pyrotechniker anderer Meinung

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Silvesterfeuerwerk ist umstritten. Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen rund 180 Millionen Euro für Raketen und Böller aus – ein Rekordumsatz. © Federico Gambarini

Raketen, Böller und Co. sind an Silvester gefragt. Beim Feuerwerk gehen die Ansichten Umweltschützer Friedl Krönauer und Pyrotechniker Enrico Enzmann auseinander. In einem Punkt sind sie sich aber einig.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Wie jedes Jahr leuchtet die Silvesternacht wieder in knallbunten Farben. Unzählige Raketen jagen auf einem Feuerschweif in den Himmel, Vulkane erhellen die Straßen im Landkreis – was vom kurzen Vergnügen bleibt, sind unter anderem reichlich Müll und verschreckte Tiere. Naturschützern ist die Böllerei ein Dorn im Auge, andere verteidigen das Silvesterfeuerwerk.

Raketen an Silvester: Umweltschützer und Feuerwerk-Verkäufer beziehen Stellung

Nicht ohne Stolz bezeichnet sich der Geretsrieder Enrico Enzmann als „Feuerwerkfan“. Über 20 Jahre arbeitete der 61-Jährige als Pyrotechniker und „zündete die dicken Dinger“, wie er selbst sagt. Schon seit vielen Jahren verkauft er zu Silvester Raketenbatterien und Knallkörper.

Für ihn sei die Tradition, mit künstlichem Blitz und Donner das neue Jahr einzuläuten, „einer der wenigen Späße“, der den Menschen in schwierigen Zeiten wie diesen noch bleibe. Umweltbedenken seien für ihn im konkreten Fall daher zweitrangig. „Ich bin jemand, der die Umwelt schützt. Schon von klein auf tue ich das. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen.“

Enrico Enzmann
, Ausgebildeter Pyrotechniker
und Feuerwerk-Verkäufer
 aus Geretsried.
Enrico Enzmann, Ausgebildeter Pyrotechniker und Feuerwerk-Verkäufer aus Geretsried. © Privat

Denn „das bisschen Feinstaub“, das in der Silvesternacht in die Atmosphäre geblasen werde, sei zu vernachlässigen, meint Enzmann. „Würden zehn Prozent der Raucher das Rauchen aufgeben, wäre die Ersparnis wesentlich größer.“

Würden zehn Prozent der Raucher das Rauchen aufgeben, wäre die Ersparnis wesentlich größer.

Zudem gebe es immer mehr nachhaltige Pyrotechnik-Produkte, um die Neujahrsnacht zu erleuchten. Was der neue – und Enzmanns Meinung nach umweltverträglichere – Typus Feuerwerk mit den klassischen Knallkörpern gemein hat, ist der Produktionsstandort Deutschland. In Heilbronn beispielsweise entwickelte laut Enzmann eine Firma eine Silvesterrakete, bei deren Herstellung gänzlich auf Plastik verzichtet wurde.

Feuerwerk an Silvester: Immer mehr nachhaltige Pyrotechnik-Produkte

„Die Spitze ist aus abbaubarem Bio-Plastik, die Verpackung aus Pappe. Zudem sind die Raketen kleiner, auf ihr Wesentliches reduziert.“ Eine Besonderheit, die kaum ein Feuerwerkfan kennt: „Wegen des reduzierten Gewichts fliegen sie höher und leuchten heller.“ Der Geretsrieder Pyrotechnik-Experte empfiehlt beim Kauf von Feuerwerk – wie bei allen anderen Konsumgütern – grundsätzlich: „Lokal oder national produzierte Artikel vorziehen, wenn man nachhaltig sein will.“

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„Eine große Augenwischerei“ sind nachhaltige Knallkörper für Friedl Krönauer, Vorsitzender des Bund Naturschutz Bad Tölz-Wolfratshausen. Er hält Feuerwerk für ebenso unnötig „wie den Pelzkragen an einer Moncler-Jacke“. Auf ein generelles Verbot pocht Krönauer dennoch nicht.

Friedl Krönauer
, Vorsitzender des
 Bund Naturschutz
 Bad Tölz-Wolfratshausen.
Friedl Krönauer, Vorsitzender des Bund Naturschutz Bad Tölz-Wolfratshausen. © Privat

Dass Unternehmen für umweltschonende Produkte Lob einheimsen, geht ihm aber gegen den Strich. „Das sollte ja eigentlich gesetzt sein, eine Selbstverständlichkeit.“

Die meisten Sorgen macht sich Krönauer in der Silvesternacht „um den Teil der belebten Erde, der sich nicht wehren kann“. Heißt: Tiere, die unter der Lärm- und Lichtkulisse leiden und die Natur, in der die Feuerwerküberreste aus Kunststoff, Pappe und Schwarzpulver landen.

Raketen in der Silvesternacht: Naturschützer sorgt sich um Tiere

Und doch gibt es einen Punkt, bei dem sich die beiden ansatzweise treffen. Bei aller Liebe zum Feuerwerk hält der Geretsrieder Feuerwerk-Verkäufer Enzmann die Einrichtung von Verbotszonen – dazu zählen die historischen Altstädte von Wolfratshausen und Bad Tölz – für „richtig und sinnvoll“.

Wenig überraschend heißt das Böllerverbot auch Naturschützer Krönauer gut. Der Schlehdorfer macht einen weitergehenden Vorschlag: Anstelle von Verbotszonen „sollten die Gemeinden und Städte Orte ausweisen, an denen das Abbrennen von Feuerwerk exklusiv erlaubt ist“. Parkplätze würden sich dafür gut eignen – und nach Aussage von Pyrotechniker Enzmann auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit genügen: „Man braucht einen festen, geraden Untergrund, damit kein unnötiges Risiko entsteht.“ jg

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