Verfassungsschutz warnt: Terrorgefahr in Deutschland hoch „wie seit langem nicht mehr“
Der Verfassungsschutz sieht in Deutschland eine erhöhte Terrorgefahr durch islamistische Anschläge. Der Gaza-Krieg, Taliban und der Islamische Staat sind einige der Gründe.
Berlin – Deutschland ist einer erhöhten Terrorgefahr durch islamistische Anschläge ausgesetzt – zu dem Schluss kommt der Verfassungsschutz und sieht eine deutlich höhere Bedrohung, als noch in den vergangenen Jahren. Grund dafür sei auch der Gaza-Krieg, da Deutschland neben den USA als hauptsächliche Unterstützer Israels gelte. „Das Risiko dschihadistischer Anschläge ist so hoch wie seit langem nicht mehr“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, der dpa in Berlin.
Der Chef des Geheimdienstes des Inlands nennt dafür verschiedene Gründe. Zum einen die Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan im Jahr 2021: Das Regime habe die dschihadistische Idee erstarken lassen. Zum anderen bereite der immer mächtiger werdende Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISPK) in Afghanistan und Pakistan Sorgen. Koran-Verbrennungen in Skandinavien und der israelische Militäreinsatz gegen die Hamas hätten ebenfalls dazu beigetragen, dass sich „Radikalisierungsspiralen in Gang setzen“.
Terrorgefahr steigt durch Krieg in Gaza – IS rief bereits im April zu Anschlägen auf
„Die Situation in Nahost nach dem Terrorangriff der Hamas ist definitiv eine weitere Ursache für die Verschärfung der Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus“, sagte Haldenwang weiter. „Deutschland steht stärker als andere europäische Länder im Fokus von Dschihadisten, weil unser Land neben den USA als einer der wichtigsten Unterstützer Israels gilt.“
Bereits im März und April dieses Jahres rief der Islamische Staat nach dem tödlichen Anschlag bei Moskau „einsame Wölfe“ in Europa und den USA dazu auf, Christen und Juden während des Ramadans „überall anzugreifen“, wie der Nachrichtensender ntv berichtete. Die Nachricht stellten die Dschihadisten damals auf dem IS-Medienportal al-Furkan online. In Moskau starben nach einem islamistischen Angriff während eines Konzerts in der Crocus City Hall über 140 Menschen.

Erhöhte Terrorgefahr in Deutschland – Gründe laut Verfassungsschutz vielfältig
Wie der SWR und das Redaktionsnetzwerk Deutschland übereinstimmend berichten, soll auch der Attentäter von Mannheim radikaler Islamist gewesen sein. Ein Afghane attackierte Ende Mai die Veranstalter einer Anti-Islam-Demo und verletzte mehrere Menschen, teils schwer. Ein Polizist, der den Angreifer stoppen wollte, erlag später seinen Verletzungen. Der Tod des Beamten löste deutschlandweit Bestürzung und Trauer aus. Ein zweiter Anschlag in Mannheim auf einen AfD-Mann sei laut Polizei, anders als von der Partei behauptet, nicht auf einen Islamisten zurückzuführen.
Die von Haldenwang erwähnten Koran-Verbrennungen und -Vernichtungen kommen in Skandinavien aus den unterschiedlichsten Gründen zustande. Sowohl Menschen aus rechten und linken Kreisen greifen zu diesem drastischen Mittel. Aber auch Geflüchtete aus dem Mittleren Osten und Mitglieder der Diasporen scheinen sich dieser als Provokation verstandenen Geste zu bedienen, wie die Neue Zürcher Zeitung schreibt.
Zu letzterer Gruppe zählt auch Firoozeh Bazrafkan. Sie stellte sich vor die iranische Botschaft in Kopenhagen, riss Seiten aus dem Koran und zerstückelte sie mit einer Küchenreibe. Anschließend bugsierte sie die Fetzen in eine Urne und verbeugte sich. Die Exil-Iranierin wollte die Aktion als Kunstperformance verstanden wissen. Laut Bazrafkan spiele ihre Aktion auf die Doppelmoral des iranischen Regimes an, das Respekt vor dem Koran fordere – diesen aber Millionen von Frauen im eigenen Land verwehre.
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Mehrere Festnahmen – Polizei stoppt mutmaßlichen Terroristen am Flughafen
Als Reaktion auf Koran-Verbrennungen und -Vernichtungen in Skandinavien sollen zwei in Deutschland lebende Männer einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant haben. Die Polizei nahm die beiden Männer bereits im März in Thüringen fest. Wie der Generalbundesanwalt damals mitteilte, sollen sie im Sommer 2023 entsprechende Anweisungen vom ISPK erhalten und konkrete Vorbereitungen getroffen haben.
Am vergangenen Freitag hat die Polizei dann am Flughafen Köln/Bonn einen Mann mit deutsch-marokkanisch-polnischer Staatsangehörigkeit festgenommen. Der Mann wollte das Land verlassen, obwohl er im Verdacht steht, im September 2023 über eine Börse für Kryptowährungen fast 1700 US-Dollar auf ein Konto der ISPK übermittelt zu haben. Zuvor hatte der Mann vergeblich versucht, sich als Ordner oder Sicherheitskraft für mehrere Großveranstaltungen zu bewerben. Für etwa Events zur Fußball-EM – darunter Live-Übertragungen für Fans außerhalb der Stadien. Bei der Prüfung seiner Bewerbungen sei er aber jedes Mal durchgefallen, weil ihn die Sicherheitsbehörden auf dem Schirm gehabt haben sollen.
Terrorgefahr in Deutschland: Islamischer Staat will Einflussbereich vergrößern
Doch woher kommen die islamistischen Gefährder? Die ISPK-Anhängerschaft stammt laut Verfassungsschutz überwiegend aus Zentralasien. Dazu gehören etwa Afghanen, Usbeken und Tadschiken sowie Menschen mit Verbindungen in den Nordkaukasus. Viele von ihnen hätten Kampferfahrung, sagt Haldenwang der dpa. Die russische Sprache, die alle beherrschten, könne eine verbindende Klammer sein. „Der ISPK strebt danach, seinen Einflussbereich über die Ursprungsregion hinaus zu vergrößern und auch nach Westeuropa auszudehnen“, sagt der Chef des Inlandsgeheimdienstes.
Nicht zuletzt sieht Haldenwang eine durch den Rechtsextremismus aufgeheizte Stimmung als Problem. Themen wie Fremden- und Muslimfeindlichkeit würden die Gesellschaft weiter spalten. Auch der Einfluss- und die Spionageaktivitäten fremder Staaten würden dazu beitragen.
Soziologin kritisiert laschen Umgang mit möglichen islamischen Gefährdern
Die in Istanbul geborene Soziologin Necla Kelek sieht für den zunehmenden Islamismus aber noch weitere Gründe. „Man muss verstehen, dass Migranten gar nicht in die Freiheit oder die Demokratie einwandern, vielmehr integrieren sie sich sofort in eine muslimische Gemeinschaft“, sagt Kelek der Neuen Zürcher Zeitung in einem Interview. „Da spielen die Moscheen eine ganz zentrale Rolle.“ Zudem gebe es in Europa eine riesige Helfer-Industrie.
„Es ist ja schön, dass wir so viele Sozialarbeiter und vom Staat bezahlte Menschen haben, die es als ihre Pflicht und Aufgabe empfinden, die Migranten in ein gesichertes Leben zu begleiten“, sagt Kelek weiter. „Sie klammern jedoch viele Fragen komplett aus: Woher kommen diese Menschen, werden sie unsere Werte in diesem Land teilen oder nicht, werden sich jene, denen wir jetzt gerade helfen, einmal gegen uns wenden? Die Kulturdifferenz wird ausgeblendet“, kritisiert die Soziologin.

Es werde zudem den Menschen nicht ausreichend vermittelt, dass sie in Europa frei leben und ihre Religion ausleben dürfen. Sie aber dafür auch Regeln und Werte hierzulande anerkennen müssen. „Dabei ist entscheidend die Gleichberechtigung von Mann und Frau, ein Verbot von Kinderehe, Zwangsverheiratung oder Polygamie“, sagte Kelek. Viele Menschen aus strikt islamischen Staaten würden die Werte europäischer Gesellschaften ablehnen, sagt die Soziologin. „Sie befinden sich im Kampf für ihre Religion, und manche von ihnen werden dafür auch in den Tod gehen. Denn die Islamisten, sei es der IS oder die Hamas, leben und sterben für den Islam.“ Aufgabe des Staats müsse es nun sein, nicht nur vor den Gefahren zu warnen, sondern auch endlich Maßnahmen zu ergreifen, die eine Integration in die Gesellschaft möglich machen. (ske)