Rente vor dem Kollaps: Klingbeil will die demografische Zeitbombe entschärfen
Die Rente gerät unter Druck. SPD-Chef Klingbeil warnt vor einer sozialen Schieflage. Jetzt müsse Schwarz-Rot handeln, bevor es zu spät sei.
Berlin – Wegen des demografischen Wandels ist das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland bedroht. SPD-Chef Lars Klingbeil hält das Thema deshalb für eine der wichtigsten Baustellen der schwarz-roten Koalition. Jetzt hat er sich für eine umfassende Neuausrichtung ausgesprochen und dabei auch eine Ausweitung des Kreises der Beitragszahler angeregt. Unterlasse man diese Reformen, drohten schwerwiegende Konsequenzen, so seine Warnung.
„Ich bin dagegen, das gesetzliche Renteneintrittsalter zu erhöhen – freiwillig kann man schon jetzt länger arbeiten und das werden wir noch attraktiver machen“, so Klingbeil am Dienstag (22. April) gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Doch es gebe dringenden Handlungsbedarf. „Die Sozialversicherungsbeiträge werden in den nächsten Jahren steigen, wenn wir nichts tun“, so der Vorsitzende der Sozialdemokraten weiter. „Entweder haben wir die Kraft, in dieser Legislaturperiode eine echte Reform zu schaffen, oder es kommen diejenigen, die mit Kettensägen den Sozialstaat zerstören wollen. Wir müssen uns jetzt anstrengen.“ Man müsse auch darüber reden, „wer alles und wie viel in die Rentenkasse einzahlt“.
Demografische Zeitbombe in Deutschland: SPD-Chef Klingbeil fordert Rentenreform mit Weitblick
Ein Aus für die Rente mit 63 schloss Klingbeil mit Verweis auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag aus. Wer 45 Jahre lang gearbeitet habe, solle auch weiterhin ohne Abschläge in den Ruhestand gehen dürfen. Zudem seien es oft die Falschen, die sich lautstark in die Rentendebatte einmischten. Diese werde zu oft „von Menschen geführt, die in komfortablen Büros sitzen und hohe Gehälter beziehen“, so der SPD-Chef.
Ihre Aussagen stünden im Widerspruch zur Realität derjenigen, die ein Leben lang körperlich gearbeitet haben. „Wer in der Pflege, im Kindergarten, auf dem Bau oder an der Supermarktkasse geschuftet hat, hat ein Recht auf eine Rente, von der man leben kann“, stellte er klar. Dabei handle es sich nicht um ein Wahlversprechen, sondern um eine zentrale Frage der Gerechtigkeit. Das gesetzlich festgelegte Rentenniveau von 48 Prozent sei zwar keine vollständige Lösung, „aber es ist das Mindeste, was sich Menschen nach Jahrzehnten harter Arbeit verdient haben“.
Schwarz-rote Koalition vor Bewährungsprobe: Rente soll stabil bleiben, Reformen aber notwendig
Angesichts der demografischen Entwicklung stehen die politischen Akteure vor der Herausforderung, das Rentensystem zu stabilisieren, ohne Beitragszahler übermäßig zu belasten oder das Renteneintrittsalter weiter anzuheben. Im Jahr 2050 werden voraussichtlich 55 Rentner von 100 Beitragszahlern finanziert werden müssen. Derzeit sind es laut Statistischem Bundesamt 37 Rentner pro 100 Zahlenden. Gleichzeitig ist die Durchschnittsrente im Laufe der Jahre kontinuierlich gestiegen, da Renten in der Regel der Lohnentwicklung folgen. Laut dem Handelsblatt bekamen Rentner vor 15 Jahren noch durchschnittlich 740 Euro. Inzwischen liege der Betrag bei 1102 Euro.
Damit sei auch die Standardrente gestiegen. Im Gegensatz zur Durchschnittsrente, die real ausgezahlte Beträge erfasst, handelt es sich bei ihr um einen theoretischen Wert. Sie ist ein Rechenmodell, das auf 45 Beitragsjahren mit Durchschnittslohn basiert und somit 45 Entgeltpunkte generiert. Bei einem aktuellen Wert von 39,32 Euro pro Entgeltpunkt (Stand Mitte 2024) ergebe sich eine monatliche Bruttostandardrente von rund 1769 Euro. Im Jahr 2023 hätten jedoch nur etwa 15 Prozent der Rentner diesen Betrag oder mehr erhalten.

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Reformbedarf erkannt, Konzepte offen: Schwarz-Rot ringt um Auswege aus der Rentenfalle
Das Rentenniveau der Standardrente ist in den letzten zwei Jahrzehnten auf etwa 48 Prozent gesunken. Dies bedeutet, dass die Standardrente nach Abzug der Sozialbeiträge mindestens 48 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens in Deutschland beträgt. Prognosen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gehen davon aus, dass die Standardrente bei einem stabilen Rentenniveau von 48 Prozent bis 2038 auf 2671 Euro ansteigen könnte.
Dieses Niveau war vom Gesetzgeber bis 2025 festgeschrieben worden. Die gescheiterte Ampelregierung plante sogar, ein Niveau von 48 Prozent bis 2038 gesetzlich zu garantieren. Während die SPD eine dauerhafte Stabilisierung bei mindestens 48 Prozent anstrebt, versprach die Union im Wahlkampf lediglich ein „durch wirtschaftliches Wachstum garantiertes stabiles Rentenniveau“. (tpn)