Wer die Unions-Truppen im Bundestag führt, ist Deutschlands Reserve-Kanzler. Kein Wunder, dass Markus Söder von dieser Personalie nicht begeistert wäre. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Heute in zwei Wochen, am 6. Mai, will sich Friedrich Merz im Bundestag zum zehnten deutschen Bundeskanzler wählen lassen. Bis dahin muss er noch die wichtigste Personalentscheidung seines bisherigen Lebens treffen – nämlich die, wer sein Erbe als Chef der mächtigen Bundestagsfraktion von CDU und CSU antritt. Adenauer, Kohl, Merkel: Sie alle waren wie Merz selbst Fraktionsführer, bevor sie Kanzler wurden. Wer die Unions-Truppen im Bundestag führt, ist immer auch Deutschlands Reserve-Regierungschef.
Jens Spahn: Der schwer bezwingbare Rivale ums Kanzleramt
Seit in Berlin Berichte zirkulieren, dass Merz‘ Favorit ausgerechnet der machtbewusste Jens Spahn sein soll, läuten in den Staatskanzleien in München und Düsseldorf die Alarmglocken. Denn die Ministerpräsidenten Söder (58) und Wüst (49) haben ihre Karrierepläne längst nicht aufgegeben; ihnen erwüchse in dem 44-Jährigen ein später nur schwer bezwingbarer Rivale um das Kanzleramt.
Söder hat als CSU-Chef beim Fraktionsvorsitz zudem ein Wort mitzureden. Er könnte mit Merz-Intimus Thorsten Frei (51) an der Fraktionsspitze besser leben. Doch der bedingungslos loyale Frei wäre auch ein prima Kanzleramtschef für Merz, dessen Verhältnis zu Spahn früher als angespannt galt.
SPD und Grüne trauen Spahn zu, Kontakte zur AfD zu knüpfen – der aber kontert
Der CDU-Vorsitzende würde mit dem rauflustigen Spahn auch inhaltlich ein Ausrufezeichen setzen. Im Merkelflügel erinnern sie sich mit Schaudern, wie dieser einst als erster in der Partei die Asylpolitik der Kanzlerin offen angriff. Wie Generalsekretär Linnemann steht der starke Debattenredner für eine konservativere Ausrichtung der Union. Er könnte deren Profil schärfen, wenn Merz es als Koalitionskanzler der SPD recht machen muss.
Für SPD und Grüne hingegen ist der Münsterländer ein Feindbild. Einer, dem sie sogar zutrauen, Kontakte zu den Rechten zu knüpfen – erst recht, seit er für einen anderen Umgang mit der AfD im Parlamentsbetrieb plädiert. Doch der raffinierte Spahn wäre nicht er selbst, wüsste er nicht auch diese Kritik zu kontern: Ihm als bekennenden Schwulen müsse keiner was erzählen über die Natur der AfD. Und wer wollte ihm widersprechen, wenn er sagt, dass die Strategie der Ausgrenzung nicht funktioniert hat?
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