Staat verdient kräftig mit: Was von der Mindestlohn-Erhöhung wirklich übrig bleibt
Unter hohem politischem Druck hat die Mindestlohn-Kommission in der vergangenen Woche die Erhöhung des Minimal-Gehalts für die kommenden zwei Jahre beschlossen. Ab dem 1. Januar 2026 gibt es statt wie bisher 12,82 Euro die Stunde 13,90 Euro und ab dem 1. Januar 2027 dann sogar 14,60 Euro. Was Sie alles zum Mindestlohn wissen müssen.
Das sind die höchsten prozentualen Erhöhungen, die die Kommission je beschlossen hat. 2026 geht es um 8,4 Prozent nach oben, 2027 dann nochmal um 5,0 Prozent. Lediglich die politische Entscheidung von 2022, den Mindestlohn in einem Schritt von damals 10,45 auf 12 Euro anzuheben, war stärker.
2419 Euro mindestens für Vollzeit
Mit dem Stundenlohn steigen auch die Monatslöhne für alle jene, die vom Mindestlohn leben müssen. Für Vollzeitarbeiter mit einer 40-Stunden-Woche gab es bisher im Schnitt 2231 Euro brutto pro Monat. Kommendes Jahr werden das 2419 Euro sein, 2027 dann 2540 Euro.
Wer Teilzeit für 20 Stunden pro Woche arbeitet, dessen Bruttolohn steigt entsprechend von bisher 1115 Euro auf erst 1209 und dann auf 1270 Euro brutto pro Monat.
Sozialabgaben steigen proportional an
Während also der Bruttolohn für einen Vollzeitarbeiter in zwei Jahren um rund 309 Euro steigt, gilt das Netto nicht in gleichem Maße. Denn schließlich steigen mit dem Bruttolohn auch die Steuern und Abgaben an. Wir haben deswegen für verschiedene Szenarien durchgerechnet, was Ihnen am Ende bleibt.
Am einfachsten ist das bei den Sozialabgaben zu ermitteln, denn die Beitragssätze zu Rentenversicherung (9,3 Prozent), Krankenversicherung (8,55 Prozent inklusive durchschnittlichem Zusatzbeitrag), Pflegeversicherung (2,4 Prozent für Kinderlose) und Arbeitslosenversicherung (1,3 Prozent) ändern sich nicht mit der Höhe des Einkommens. Entsprechend steigen die absoluten Abgaben mit dem Mindestlohn an.
Anstieg der Sozialabgaben
Für die Rentenversicherung werden dieses Jahr bei einem Vollzeitarbeiter mit Mindestlohn noch 207 Euro fällig. Kommendes Jahr sind es dann 225 Euro und in zwei Jahren 236 Euro. Die Beiträge zur Krankenversicherung steigen von 191 Euro erst auf 207 und dann auf 217 Euro. Bei der Pflegeversicherung geht es von 54 Euro erst auf 58 Euro und dann auf 61 Euro nach oben und die Arbeitslosenversicherung kostet in unserem Beispiel heute 29 Euro, nächstes Jahr 31 Euro und in zwei Jahren 33 Euro.
Insgesamt ergibt das einen Anstieg der Sozialabgaben von heute 481 Euro auf 521 Euro im Jahr 2026 und 547 Euro im Jahr 2027. Die Rechnung geht dabei davon aus, dass die Beitragssätze stabil bleiben.
Steuerlast kann gleichbleiben
Bei den Einkommensteuern ist die Sache etwas komplizierter, denn hier kommt es darauf an, in welcher Lebenslage Sie sich befinden. Alleinlebende werden mit Steuerklasse 1 veranlagt. Für sie steigt die Einkommensteuerlast von derzeit 140 Euro erst auf 178 und dann auf 203 Euro.
Die darauf fällige Kirchensteuer, mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg überall neun Prozent der Einkommensteuer, würde parallel von 13 Euro erst auf 16 und dann auf 18 Euro pro Monat steigen. Damit erhöht sich in Steuerklasse 1 die gesamte Steuerlast von derzeit 153 Euro erst auf 194 Euro und dann auf 221 Euro.
Wer mit einem Partner zusammenlebt, kann mit diesem gemeinsam veranlagt werden. Davon ausgehend, dass Sie als Mindestlohn-Arbeiter Hauptverdiener des Paares sind, würden Sie in Steuerklasse 3 einsortiert. Hier gilt der doppelte Grundfreibetrag, der in diesem Fall tatsächlich in allen Jahren den Bruttoverdienst überschreiten würde. In einer solchen Konstellation würden also weder heute noch nach den beiden Mindestlohn-Erhöhungen Einkommen- oder Kirchensteuer fällig.
Fazit: Von der Erhöhung kommen netto bis zu 78 Prozent an
Insgesamt führt das zu folgendem Ergebnis: Der Bruttolohn für Mindestlohn-Arbeiter steigt im kommenden Jahr um 188 Euro pro Monat an, 2027 sind es gegenüber heute 309 Euro mehr. Netto bleiben davon für Alleinlebende in Steuerklasse 1 kommendes Jahr 106 Euro übrig, in zwei Jahren sind es 174 Euro mehr. Prozentual betrachtet werden aus 8,4 Prozent mehr Mindestlohn im Jahr 2026 und 13,9 Prozent mehr Mindestlohn in 2027 so 4,8 beziehungsweise 7,8 Prozent mehr Nettolohn. In diesem Fall würde der Staat 44 Prozent der Mindestlohn-Erhöhung kassieren.
In Steuerklasse 3 lägen die Netto-Gewinne bei 147 Euro im kommenden und 243 Euro im Jahr darauf. Das entspricht einer prozentualen Steigerung von 6,6 beziehungsweise 10,9 Prozent gegenüber dem heutigen Stand. Hier gingen nur 22 Prozent der Brutto-Mehreinnahmen wieder an den Staat zurück – wobei dies ausschließlich in Form von Sozialabgaben geschähe.
Einkommensteuer-Tarif ist progressiv
Weil der deutsche Einkommensteuer-Tarif progressiv ist und die Kurve des Steuersatzes stärker ansteigt, je mehr Sie verdienen, bleibt Menschen mit Mindestlohn damit übrigens mehr von ihrem Bruttogehalt netto übrig als es bei Durchschnittsverdienern der Fall wäre.
Würde der Lohn eines solchen von derzeit 4350 Euro pro Monat in den kommenden beiden Jahren genauso stark ansteigen wie der Mindestlohn, blieben diesem netto nur ein Plus von 4,2 Prozent 2026 und 6,9 Prozent 2027 in Steuerklasse 1 und 4,7 beziehungsweise 7,8 Prozent in Steuerklasse 3. Der Staat würde hier 50 beziehungsweise 44 Prozent des Lohnanstieges in Form von Steuern und Sozialabgaben wieder einkassieren.