Pünktlich zum Sommer bekam die Säulenhalle „Stoa 169“ wieder eine neue „Akademiesäule“: eine Installation, die aus den Ideen von fortgeschrittenen Kunststudenten entstand. Diesmal tonangebend war eine multinationale Bildhauergruppe aus Kopenhagen – mit einer Säule auf einer Säule.
Laut, das sind sie gewiss nicht, die drei Kopenhagener Jungkünstler. Nordisch konzentriert und doch mit intellektuellem Funkeln in den Augen richten Mie Mo, Julia Laszczka und Andreas Marquart Frellesen ihr Formelement aus. Eine komplette Säule haben sie mitgebracht, die von der statisch tragenden „Stoa“-Säule gewissermaßen huckepack genommen wird. In der „Stoa 169“, deren Werke sonst stets um eine einzige Rundform zentrieren, ist die dänische Säulen-Doppelung konzeptuell einmalig – und auch einmalig schief.
Attraktion wird erweitert: Neue Säule für die „Stoa 169“
„Uns reizte die Idee von einer Säule, die auf einer Säule aufsitzt“, erläutert Andreas Marquart Frellesen, der mit fünf weiteren Studentinnen und Studenten über ein halbes Jahr lang Entwürfe diskutierte. Mie Mo gefällt die Paradoxie für die Betrachter: Die dickere Kopenhagener Säule ist trotz ihrer Marmor-Anmutung eigentlich hohl – das dünne Pollinger Betonröhrchen dagegen tragend. Das scheinbar wuchtige Stein-Element sei also umgewandelt in eine fast federleichte Dekoration, das scheinbare Antike verfügt über allerneueste Materialbeschaffenheit.
„Diese Gegensätze sind tatsächlich geradezu dadaistische Gedanken“, findet Bernd Zimmer anerkennend. Der Ideengeber der Pollinger Säulenhalle ließ es sich nicht nehmen, selber bei der Anbringung der neuen „Akademiesäule“ mitzuhelfen. Und ja, auch bei der Materialwahl hatte er einen Tipp gegeben: Die Anregung zum computergenerierten Kunststoff-Formdruck gab der Pollinger Säulen-Experte, als er im Mai die Kopenhagener Studenten besuchte.
Vorbild befindet sich in Kopenhagen
„Es sieht nur auf den ersten Blick nach einer Standardsäule aus, aber sie ist komplett einzigartig“, betont Andreas Marquart Frellesen. Tatsächlich gebe es ein ganz konkretes Vorbild in Kopenhagen, nämlich im grünen Hinterhof der Bildhauerschule an der Kunstakademie. Kommilitonen hätten das Vorbild mit Spezialkameras fotogrammetrisch erfasst und dann am Computer als 3D-Modell erstellt.
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„Die Säule ist ein Überrest des mehrfach abgebrannten dänischen Parlaments“, ergänzt Mie Mo. 1794 und erneut 1884 kam es zu Feuersbrünsten, und aus einer dieser Katastrophen wurde das Bau-Element gerettet und ist heute Teil des „Skulpturengartens“ der Bildhauerschule. Somit sind die vielen Risse, Schrunden und Löcher im Material gewissermaßen eine Geschichtsstunde, nämlich eine Eins-zu-Eins-Übertragung der Spuren von Feuer, Abtransport und Witterung. „Jeder kleine Riss ist exakt wiedergegeben.“
Julia Laszczka zeigt sich fasziniert vom Oberflächenfinish der dänischen „Akademiesäule“, die bis jetzt noch namenlos ist. „Es fand sogar Autolack Anwendung“, erläutert die aus dem Umland von Warschau stammende Studentin, die ihre Kunst-Seminare in Posen begann und seit einem Jahr in Dänemark fortführt. Außerdem findet sie es wertvoll, Spuren der Geschichte weiterzutragen, ohne diese zu verdecken. Ihre Beteiligung am Installationstrio steht stellvertretend für die bunte Länder-Mischung ihrer Studierendengruppe, zu der auch Gabriel Nigri, Luis Sulzmann und Laura Theurich gehören, die aber an der Ostsee oder in Brasilien geblieben sind.
Säule steht an einem Eckpunkt
Unter Mithilfe des Pollinger Steinmetzmeisters Frank Lindner wurden die beiden Säulen in der ersten Augustwoche mit Betonschrauben und Spezialkleber verbunden. Wenn schon der Geist des Parlamentarismus auf der Welt vielerorts schief steht – was sich als Interpretation fast aufdrängt –, dann soll der dänische Beitrag wenigstens dessen Idee als motivierendes Zeichen festhalten, verbunden natürlich mit dem architektonisch anklingenden griechischen Erbe. Vielleicht ist es kein Zufall, dass diese Installation gerade jetzt einen der vier prominenten Eck-Punkte der „Stoa 169“ eingeräumt bekommt. Und ob die Säule nun kippt oder eher raketengleich in den Himmel abheben will, kann, je nach Standort des Betrachters, ganz unterschiedlich wirken.
Die „Stoa 169“: erreichbar in 15 Minuten Fußweg vom westlichen Ende der Bahnhofstraße in Polling (beschildert), bei Tageslicht geöffnet; Solidaritäts-Eintritt 5 Euro.