Neue STOA-Säule: „Dach der Welt“ am Ufer der Ammer

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Bei der Gestaltung der Nepal-Säule: v.l. Sanish Kumar Shakya, Samjhana Rajbhandari (hinten), Saurganga Darshandhari (unten), Bernd und Nina Zimmer. © Andreas Bretting

Zwei Ansätze verfolgt die Stoa: Einerseits Werke bekannter Künstler in Beziehung zu setzen, andererseits jungen Künstlern ein Mitmachen zu ermöglichen – und dies aus allen Weltgegenden. Teil dieser zweiten Konzeptionsebene mit ihren „Akademiesäulen“ ist nun die Nepal-Säule.

Polling – Die neue Säule repräsentiert einerseits das „Sirjana College of Fine Arts“ in Kathmandu und andererseits insgesamt das Land von Manaslu und Everest, mithin das „Dach der Welt“, das bisher noch nicht in der Säulenhalle vertreten war.

Auf der Säule überlagern sich die Ideen dreier Künstler, „aber ohne Rangordnung, einfach gleichwertig und durcheinander wie in Nepal auch“, erläutert Stoa-Kurator Bernd Zimmer.

Das oftmals chaotische Straßenbild der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu wird durch die oberste Partie der Säule abgebildet. Die Idee stammt von Lalkagi Lama, in Polling ausgeführt durch dessen Studenten Sanish Kumar Shakya: Eine Drahtgitterstruktur – profan könnte sie ein Obstkorb sein – soll durch ihre Kreisbögen an die südliche Erdhemisphäre erinnern, die durch ihre hypothetisch durch die Decke gehenden Längengrade auch die ganze Welt umfasst. Das Thema der globalen Verbundenheit wird außerdem durch die wirren, schwarz ummantelten Drähte symbolisiert, deren spinnwebartigen Strukturen in Nepal nicht wegzudenken sind.

Glasfaser versteckt sich im Kabelgewirr

„So sieht meine Bude aus“, zeigt Sanish Kumar Shakya das Foto eines schmalen Hauses auf seinem Handy. Wie ein technoider Schlingknöterich wuchern die schwarzen Drähte über die Fassade: „Wir können wegen des Kabelgewirrs noch nicht mal mehr die Fensterläden bewegen“, so der Nepalese. Fehlgeleitet wäre indes die Annahme, die Drähte wären das Überbleibsel alter Technik. „Da steckt überall Glasfaser drin“, präzisiert Bernd Zimmer, der die konkrete Planung der Säule im Februar vor Ort in Kathmandu mit den Künstlern vorbereitet hatte.

Die effektive Vernetzung Nepals mit der Außenwelt ist freilich kein reiner Spaß. „Die Jungen verlassen das Land für Arbeitsstellen in Japan, Katar oder in den USA, die Älteren bleiben zurück“, erläutert Saurganga Darshandhari. Folglich muss kommuniziert werden, um die Familien zusammenzuhalten.

Direkt auf die türkisfarbene Säule appliziert Darshandhari Zeichnungen und goldfarbene Bildminiaturen, welche die Abfolge der Generationen darstellen – letztlich Bilder eines Lebenskreislaufs, meint Zimmer und findet die Darstellungen sehr friedvoll. Darshandari sieht aber auch einen traurigen Aspekt: „The temples are waiting for their children – die Tempel vermissen ihre Kinder.“

Ein Land, dem die junge Generation fehlt

Den dritten Part an der Säule bestreitet Samjhana Rajbhandari. Sie ist Dozentin für Druckgraphik am Kunst-College und steuert gewissermaßen den nostalgischen Part bei, indem sie vergrößerte Nachdrucke alter nepalesischer Briefmarken an der Säule anbringt. Hinter diesen Briefmarken, sagt sie, standen früher noch echte Künstler, und weltweit jeder Empfänger habe einem Brief gleich die Herkunft aus Nepal angesehen: eine verlorengehende Kultur. Dargestellt sind Verkörperungen der Gottheiten, die im Hinduismus ein ganzes Pantheon füllen – angefangen von Buddha bis hin zur Kumari, verkörpert durch ein junges Mädchen, das in vielen Städten Nepals durch ein echtes Kind repräsentiert wird als „Living Goddess“, lebendige Gottheit.

Einige Elemente der Säule werden erst vor Ort ergänzt, sagt Bernd Zimmer. Gebetstücher kommen noch hinzu, aber auch „Tränen“ aus Schafwolle, welche von oben herabhängen als Zeichen der Trauer über den fehlenden Frieden in der Welt. Auch die heilige Farbe Rot solle noch Platz finden – wo und wie genau, dies sei eine spontane Entscheidung als „Work in Progress“ der drei nepalesischen Künstler.

Säulenhalle erst vor Ort zu begreifen

Nina Zimmer erinnert sich: „In Kathmandu fiel es ihnen, trotz vieler Fotos, noch sehr schwer, sich die Pollinger Säulenhalle überhaupt konkret vorzustellen.“ Umso berührter ist sie nun davon, dass die drei Nepalesen sich so energievoll und begeistert einbringen. Und diese fühlen sich fast schon zuhause: „Wir sind stolz darauf, dass diese Säule unser Nepal repräsentiert“, sagt Rajbhandari.

Bernd Zimmer sieht den Geist der Stoa169, die Kunst der Welt – und damit auch deren Gedanken und Menschen – gleichberechtigt zueinanderzubringen, weiter im Aufwind: „Die Säule Nepals steht jetzt in Nachbarschaft zu jenen vom Iran, von Japan, Italien, Bayern und England“, sagt er freudig. Zwar sei wegen der Ferienzeit keine Einweihung der Nepal-Säule vorgesehen, aber für Mitte Oktober plane er eine Buchvorstellung und dabei auch eine Würdigung der Säule.

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