Prof. Windisch beim Grünlandtag darüber, wie Rinder der Ernährungssicherheit und dem Klima helfen können

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Um das wichtige Thema der Ernährungssicherheit ging es beim Vortrag von Prof. Dr. Wilhelm Windisch, den er beim zehnjährigen Jubiläum der Arge Heumilch hielt. © Lüderitz

Wie können wir angesichts wachsender Weltbevölkerung und gleichzeitig schwindender Ackerflächen die Ernährung sicherstellen? Darüber referierte Prof. Dr. Wilhelm Windisch beim Deutschen Grünlandtag der Arge Heumilch in Sulzberg. Dass dabei nicht nur Weizen, Soja und Bohnen eine Rolle spielen, sondern auch die Wiederkäuer, davon handelte der Vortrag, der auch auf die Wirkung der Kuh aufs Klima einging.

Sulzberg/Allgäu – „Die Verknappung der landwirtschaftlichen Nutzfläche ist eine der größten Bedrohungen der Menschheit neben dem Klimawandel.“ Ein furchteinflößender Satz. Prof. Dr. Wilhelm Windisch zitierte hier bei seinem Vortrag „(Heu)milch – ein Vorbild für ein klimaschonendes Ernährungssystem“ die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO. Ackerfläche falle vor allem im Süden Erosion und Wüstenbildung zum Opfer, so die unbequemen Aussichten. Aber „Wenn es bei anderen knapp wird, trifft es natürlich auch uns“, sagte er.

Dazu kommt, dass die Bevölkerung wächst. Seit 1970 bis heute hat sich die Zahl der Menschen auf der Erde von vier auf acht Milliarden verdoppelt. Medizinischer Fortschritt sowie Züchtung, Düngung, Maschinen und Pflanzenschutz in der Nahrungsmittelproduktion haben die Zunahme der Menschheit ermöglicht.

Die lineare Produktionsweise frisst ihre eigene Grundannahme

Windisch, der an der Technischen Universität in München lehrt und forscht, zeichnete den Weg nach, wie die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität zu Überflüssen geführt hat. Einst habe man sogar Schiffe, beladen mit Weizen, im Atlantik versenkt, um in den USA den Weizenpreis zu stabilisieren.

Durch die großen vorhandenen Mengen an Getreide und Mais begannen die Landwirte in den 70-er Jahren, sie zu Milch und Fleisch zu veredeln. Die „Lineare Wirtschaft“, gehe davon aus, dass die Produktionsfaktoren unbegrenzt vorhanden sind.

Die Situation kehre sich nun aber um. „Für das Jahr 2050 können wir ziemlich sicher davon ausgehen, dass die wachsende Weltbevölkerung diesen Überschuss an Getreide selbst beansprucht“, so der Agrarwissenschaftler. Und seit etwa zehn Jahren stagniere auch die Produktivität, trotz Züchtung und Genetik.

Es geht um die Reihenfolge: Wieder mehr pflanzliche Nahrung

Knappes Ackerland und weniger hochwertige Nahrungsmittel führen zur Priorisierung. Zunächst müsse die Pflanze auf dem Teller landen, dann im Trog und erst am Ende könne aus den pflanzlichen Reststoffen Energie produziert werden.

„Biomasse zu Energiezwecken anzubauen, ist einfach furchtbar ineffizient“, so Windisch, der als Sachverständiger im Jahr 2023 beim Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ mitgewirkt hat. „Wenn man so etwas macht, dann immer nur in Kombination“, denn so entstehe ein Mehrwert.

Biomasse mit hoher Funktionalität sei das im Allgäu in Hülle und Fülle vorhandene Grünland. Weil auf den steilen Bergflächen Nahrungsmittelanbau nur schwer möglich ist, stellten die Wiesen hier auch keine Konkurrenz zum Getreide dar.

Ein weiterer Vorteil der Grünlandnutzung mit Weidetieren beschreibt der Experte in der dort vorherrschenden Biodiversität. Ein Kuhfladen beherberge Insektenlarven, auf einer von Schafen beweideten Fläche wachsen zahlreiche Blumen und Gräserarten.

Und um bei der Produktion von pflanzlicher Nahrung möglichst effektiv zu sein, werde immer eine Verwertung von Reststoffen nötig. Auf dem Getreideacker bleibt nach der Ernte eine Menge an Stroh übrig. Fällt dann noch die Kleie weg, landet „nur ein Drittel der gesamten Biomasse im Brot“. Dazu kommen weitere Verarbeitungsschritte, bei denen Biomasse abfällt, ob bei der Leerung des Brot-Getreidelagers, bevor die neue Ernte kommt, oder bei der Einhaltung einer Fruchtfolge, bei der auch nicht-essbares Kleegras und Ackerbohnen zum Einsatz kommen: „Ich brauche immer sekundäre Prozesse, die die nicht essbare Biomasse in essbare Biomasse überführen.“

Vegane Produkte erzeugen Futtermittel

Hier landete Windisch bei den Tieren. Würde die nicht genutzte Biomasse an Nutztiere verfüttert, locke ein zweifacher Gewinn: Die Bevölkerung erhalte zusätzliche Nahrung ohne jegliche Konkurrenz zu den veganen Produkten und der Pflanzenbau profitiert von effizientem lagerbarem Dünger.

Aber kann ich die nicht-essbare Biomasse stattdessen nicht einfach als Dünger verrotten bzw. kompostieren lassen? Nicht effizient genug, winkt Windisch ab. „Vom Komposthaufen suppt es immer ein wenig raus. Das verschwindet im Boden.“ Dann stünden der angebauten Nahrungspflanze weniger Nährstoffe zur Verfügung, wenn sie sie braucht. Gärreste aus der Biogasanlage seien zwar ebenfalls lagerbar und effizient, „aber vom Biogas können Sie nicht runterbeißen“, sagte der Professor plakativ. Anders sehe es dagegen aus, wenn die nicht-essbare Biomasse im Futtertrog lande: Von der gleichen Nutzfläche bleibe am Ende doppelt so viel Nahrung, denn Milch und Fleisch kommen hinzu.

Methan: Ein Klimakiller?

Auch auf den Methan-Ausstoß bei Kühen ging Windisch ein. Vor allem Südasien und Südamerika seien die globalen Hotspots bei den Emissionen von CO2-Äquivalenten aus Nutztieren. In Deutschland emittierten die Wiederkäuer heute weniger als zu Beginn der Industrialisierung. Für die Berechnung von CO2-Äquivalenten aus Methan werde, vereinfacht beschrieben, Letzteres mit 28 multipliziert. „Für die globale Betrachtung ist das richtig, aber für die lokale Situation stimmt es nicht und führt uns in die Irre“, sagte der Professor.

Im Gegensatz zum langlebigen CO2, das sich in der Atmosphäre akkumuliere, sei CH4 (Methan) kurzlebig und verursache mit seiner Halbwertszeit von zwölf Jahren bei konstanter Emissionsrate keine Erwärmung. Ein Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels sei also die Reduzierung der Wiederkäuer auf das Maß der Kreislaufwirtschaft.

Wie hoch der Fußabdruck tierischer Nahrungsmittel ist, hänge immer davon ab, wie viel Kraftfutter die Tiere fressen, das auch dem Menschen als Nahrungsquelle dienen kann. Wie Windisch darlegte, bedeutet das zunächst einen Produktivitätsverlust, den es geringzuhalten gelte, zum Beispiel mit optimaler Futterwirtschaft, guter Tiergesundheit und tierangepasste Fütterung.

Wenn es gelinge, ein möglichst verlustarmes Trocknungsverfahren zu entwickeln, wie heute der Fall, dann liege Heu hier über Silage.

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