Talkrunde von FOCUS online Earth: Experten warnen vor Wassermangel: "Da gibt es Konflikte"
Ungewöhnlich lange Hitzewellen und anhaltende Trockenheit bis in den Herbst? Das könnte Deutschland in diesem Sommer bevorstehen. Das ist zum einen aufgrund der hohen Temperaturen schon ein enormes Gesundheitsrisiko. Zum aktuellen Zeitpunkt ist unsere Wasserversorgung noch nicht gefährdet - doch was passiert, wenn es zu Knappheiten kommt? In einer Talkrunde von DLD*, FOCUS online Earth und Procter & Gamble haben Expertinnen und Experten genau das diskutiert.
"Irgendwann kommt der Punkt, an dem das Wasser ausgeht"
Tobias von Lossow, Wasserexperte am niederländischen Clingendael-Institut in Den Haag und und am IHE Delft Institute for Water Education erklärt, wie eine Wasserkrise in Deutschland aussehen könnte. "Wir haben das auch in Europa sehen können, zum Beispiel in den letzten Jahren in Frankreich", berichtet er und verweist auf die verheerenden Dürreperioden, wo französische Bauern sogar öffentlich für Regen gebetet haben.
Doch auch in Deutschland hätte es solche Situationen in einzelnen Kommunen gegeben, meint er und fährt fort: "Die Behörden sind in einem solchen Fall bemüht, die Qualität aufrechtzuerhalten und den Wasserkreislauf wiederherzustellen. Irgendwann könnte allerdings der Punkt kommen, an dem das Wasser ausgeht. Wenn das passiert, ist es entweder schmutzig oder es wird für mehrere Stunden abgedreht", so von Lossow. So geschehen beispielsweise in Kapstadt: Dort wurde das Wasser 2018 so knapp, dass es auf 50 Liter am Tag pro Person rationiert werden musste.
Wasserknappheit ist vor allem während einer Hitzewellefür die Menschen nur äußerst schwer zu ertragen. "Das führt dann dazu, dass die Menschen krank werden oder in der Folge davon auf die Straße gehen und gegen die Regierung demonstrieren", erklärt der Wasserexperte. Er nennt als Beispiel die Proteste im irakischen Basra vor sieben Jahren.
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Folgen auf den Extremsommer die Wasserkämpfe?
Im Irak gingen damals zahlreiche Menschen auf die Straße, weil während einer Hitzewelle, bei der die Temperaturen fast 50 Grad erreichten, das Wasser knapp wurde. Die Folge: Ein Teil der Bevölkerung erkrankte, massive Proteste auf den Straßen entstanden. Für Deutschland ist dieses extreme Szenario jedoch noch weit entfernt. Wir müssen trotzdem auf der Hut bleiben, denn: Obwohl Deutschland ein wasserreiches Land ist, gehen pro Jahr zweieinhalb Milliarden Tonnen Wasser verloren. Bei Knappheit und zusätzlicher Dürre könnte es also lokal begrenzt auch zu Streitereien kommen, erklärt von Lossow und fährt fort: "Welcher Nutzer nutzt wie viel Wasser? Mit welcher Berechtigung, zu welchem Zeitpunkt, für welchen Zweck? Ist das die Ölindustrie, ist das Landwirtschaft? Ist das ein bestimmter Industriezweig, der sehr wichtig ist, um nationales Einkommen zu kreieren? Da gibt es mitunter auch Zielkonflikte."
Ein solcher Konflikt entsteht zum Beispiel, wenn die Landwirtschaft Wasser sparen muss, damit die Industrie weiter produzieren kann. Nur: Darunter könnte infolge einer solchen Sparmaßnahme wiederum die Nahrungsmittelversorgung leiden. Und das sorgt dann für mehr Krisenstoff.

"Wasser kommt nicht einfach so aus dem Hahn"
Dabei ist das Problem ein ganz Grundsätzliches: Noch immer ist für Viele sonnenklar, dass Wasser einfach aus dem Hahn kommt. Laut Johannes Schmiester vom WWF ist die Bewusstseinsbildung der erste Schritt, um nachhaltiger damit umzugehen.
"Wir haben zum Beispiel ein Format, das nennt sich Journey of Water", berichtet Schmiester, der Unternehmen dabei berät, wie sie Wasser sparen können. "Da gehen wir mit Influencern gezielt den Flusslauf ab und schauen: Wo kommt das Wasser eigentlich her? Das kommt nicht einfach so aus dem Hahn, sondern die Grundlage dafür ist ein intaktes Ökosystem und eine funktionierende 'Water Governance'." Damit Wasser aus dem Hahn bei uns Zuhause kommt, müssen laut Schmiester also viele Dinge ineinandergreifen - und das, resümmiert er, müsse man der Bevölkerung nahebringen.
Noch ist ein Konflikt oder ein Streit um Wasser also eine rein hypothetische Situation. Es gibt auch wirksame und gut erforschte Lösungsansätze, um der Wasserknappheit zu begegnen. Doch damit diese funktionieren, müssen wir bereits jetzt damit beginnen und Wasser als kostbare Ressource behandeln.