Wrestling-Stadien in Gambia: So erklärt EU skurrilen Bau mit Klima-Geld
Es ist ein Entwicklungshilfe-Projekt, das Fragen aufwirft. Die Europäische Union (EU) stellte dem westafrikanischen Land Gambia eine halbe Million Euro zur Verfügung. Allerdings floss das Geld nicht in den Bau von Schulen oder Straßen, sondern in die Errichtung dreier Sportanlagen in Ndemban, Farafenni und Boiram.
Rund 500.000 Euro überwies die EU, so ist es unter anderem in einem Bericht der "Berliner Zeitung" zu lesen, an das "Gambia Wrestling Forum". Nicht nur das Projekt an sich macht stutzig. Auch die Tatsache, dass das Geld aus EU-Klimaschutzmitteln stammt, wirkt auf den ersten Blick absurd.
Das steckt hinter dem Wrestling-Projekt in Gambia
Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärt auf Nachfrage von FOCUS online, dass das Vorhaben in Gambia im Jahr 2020 gestartet wurde. "Das geschah in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer von Gambia, der Gambia Wrestling Association und der Gaye Njorro Foundation for the Empowerment of the Youth."
Es trägt offiziell den Titel "Förderung von Investitionen in Kultur, Kunst und Sport zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit lokaler Gemeinschaften gegen den Klimawandel". Laut der Sprecherin verfolgt das Projekt drei Ziele. Zum einen sollen faire Arbeitsbedingungen in Gambia lanciert und die "Produktion von innovativem Kunsthandwerk" unterstützt werden.
Zum anderen geht es darum, das "traditionelle Ringen als kulturelles Erbe" zu fördern, indem ein Netzwerk von Ringer-Trainingsklubs aufgebaut wird. Das Wrestling soll "zur Schaffung von Solidarität zwischen Gemeinschaften" beitragen. Ein drittes Ziel besteht ihr zufolge in der Entwicklung eines neuen rechtlichen Umfelds zur Förderung von Kunst, Kultur und Sport.
Was hat Wrestling mit Klimaschutz zu tun?
Dass Wrestling in Gambia ein kulturell bedeutender und weit verbreiteter Sport ist, steht fest. Ringkämpfe sind, wenn man regionalen Medien glauben will, ein Spektakel, das viele Menschen dort voller Stolz verfolgen.
Dazu kommt: In einem der ärmsten Länder der Welt - Gambia hat laut Auswärtigem Amt nur ein pro Kopf-Einkommen von rund 850 US-Dollar pro Jahr - faire Arbeitsbedingungen schaffen und für Solidarität zwischen Gemeinschaften sorgen zu wollen, klingt sinnvoll.
Die Finanzierung des Vorhabens bleibt trotzdem fragwürdig. Denn: Was hat der Bau dreier Sportanlagen mit der Bekämpfung des Klimawandels zu tun? Das ist schließlich der Zweck der Gelder, die deren Errichtung überhaupt erst möglich gemacht haben.
Längst sorgt das EU-Projekt für Kritik. So heißt es in einem "Welt"-Kommentar: "Weder trägt das Wrestling zur Emissionsreduktion bei, noch hilft es bei Bewässerung, Hitzeschutz oder Wetterwarnung. Was bleibt, ist der Glaube, etwas für den 'Globalen Süden' getan zu haben."
Das ist die Begründung der EU-Kommission
Wrestling bringt also nichts fürs Klima? Wer bei der EU-Kommission nachfragt, bekommt eine andere Antwort. Die Popularität des Ring-Sports sei genutzt worden, um die lokale Bevölkerung für die Klimaanpassung zu sensibilisieren und ein Umweltbewusstsein zu schaffen, teilt die Sprecherin mit.
Weiter erklärt sie: "In den Arenen fanden Schulungen, Bildungsmaßnahmen und Gemeindeveranstaltungen statt, in denen es darum geht, wie sie sich gegen Klimarisiken wappnen können – also etwa Überschwemmungen und Abholzung, beides Dinge, die sich direkt auf die lokale Lebensgrundlage auswirken."
Gemeinsam beziehungsweise gegeneinander im Ring kämpfen und dadurch den Widerstand gegen den Klimawandel stärken - das ist offenbar das Motto der Aktion. Dass erst jetzt so intensiv über das Vorhaben berichtet wird, liegt daran, dass es in Europa laut "Berliner Zeitung" erst vor kurzem öffentlich bekannt wurde.
Laut EU-Kommission ist das GCCA+-Projekt, unter das auch der Bau der Sportanlagen fällt, das "das erste klimabezogene Projekt in Gambia, das einer Evaluation unterzogen wird". Es lief den Angaben zufolge 2024 aus. Die Evaluation soll bis Ende dieses Jahres "in die Wege geleitet" werden.
Auch Mangroven spielen beim Projekt eine Rolle
Insgesamt ist das GCCA+-Projekt offenbar größer gefasst, als es in der medialen Berichterstattung den Eindruck macht. Der Fokus der Medienberichte lag stark auf dem Bau der Wrestling-Arenen. Wie die Kommission aber erklärt, wurde die EU noch an anderen Stellen tätig, beispielsweise der "Entwicklung einer Gesetzgebung zum integrierten Küstenzonenmanagement".
Außerdem habe es "Verbesserungen beim Umweltinformationsmanagement der Nationalen Umweltbehörde (NEA) sowie bei den Fähigkeiten im Bereich Geoinformationssysteme (GIS)" gegeben. Auch von einer Studie zur Wiederherstellung von Mangroven ist die Rede.
Ziel war es laut EU-Kommission, Küsten- und Flussmündungsgebiete mit einheimischen Pflanzenarten aufzuforsten. Mangroven schützen solche Areale vor Sturmfluten und wirken der Versalzung entgegen. Außerdem sind sie essenziell für die Biodiversität und zudem sehr effektive CO2-Speicher. Eine Antwort zum finanziellen Gesamtvolumen des GCCA+-Projekts seitens der EU-Kommission steht noch aus.
Wohin fließen Klimagelder? Es gab bereits umfangreiche Recherchen
Am Ende bleibt trotz klimabezogener Erklärungen für die Sportanlagen und weiterem Engagement ein schaler Beigeschmack. Auch, weil es nicht das erste Mal ist, das Projekte mit Klima-Geldern gestemmt wurden, die augenscheinlich wenig bis gar nichts mit Umweltschutz zu tun haben. Es ist ein weltweites Phänomen.
Schokoladen-Shops in Asien, ein Kohlekraftwerk in Bangladash, ein Hotel in Haiti: Die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte 2023 einen Sonderbericht über Vorhaben von Industrienationen, die unter dem Deckmantel "Klimafinanzierung" abgewickelt wurden. In dem Beitrag heißt es, die Länder hätten dabei nicht gegen Regeln verstoßen.
Es gebe keine Richtlinien, welche Aktivitäten als Klimafinanzierung gelten und welche nicht. Begründungen für die Projekte lieferten die betroffenen Länder aber. Die Einordnung eines Liebesfilms unter "Klimafinanzierung" verteidigte Belgien zum Beispiel damit, dass er die Abholzung der Regenwälder thematisiere - eine der Ursachen des Klimawandels.