Ausland - Wie Trump die Stimme Amerikas zum Schweigen bringt

Donald Trump hat Amerikas Feinden ein "massives Geschenk" dargeboten - so sieht es Stephen Capus, der Chef des Senders Radio Free Europe / Radio Liberty (RFI/RL). "Die iranischen Ajatollahs, chinesische Kommunistenführer, Autokraten in Moskau und Minsk würden den Niedergang von RFE/RL nach 75 Jahren feiern. Unseren Gegnern einen Sieg zu überreichen, würde sie stärker und Amerika schwächer machen."

Auslöser für das düstere Statement war eine Exekutivanordnung aus dem Weißen Haus, datiert auf den 14. März. Unter der Überschrift "Fortsetzung des föderalen Bürokratie-Abbaus" werden darin acht Behörden genannt, die angewiesen werden, ihre Tätigkeiten und ihr Personal auf ein Minimalniveau zu reduzieren. Als zweites wird die United States Agency for Global Media (USAGM) genannt, die für die regierungsfinanzierten Auslandssender zuständig ist. Sie betreibt selbst unter anderem den Sender Voice of America (VOA) und finanziert formell eigenständige Sender wie RFI/RL und Radio Free Asia. Ihnen allen droht nun das Aus.

Die Einstellung der insgesamt mehr als 60 Sprachprogramme träfe Millionen Menschen insbesondere in Staaten, in denen autokratische Regierungen die Inlandspresse an freier Berichterstattung hindern.

"Das ist wirklich ein schwerer Schlag für die Pressefreiheit", sagt Maren Pfalzgraf, für Nord- und Südamerika zuständige Referentin der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF), im DW-Interview. "Die Entscheidung trifft Millionen Menschen weltweit, die durch die US-Auslandssender mit unabhängigen Informationen versorgt wurden."

Was das konkret bedeutet, lässt sich am Beispiel Simbabwe veranschaulichen. RSF führt das südafrikanische Land auf Platz 116 seiner Rangliste der Pressefreiheit und begründet die schlechte Einstufung unter anderem mit willkürlicher Überwachung von Telekommunikation, Verleumdung der Opposition im Staatsfernsehen und regelmäßigen Festnahmen unabhängiger Journalisten. In diese schwierige Informationslandschaft hinein sendete VOA bislang in den drei wichtigsten Verkehrssprachen Englisch, Shona und Ndebele.

Ein simbabwischer Journalist, der bisher hauptsächlich für VOA arbeitete, sagte der DW: "Die von der Regierung kontrollierten Medien haben bislang Themen wie Menschenrechte, Korruption und so weiter ignoriert. In den sozialen Medien haben Vertreter und Anhänger der Regierung am Wochenende Jubelschreie ausgestoßen. Das sagt alles darüber, was für ein wichtiges Medium VOA bislang war."

Als Ergänzung zur Exekutivanordnung veröffentlichte das Weiße Haus noch ein Statement mit einer Überschrift, die den Namen von VOA persiflierte: "Die Stimme des radikalen Amerika". Darin hieß es, die Anordnung stelle sicher, dass "Steuerzahler nicht länger für radikale Propaganda aufkommen müssen". In einer Linksammlung wurden angebliche Belege für die Kritik mitgeliefert. Das Wording erinnert an einen Post von Trumps Deregulierungs-Berater Elon Musk: Er beschimpfte VOA und RFE/RL im Februar als "Linksradikale, die mit sich selbst reden und dabei eine Milliarde an US-Steuergeldern verbrennen".

Maren Pfalzgraf von Reporter ohne Grenzen verweist auf Kari Lake, die de-facto-Chefin von USAGM unter Trump. "Sie hat getweetet, dass sie die Errungenschaften Amerikas verbreiten will. Das deutet darauf hin, dass man redaktionell Einfluss nehmen will und die eigenen Sichtweisen in der Welt, also die der Trump-Regierung, verbreiten will", sagt Pfalzgraf.

Die Trump-Administration ließ am Wochenende mit sofortiger Wirkung mehr als 1300 Mitarbeiter von VOA beurlauben. Eine asiatische Journalistin, die bislang am Stammsitz in Washington gearbeitet hatte, teilte der DW mit, rund 550 Journalisten sei zum Monatsende gekündigt worden. "Viele von diesen 550 Journalisten sind keine amerikanischen Staatsbürger, sondern mit Weiterbildungsvisa in den USA und müssen das Land verlassen", schrieb sie der DW.

Sie sei wütend, traurig und zutiefst besorgt über die Situation: "Neutrale, objektive, akkurate und auf Fakten basierende Nachrichten sind immer schwerer aufrecht zu erhalten in einer Welt, die mit Propaganda und Desinformation geflutet wird. Ich bin stolz, dass ich die Gelegenheit hatte, mit Journalisten zusammenzuarbeiten, für die die Wahrheit Priorität hat."

Voice of America ging erstmals 1942 auf Sendung - auf Deutsch, um ein Alternativangebot zu den vom Nazi-Regime gleichgeschalteten Rundfunkprogrammen zu bieten. Rasch erhöhte sich die Zahl der Sprachen. Mit ähnlicher Mission wurde im Kalten Krieg RFE/RL gegründet, 1996 kam RFA hinzu.

Chang Ping vom chinesischen Programm der DW war 1989 bei den pro-demokratischen Protesten in China dabei. "Ich erinnere mich noch lebhaft, wie sich alle in einer Ecke des Campus einfanden, um Voice of America durch Lautsprecher zu hören, die von Studenten aufgestellt worden waren. Damals war es die verlässlichste unzensierte Informationsquelle, die uns der internationalen Aufmerksamkeit für die chinesische Demokratiebewegung versichert hat und die Studentenproteste ermutigt hat", schreibt Chang. Die Proteste wurden schließlich blutig niedergeschlagen, jegliches Gedenken an hunderte Opfer wird staatlich unterdrückt.

Chang schreibt weiter: "Alle unabhängigen chinesischen Journalisten, Menschenrechtsanwälte, Tibeter, Uiguren, Mongolen und andere Menschenrechtsaktivisten, wurden in irgendeiner Form von Voice of America und Radio Free Asia unterstützt. Besonders seitdem Xi Jinping an der Macht ist, hat sich die Lage der Medien in China verschlechtert, wodurch diese nicht zensierten Berichte noch wertvoller wurden."

VOA ist Teil des internationalen öffentlich-rechtlichen Verbundes DG8, dem auch die Deutsche Welle angehört. DW-Intendant Peter Limbourg beklagte bei einer kurzfristig einberufenen Online-Pressekonferenz, die Trump-Administration habe Freiheit geschwächt und Autokratie gestärkt. "Die bisherigen Erfahrungen unserer Kollegen in Europa: Sobald ein Vakuum entsteht, werden die Chinesen und Russen dort reingehen, und das ist bedauerlich. Deswegen glaube ich, dass Europa jetzt wirklich dringend etwas tun muss."

Zumindest im Fall des in Prag ansässigen RFE/RL könnte es sogar dazu kommen: Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky will innerhalb der Europäischen Union dafür werben, künftig das Budget des Senders zu tragen.

Von David Ehl

Das Original zu diesem Beitrag "Wie Trump die Stimme Amerikas zum Schweigen bringt" stammt von Deutsche Welle.