Waffenruhe in der Ukraine? - Morgen will Trump Putin knacken – doch der hat einen ganz anderen Plan

Grundsätzlich ist er offen für Verhandlungen über eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg. So präsentierte sich Russlands Präsident Wladimir Putin vor einigen Tagen bei einer Pressekonferenz. Er sagte, die Idee sei „richtig“ und man unterstütze das Vorhaben „auf jeden Fall“.

Der Vorschlag einer 30-tägigen Feuerpause stammt von den USA und die Ukraine hat ihn bereits akzeptiert. Dass Putin dem Ganzen allerdings nicht so offen gegenübersteht, wie anfangs erwähnt, wurde im Laufe der Pressekonferenz deutlich.

Eine Waffenruhe müsse so ausgestaltet werden, „dass sie zu einem langfristigen Frieden führt und die ursprünglichen Ursachen dieser Krise beseitigt“, sagte er. Und nannte mehrere Bedingungen, an die eine Feuerpause in seinen Augen zu knüpfen wäre.

„Putin hat kein Interesse an einem Waffenstillstand“

Der Ukraine soll es währenddessen zum Beispiel verboten sein, Truppen zu mobilisieren oder Waffen zu importieren. Außerdem verlangte der Kreml-Chef die Kapitulation der ukrainischen Einheiten in der russischen Region Kursk. 

Es sind Forderungen, die das Zustandekommen einer Waffenruhe verlangsamen, wenn nicht gar unmöglich machen. Immerhin würde deren Umsetzung einen enormen Nachteil für die Ukraine bedeuten, sollten die Kämpfe wieder aufflammen.

Das sieht auch Stefan Meister so. Der Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), sagt im Gespräch mit FOCUS online: „Putin gibt sich so zögerlich, weil er kein Interesse an einem Waffenstillstand hat.“ Das liegt laut dem Politologen unter anderem daran, dass die russischen Truppen in der Ukraine gerade vorrücken. Zwar langsam, aber stetig. 

Die Ukraine gerät dagegen zunehmend unter Druck: Der Kiewer Generalstab hatte vor Kurzem den Rückzug ukrainischer Truppen aus der Stadt Sudscha im russischen Gebiet Kursk bestätigt. Nicht zu leugnen sind auch Gebietsverluste im Osten des eigenen Landes.

Kriegsende hätte „negative wirtschaftliche Folgen“ für Russland

Zur militärischen Lage kommen geostrategische Überlegungen. Meister glaubt, dass Putin jetzt seine Optionen auslotet. „Da die USA - ohne zu verhandeln - bereits Zugeständnisse an Russland machen, kann Putin maximal mehr herausholen“, sagt er. 

„Gleichzeitig sprechen die USA über weitere Themen mit Moskau - wie zum Beispiel eine Kooperation in der Arktis. Das heißt, Putin hat eine gute Verhandlungsposition und die Ukraine könnte am Ende Opfer der Interessen der USA werden.“ 

Interessant ist, dass der Krieg für Putin auch innenpolitisch eine große Rolle spielt. „Er braucht ihn zur Legitimation, da er weder ökonomisch noch, was Entwicklungsperspektiven betrifft, etwas anzubieten hat“, sagt Meister. „Sollte der Krieg tatsächlich dauerhaft gestoppt werden, hätte das negative wirtschaftliche Folgen, da aktuell Wachstum vor allem durch massive staatliche Investitionen in die Militärindustrie geschaffen wird.“ 

Russisches BIP ist in den vergangenen Jahren gewachsen

Darauf weist auch der Politologe Alexander Libman hin, der selbst aus Moskau stammt. Er ist Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Osteuropa und Russland an der Freien Universität Berlin. Zu FOCUS online sagt er: „Die Reduktion der staatlichen Militärausgaben könnte zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen oder das Land in eine Rezession schieben.“ Putin muss ihm zufolge also einen Anlass finden, die Militärausgaben hoch zu halten.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt : Das russische Bruttoinlandsprodukt ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. 2023 lag der Zuwachs bei 3,6 Prozent, im vergangenen Jahr sogar bei 4,1 Prozent. An die westlichen Sanktionen passte sich Moskau schnell an, zum Beispiel, indem es Importe umleitete oder auf inländische Produktion umstieg. 

Dazu kommt: Als Soldaten verdienen viele Russen mehr als in normalen Berufen. Und auch generell sind die Löhne gestiegen, weil es an Arbeitskräften fehlt - viele Menschen in Russland haben sich an einen höheren Lebensstandard gewöhnt. Putin hat, so ist es vielfach zu lesen, eine florierende Kriegswirtschaft geschaffen.

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn wie unter anderem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet, spart Russland im sozialen Bereich, an der Infrastruktur und im Bildungssektor, um den Krieg zu finanzieren. Und es gibt durchaus Branchen, die massiv unter den Sanktionen leiden, zum Beispiel die Kohleförderung.

„Putin braucht den Krieg“

Innenpolitisch existieren für Putin jedenfalls noch zwei weitere Gründe, den Krieg aufrecht zu halten. Der erste: „Wenn die russischen Soldaten nach Hause zurückkehren würden, hätte das negative gesellschaftliche Folgen“, sagt Meister. 

Viele von ihnen seien traumatisiert und würden nur schwer in einen normalen Alltag zurückfinden. Libman ergänzt: „Die Rückkehr der Soldaten kann die Lage im Land massiv destabilisieren, zumal die Polizei in Russland mit Personalmangel zu kämpfen hat.“