Merz-Kritik „hanebüchen“: EU-Billionen-Haushalt soll vor Krieg schützen – wegen Trump und Putin

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Der vorgelegte höhere EU-Haushalt stößt auf harte Kritik – insbesondere aus Deutschland. Für Mehrausgaben gibt es aber gute Gründe.

Brüssel/Berlin – Der EU-Haushalt bietet reichlich Zündstoff – innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Entwurf von über zwei Billionen Euro von 2028 bis 2034 vorstellte, folgte die Kritik der deutschen Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) prompt: Die geplante deutliche Erhöhung des EU-Haushalts sei „nicht vermittelbar in Zeiten, in denen alle Mitgliedsstaaten erhebliche Anstrengungen zur Konsolidierung der nationalen Haushalte unternehmen“, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius.

700 Milliarden Euro mehr als der aktuelle Etat würde der neue veranschlagen. „Daher werden wir den Vorschlag der Kommission nicht akzeptieren können“, sagte Kornelius. Deutschland zahlt als wirtschaftsstärkstes Mitglied einen Löwenanteil. Natürlich profitiert die Bundesrepublik zugleich enorm von der EU – als exportstarkes Land beispielsweise vom europäischen Binnenmarkt.

Zudem erhöht die EU die Bedeutung Deutschlands in der Weltpolitik. Denn: Als Gemeinschaft katapultieren sich die einzelnen Mitgliedsstaaten auf Augenhöhe mit USA, Russland und China – zumindest als Wirtschaftsmacht. Aber im direkten Vergleich besitzt die EU eine bedeutende Schwachstelle: fehlende militärische Stärke ihrer Mitgliedsstaaten. Auch um sich unabhängiger von Trump und verteidigungsfähiger gegenüber einem imperialistischen Russland unter Präsident Wladimir Putin zu machen, will die EU mehr Geld für die eigene Verteidigung ausgeben.

Wegen Trump und Putin: EU sollte Haushalt erhöhen

Nicht nur deshalb findet der deutsche Grünen-EU-Abgeordnete Daniel Freund die deutsche Kritik am vorgeschlagenen Haushaltsanstieg „hanebüchen“. „Für Klimaschutz, Sicherheit und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit braucht es eine starke EU mit einem starken Haushalt“, sagt das Mitglied des EU-Haushaltskontrollausschusses der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. Für europäische Lösungen dürfe nicht das Geld fehlen.

Ein Kampfflugzeug vom Typ Eurofighter Typhoon fährt über ein Rollfeld.
Ein Kampfflugzeug vom Typ Eurofighter Typhoon der Luftwaffe fährt am Fliegerhorst Wittmundhafen über das Rollfeld. (Archivbild) © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Auf dem Spiel steht unter anderem die gemeinsame Industriepolitik. Seit langer Zeit fordern EU-Abgeordnete gemeinsame europäische Rüstungsprojekte. Bereits vor Wochen sprach sich David McAllister, Vorsitzender des EU-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, für eine verbesserte Zusammenarbeit im europäischen Rüstungsbereich aus. „Der Kampfpanzer der nächsten Generation muss ein europäisches Projekt sein. Das neue Kampfflugzeug muss ein europäisches Projekt sein“, sagte der ehemalige Ministerpräsident Niedersachsens unserer Redaktion.

Unabhängiger von Trump und Schutz vor Putin: EU-Kommission setzt auf gemeinsame Rüstung

Zurzeit machen gemeinsame Rüstungskäufe auf europäischer Ebene 18 Prozent aus. Bis 2030 soll sich dieser Anteil auf 50 Prozent erhöhen, hofft die EU-Kommission. Dafür schaffte sie unter anderem einen gemeinsamen EU-Verteidigungsfonds in Höhe von 150 Milliarden Euro. Insgesamt will Brüssel in den kommenden Jahren 800 Milliarden Euro für die Aufrüstung mobilisieren.

Durch kollektive Waffenbestellungen könnte auch die Bundeswehr kosteneffizienter aufgerüstet werden. Wenn Unternehmen einen Panzer für alle Mitgliedsstaaten herstellen könnten – ohne individuelle Anpassungen – wären die Produktionskosten deutlich gesenkt, so Expertinnen und Experten. Laut McAllister gibt es in den europäischen Armeen rund 150 unterschiedliche Waffensysteme. Zum Vergleich: in den USA sind es 35.

„Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen, des brutalen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und wachsender globaler Unsicherheiten steht die Europäische Union vor historischen Herausforderungen“, sagte McAllister der Frankfurter Rundschau. Dazu zählten neben Sicherheitsfragen auch wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Klimaschutz, Migrationsmanagement und Schutz der Demokratie.

EU-Kommissar Kubilius: Haushalt würde Verteidigung „auf wirksamste Weise stärken“

Der CDU-Politiker ist sich sicher: „Kein Mitgliedsstaat kann diese Aufgaben alleine stemmen. Nur durch koordiniertes Handeln und mit einem starken und solidarisch finanzierten Haushalt lassen sich diese Ziele erreichen.“

Für EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius ist die politische Botschaft des Haushaltsentwurfs klar: „Verteidigung ist unsere oberste Priorität“, teilte er der Frankfurter Rundschau mit. Die geplanten Finanzausgaben würden die europäischen Verteidigungskapazitäten „auf die wirksamste Weise stärken“, meint Kubilius.

David McAllister steht am Rednerpult im EU-Parlament.
David McAllister, EU-Ausschussvorsitzender für auswärtige Angelegenheiten, kritisiert nationale Egoismen in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. © Fred Marvaux/European Parlament

Von der Leyen schlägt EU-Einnahmen vor

Die Haushaltserhöhung wäre nicht so hoch wie von Kritikern befürchtet: Der Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) „ist nicht so ambitioniert, wie es auf den ersten Blick scheint“, erklärt Rasmus Andresen (Grüne) unserer Redaktion. Das Mitglied des EU-Haushaltsausschusses fügte hinzu: „Wenn man die Zinskosten und Ukraine rausrechnet, bleibt die Summe trotz Preissteigerungen gleich. Da wir neue Prioritäten, wie die Sicherheitspolitik haben, drohen an anderer Stelle wie bei sozialen Projekten empfindliche Kürzungen.“ Damit der EU-Haushalt beschlossen wird, braucht es am Schluss ein einstimmiges Votum der Mitgliedsstaaten und die Zustimmung des EU-Parlaments.

Die Ko-Berichterstatter des Europäischen Parlaments für den langjährigen EU-Haushalt – Siegfried Muresan (Rumänien) und Carla Tavares (Portugal) – fordern sogar noch höhere Ausgaben und befürchten einen Stillstand der EU. Der vorgelegte Entwurf sei für genügend finanzielle Mittel für die wichtigsten Prioritäten wie Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigung nicht ausreichend, teilten sie mit.

Um einige Kosten selbst zu tragen, schlägt von der Leyen höhere EU-Eigenmittel vor – beispielsweise durch Einnahmen aus Abgaben für große Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Andresen unterstützt das: „Für uns ist es wichtig, dass die Reichen und profitablen Unternehmen mehr zum EU-Budget beitragen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die großen Tech-Konzerne die neue Abgabe für große Unternehmen zahlen müssen“, sagte Andresen mit Blick auf die Firmen der US-Milliardäre Elon Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos.

EU-Handelskrieg mit Trump könnte eskalieren

Auch Bernd Lange, Vorsitzender des EU-Handelsausschusses, stellte im Handelskrieg mit Trump US-Digitalabgaben in Aussicht. „Digitalabgaben wären eine enorme Eskalationsstufe. Wir werden diese zünden, sollten wir zuvor keine Lösungen mit der US-Seite finden“, sagte er der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA mit Blick auf den Zollkrieg zwischen Trump und der EU.

Digitalabgaben sollten – obwohl sie möglicherweise enorme politische Auswirkungen auf das transatlantische Verhältnis hätten – nicht nur als Druckmittel im Handelskrieg diskutiert werden, sondern als mögliche Einnahmequelle – auch in Friedenszeiten. Mit solch einem Schritt würde die EU nicht nur wichtiges Geld einnehmen, sondern auch die politische Botschaft in die Welt senden: Europa bleibt stark – innen wie nach außen. (Jan-Frederik Wendt)

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