In Bayern: Angebliche Saufgelage mit Ministranten: Nun dreht beschuldigter Pfarrer den Spieß um
In der Absetzungsaffäre um Pfarrer Alexander Aulinger aus dem niederbayerischen Hauzenberg hat sein Verteidiger Holm Putzke einen „Ansprechpartner für den Geistlichen Missbrauch“ im Bistum Passau bei der örtlichen Staatsanwaltschaft angezeigt. Nach FOCUS-online-Informationen geht es um Verleumdung, üble Nachrede und Beleidigung.
Der Theologe hatte auf gut 150 Seiten ein belastendes Gutachten gegen Aulinger angefertigt und an das Bistum Passau weitergeleitet. In der Expertise hatte der Autor dem Pfarrer laut dessen Anwalt „schwerwiegende persönliche und dienstliche Verfehlungen unterstellt“.
Von einem dreitätigen Saufgelage mit Wodka und Bier mit minderjährigen Ministranten an einem Hüttenwochenende war die Rede, von sexualisierten Trinkspielen, von gravierenden Grenzüberschreitungen nebst „groomingartigen Zügen“ bis hin zu gemeinsamem Duschen mit Ministranten sowie der unterlassenen Hilfeleistung bei einer 16-jährigen Jugendlichen bei einem Hüttenevent.
„Sämtliche Behauptungen sind falsch“, erklärt Putzke gegenüber FOCUS online. Inzwischen kann der Professor für Strafrecht zahlreiche Zeugen und Belege aufführen, die seine Position stützen.
Falsche Behauptungen belasten Aulinger öffentlich
In seiner Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft konstatiert Verteidiger Putzke: „Die öffentlichkeitswirksame Verbreitung von falschen Tatsachenbehauptungen und beleidigenden Bewertungen stellt einen außerordentlich schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Pfarrer Aulinger dar.“
Durch die Strafanzeige gerät der Passauer Bischof Stefan Oster zunehmend unter Druck. Oster hatte den Dekan des Pfarrverbandes Hauzenberg am 21. März per Dekret abgesetzt und öffentliche Auftritte als Priester verboten. Sollte Aulinger gegen diesen Entscheid verstoßen, drohte der Bischof mit „kirchenrechtlicher Bestrafung“.
Dabei stützte sich Oster auf besagtes Gutachten seines Ansprechpartners für den „Geistlichen Missbrauch“. Zudem hatte die Beauftragte für den sexuellen Missbrauch Pfarrer Aulinger bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Die Strafverfolger sahen jedoch keinen Anhaltspunkt für einen Anfangsverdacht.
Diözese verweigert Herausgabe des belastenden Gutachtens
Aulingers Verteidiger moniert, dass die Passauer Diözese sich bisher weigert, das angeblich belastende Gutachten dem Pfarrer von Hauzenberg zu übermitteln. „Das Bistum Passau, das im Besitz des genannten Gutachtens ist, hat sich zwar in mehreren Verlautbarungen ausdrücklich von dessen Inhalt distanziert und spricht von unrichtig dargestellten Sachverhalten und widerlegbaren Behauptungen“.
Allerdings sei nicht klar kommuniziert worden, „welche Sachverhalte nachweislich falsch sind“, führt der Strafrechtler aus. Vielmehr gab das Bistum eine Pressemitteilung über den Rücktritt Aulingers heraus, auch der Bischof stellte den Seelsorger aus Hauzenberg in einem gestreamten Video öffentlich an den Pranger.
Dabei habe Oster sich auf die fehlerhafte Einschätzung seiner Missbrauchsbeauftragten verlassen, „und ist darauf hereingefallen“. Der Strafrechtsprofessor spricht von „Rufmord mit kirchlichem Segen“.
Medienanwalt verlangt Unterlassungserklärung wegen Falschdarstellung
Inzwischen hat Aulingers Medienanwalt Markus Hennig die Passauer Diözese, vertreten durch den Bischof, zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.
Dabei wendet er sich in erster Linie gegen die Pressemitteilung vom 20. März, in der Aulinger angeblich freiwillig gegenüber dem Bischof seinen Rücktritt erklärt haben soll. Dies sei falsch, heißt es in dem Antrag.
Inzwischen agiert auch die Passauer Diözese auf Anfrage eher passiv: Das Gutachten an das Bistum habe Anlass gegeben, eine externe Anwaltskanzlei hinzuzuziehen, hieß es.
„Die Gründe dafür: Aus Sicht des Bistums werden Sachverhalte unrichtig dargestellt und widerlegbare Behauptungen aufgestellt sowie Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt. Dieser vom unabhängigen Beauftragten für geistlichen Missbrauch erstellte Bericht wurde nicht vom Bistum beauftragt. Das Bistum hat diesen unter der Maßgabe der vertraulichen Behandlung übersandt bekommen. Aus diesem und auch den bereits erklärten Gründen wird dieser Bericht daher auch nicht weitergegeben.“
Aulingers Anwälte gehen gegen Correctiv und SZ vor
Aulingers Anwälte gehen auch gegen das Recherchenetzwerk „Correctiv“, das zuerst über die Vorwürfe aus dem Missbrauchsgutachten zitierte, sowie gegen die Süddeutsche Zeitung (SZ) vor.
Pfarrer Aulinger habe „wegen unberechtigter Angriffe auf seine Person presserechtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht“. Die SZ wollte dem Ansinnen nicht nachkommen.
Inzwischen hat Medienanwalt Hennig beim Landgericht München einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die SZ gestellt.
Der Bayerische Rundfunk sowie die Tagesschau „mussten ihre Berichterstattung bereits teils löschen oder ändern, nachdem sie wegen der darin enthaltenen Persönlichkeitsverletzungen anwaltlich dazu aufgefordert worden waren“, so das Fazit der Juristen.
Aulingers Absetzung löst Welle der Solidarität aus
Inzwischen sorgt der Streit um Pfarrer Aulinger für lautstarke Proteste. Am Samstag vor einer Woche zogen 1000 Demonstranten durch die Passauer Altstadt. „Alex für Hauzenberg“ und „Oster ins Kloster“ skandierten Anhänger laut der „Passauer Neuen Presse“ auf dem Weg vom Klostergarten zum Domplatz.
Zu Beginn der Kundgebung wetterte die Mutter eines ehemaligen Ministranten, der wegen Aulingers Absetzung zurückgetreten war, auf dem Podium gegen das Bistum. Die Kirche zeige im Fall Aulinger „ihr hässliches Gesicht“.