Angriffe auf Ziele in Russland erlaubt: Biden überrascht mit Ukraine-Zusage – so reagiert Selenskyj

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Lange hat Kiew darauf gewartet, US-Waffen für Angriffe auf russischem Boden nutzen zu dürfen. Zum Ende seiner Amtszeit erteilte Biden Kiew nun die Zusage. Was bedeutet das für den Ukraine-Krieg?

Kiew/Moskau/Washington, DC – Wenige Wochen, bevor Joe Biden sein Amt an den designierten 47. US-Präsidenten, den Republikaner Donald Trump abgeben wird, sorgt der Demokrat mit einem Kurswechsel der USA im Ukraine-Krieg für Aufsehen. Wie nun bekannt wurde, genehmigt der scheidende US-Präsident der Ukraine zu seiner Verteidigung gegen Russland den Einsatz von US-Waffen längerer Reichweite, um damit Ziele auf russischem Boden anzugreifen. Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, die „Raketen für sich selbst sprechen lassen“ zu wollen, droht Wladimir Putin mit einer zügigen Reaktion.

Selenskyj zur US-Erlaubnis von Raketenangriffen in Russland: „Die Raketen werden für sich sebst sprechen“

Schon lange bittet Kiew um die Genehmigung, zu seiner Verteidigung im russischen Angriffskrieg auch Ziele auf russischem Boden mit Raketen angreifen zu dürfen, die ihnen von internationalen Partnern zur Verfügung gestellt werden. Das Warten auf die Erlaubnis hierfür entwickelte sich für Selenskyj zur Hängepartie, zumal Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dies nach wie vor ablehnt und US-Präsident Biden sich lange zurückhaltend in der Frage zeigte. Nach langem Zögern haben die USA der Ukraine nun jedoch grünes Licht gegeben, Ziele in Russland mit weitreichenden Waffen angreifen zu dürfen, wie die New York Times und mehrere internationale Nachrichtenagenturen am Sonntag ausgehend von Informationen aus US-Regierungskreisen berichten.

Ukrainischer Präsident Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj betonte, die „Raketen für sich selbst sprechen lassen“ zu wollen. © Michael Kappeler/dpa

Demnach bestätigte Präsident Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache am Sonntag, die Erlaubnis des Einsatzes von Langstreckenraketen gegen Russland von US-Seite erhalten zu haben. In seiner Rede betonte Selenskyj, dass militärische Schläge nicht mit Worten geführt würden: „Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst sprechen“, betonte der ukrainische Präsident den Medienberichten zufolge. 

Wie die New York Times berichtet, geht die Initiative für Bidens Kurswechsel von der Tatsache aus, dass Putin in der hart umkämpften russischen Grenzregion Kursk seit jüngstem auf die Unterstützung seiner Truppen durch tausende Soldaten aus Nordkorea setzt. Zuvor hatte Putin ein Sicherheitsabkommen mit seinem nordkoreanischen Verbündeten beschlossen, das unter anderem eine gegenseitige Unterstützung bei Angriffen auf eines der beiden Länder vorsieht. Das Pentagon und der Nationale Sicherheitsrat der USA wollten die Berichte auf Nachfrage zunächst nicht kommentieren, dementierten diese aber auch nicht.

Nach monatelangem Zögern hat der scheidende US-Präsident nun doch noch einen Kurswechsel im Ukraine-Krieg eingeschlagen. Er erlaubte Kiew nun, Ziele auf russischem Territorium mit US-Waffen anzugreifen.
US-Präsident Biden beim Treffen der Apec-Staaten in Peru © picture alliance/dpa/AP | Manuel Balce Ceneta

Biden erlaubt Kiew, ATACMS-Raketen gegen Russland zu nutzen – Reaktion Moskaus erfolgt prompt

Bei den nun von Biden freigegebenen Waffensystemen soll es sich Insidern zufolge um sogenannte um Army Tactical Missile Systems handeln, die auch als ATACMS-Raketen bezeichnet werden. Sie haben eine Reichweite von rund 300 Kilometern, was der Ukraine erlaubt, grenznahe russische Gebiete von der Ukraine aus ins Visier zu nehmen. Bis hierhin war der Ukraine der Einsatz von US-Waffen auf russische Ziele nur zur Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw gestattt worden, wobei Washington Kiew im Konkreten erlaubte, Himars-Raketenwerfersysteme gegen Russland zu nutzen – ihre Reichweite beträgt rund 80 Kilometer und damit deutlich weniger als die der ATACMS-Raketen.

Während Selenskyj lange auf die Freigabe von ATACMS-Raketen von US-Seite hatte warten müssen, betonte er in diesem Zuge immer wieder, russische Militärflughäfen nur auf diese Weise erreichen zu können. Wie die New York Times ausgehend von Informationen aus Regierungskreisen erfahren haben will, gehen hochrangige US-Beamte offenbar nicht davon aus, dass Bidens Erlaubnis an Selenskaj den Kriegsverlauf fundamental verändern wird. Jedoch komme der Kurswechsel des scheidenden US-Präsidenten einem Fingerzeig in Richtung Kreml gleich, um Putins Truppen und ihrem nordkoreanischen Gefolge zu zeigen, dass ihre Soldaten verwundbar sind.

Eine Reaktion Russlands auf die Freigabe der Waffennutzung von US-Seite ließ nicht lange auf sich warten: Angriffe mit US-Raketen auf russischem Gebiet werden unweigerlich zu einer ernsthaften Eskalation führen, die weitaus schwerwiegendere Folgen haben könnte, sagte Leonid Sluzki gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Slutzki ist Vorsitzender des Ausschusses für Internationale Angelegenheiten in der Staatsduma. Die scheidende US-Regierung müsse verstehen, dass sie das Team des künftigen US-Präsidenten Trump vor das Problem stellt, nicht nur den Ukraine-Konflikt zu lösen. Trumps Team müsse möglicherweise eine globale Konfrontation verhindern, fügte Sluzki hinzu.

Scheidender US-Präsident Biden schlägt mit der Erlaubnis einen späten Kurswechsel im Ukraine-Krieg ein

Bidens Richtungswechsel der Unterstützung Kiews erfolgt rund acht Wochen vor der zweiten Amtseinführung Trumps, die am 20. Januar in Washington, D.C. vollzogen wird. Obwohl noch unklar ist, welchen Kurs der Republikaner betreffend des seit 32 Monaten andauernden Ukraine-Kriegs konkret einschlagen wird, verdichten sich die Zeichen dafür, dass es ein deutlich aggressiverer sein könnte als der seines Vorgängers Biden. So hatte sich Trump im monatelangen US-Wahlkampf wiederholt dafür ausgesprochen, den Ukraine-Krieg „an einem Tag“ beenden zu wollen. 

Unlängst war aus den Reihen der Republikaner bekannt geworden, dass sie ein Ende des Ukraine-Kriegs nicht ohne territoriale Zugeständnisse von ukrainischer Seite an den Kreml für möglich halten. Der ehemalige Wahlkampfberater und enger Verbündeter Trumps, Bryan Lanza, betonte in der Vorwoche in einem Interview mit der BBC, dass ein Ende des Ukraine-Kriegs aktuell höhere Priorität besitze als territoriale Ansprüche. „Wenn Präsident Selenskyj an den Tisch kommt und sagt, wir können nur Frieden haben, wenn wir die Krim haben, zeigt er uns, dass er es nicht ernst meint. Die Krim ist weg“, sagte Lanza demnach. Die Republikaner distanzierten sich in der Folge von den Aussagen Lanzas.

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