„Am Hotspot“: Nächstes russisches BUK-System von Ukraine zerstört

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Erneuter Verlust für Russland: Ein Buk-M1-Luftabwehrsystem (hier im Tarnschema der Ukraine) soll jetzt durch Drohnenbeschuss eliminiert worden sein. In verschiedenen Angriffen ist Russlands Luftabwehr durch den Verlust von Radar-Systemen und Raketenwerfern durchlöchert worden (Archivfoto). © IMAGO / blikvideo

Während am Himmel ein Stillstand herrscht, tobt der Krieg weiter. Die Ukraine reagiert auf die Stagnation mit weiterem Treffer in Russlands Luftabwehr.

Kiew – „Diese neue Taktik, Drohnen zur Zerstörung teurer Luftabwehrsysteme einzusetzen, weist eine beeindruckende Kosteneffizienz auf“, schrieb Swetlana Schtscherbak Ende Oktober. Das Magazin Defense Express erhob diese Nachricht zu einem Rekord – innerhalb von drei Tagen soll die Ukraine zwei von Wladimir Putins Buk-Luftabwehrsystemen zerstört haben; mit 500-Euro-Drohnen. Jetzt berichtet Newsweek, dass Russland wieder eine dieser zehn Millionen Euro teuren Waffen verloren haben soll. Die Ukraine feiert sich dafür selbst, als wäre sie einen entscheidenden Schritt weitergekommen.

Wie Newsweek schreibt, hatte Ihor Klymenko auf seinem Telegram-Kanal einen Clip gepostet neben einer Nachricht, in der beschrieben wurde, wie eine Drohnen-Einheit der 27. Petschersk-Brigade der Nationalgarde das Buk-M1-System an „einem der heißesten Gebiete der Front“ getroffen habe, wie er formuliert haben soll; allerdings blieb der ukrainische Innenminister sowohl Ort als auch Datum schuldig. 

Putins Albtraum-Waffe: Das Buk-System hat vor zehn Jahren die Welt erschüttert

Das Buk-System hat vor zehn Jahren die Welt erschüttert, als durch eine der Raketen eine zivile Passagiermaschine über der Ostukraine vom Himmel geholt worden war. Am 17. Juli 2014 wurde das Flugzeug der Malaysia Airline mit der Flugnummer 17 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur abgeschossen – dieser Flug ist weltweit bekannt geworden als MH 17. Nach langen Recherchen wurde anhand von Trümmern einer Buk-Rakete als sicher festgestellt, dass prorussische Separatisten die Luftabwehr-Waffe gezündet hätten. 298 Menschen sollen dadurch umgekommen sein.

„Beide Seiten verfügen über eine tödliche Luftabwehr, die es den gegnerischen Luftstreitkräften unmöglich macht, in ihr Kampfgebiet einzudringen. Das Ergebnis ist ein auf Abnutzung basierender Konflikt, von dem Russland profitiert.“

Dieser Fall wurde für Moskau heikel, woran die Tagesschau im Laufe des ersten Jahres des Ukraine-Krieges erneut erinnerte, weil der Abschuss sozusagen das Präludium dazu bildete, was noch kommen sollte: „Angesichts des bereits damals schwelenden Krieges – offiziell zwischen prorussischen Separatisten und der Ukraine – war der Fall für die russische Regierung besonders brisant. Schließlich wurde dadurch die Aufmerksamkeit auch auf die Rolle des Kremls gelenkt, der bis dahin seine direkte Einmischung in dem Krieg stets abgestritten hatte“, wie Pascal Siggelkow und Silvia Stöber für die Tagesschau recherchierten.

Zeit Online vermutete damals, der Schuss sei durch einen Bedienfehler der Mannschaft losgegangen. Eine Buk-M-Batterie besteht neben den mindestens vier Startfahrzeugen mit je vier bis zwölf Raketen aus dem Feuerleit-Radar sowie einem Kommandofahrzeug sowie Nachlade-Fahrzeugen; die Anzahl der Raketen pro Fahrzeug nimmt mit den Fahrzeug-Generationen von M1 bis M3 zu. Deren Gefechtsbereitschaft soll innerhalb von fünf Minuten hergestellt werden können, außerdem sind die Startfahrzeuge auf einem rad- oder kettengetriebenen Chassis montiert und somit so geländegängig wie im Stellungswechsel mobil.

Russlands Buk-Truppen gefordert: „Schwierig zu bedienen – aber tödlich genau“

Nach Zielerfassung soll eine Rakete innerhalb von rund 30 Sekunden in der Luft sein – deren Reichweite wird mit fast 25 Kilometern Höhe sowie 50 Kilometern Länge angegeben – je nach Modernisierungsgrad auch weiter und höher. Die aktuelle Version Buk-M3 soll mit einem einzigen System, das aus mehreren Trägerraketen bestehe, gleichzeitig bis zu 36 verschiedene Ziele aus jedem beliebigen Winkel angreifen können, berichtet das Magazin Armyrecognition

Das Magazin Politico hatte am Beispiel der Patriot-Luftabwehrsysteme berichtet, die Bedienung solch eines Systems sei „äußerst komplex und US-Soldaten brauchen normalerweise bis zu einem Jahr, um es zu erlernen“. Die Schulung zu Beginn des Ukraine-Krieges war mit zehn Wochen angesetzt gewesen, aber die US-Ausbilder hätten gestaunt, dass die Ukrainer viel schneller mit der Technik vertraut gewesen seien. Allerdings hätten die Soldaten zwischen 19 und 67 Jahren auch schon Vorerfahrung mitgebracht. Die Buk-Systeme waren auch in der Ukraine verbreitet. Vor dem MH-17-Vorfall sollen prorussische Separatisten veröffentlicht haben, dass sie ein ukrainisches System erbeutet hätten. Offensichtlich waren die aber kaum mit dem System vertraut.

Das österreichische Magazin Blick hatte das Buk-System damals mit der Schlagzeile „Schwierig zu bedienen – aber tödlich genau“ in den Himmel gehoben, um weiter zu behaupten: „Diese Rakete verfehlt ihr Ziel nur selten. Prozentuale Trefferwahrscheinlichkeit: 90 Prozent.“ Im Verlauf des Ukraine-Krieges habe das System seinen Wert offenbar bewiesen, wie Newsweek berichtet hat: „Die Bemühungen sowohl Russlands als auch der Ukraine, die bodengestützten Luftabwehrsysteme ihres Gegners zu überwinden, bleiben weiterhin eine der wichtigsten Auseinandersetzungen des Krieges“, zitierte das Magazin das britische Verteidigungsministerium Anfang Dezember vergangenen Jahres.

Russlands löchrige Luftabwehr: Ukrainische Drohnen-Streitmacht nimmt mehr Systeme aus dem Gefecht

Tatsächlich hatte das Magazin The War Zone (TWZ) bereits im März 2022 veröffentlicht, dass die moderneren Buk-M3-Systeme den zuvor verwendeten M1 oder M2 an die Front in der Ukraine gefolgt seien – offenbar aufgrund enttäuschender Leistungen der Vorgänger-Modelle, wie Thomas Newdick geschrieben hatte. Der TWZ-Autor skizzierte, dass die Russen wohl vorgehabt hätten, ein „hochentwickeltes, vielschichtiges“ Luftabwehrnetz zu spannen, „um den russischen Vormarsch am Boden abzudecken und sicherzustellen, dass die ukrainische Luftwaffe am Boden bleibt, auf große Distanz bleibt oder anderweitig in der Luft vernichtet wird“.

Das Buk-M3-System sollte davon ein Knotenpunkt sein, neben „den von Su-35S und anderen modernen Kampfjets geflogenen Kampfpatrouillen, die von Basen in Russland, auf der Krim und in Weißrussland aus operieren, sowie mit den in denselben Ländern stationierten Langstrecken- Luftverteidigungssystemen S-400“, wie Newdick geschrieben hat. Ganz offensichtlich konnte Russland seine diesbezüglichen Ziele bis heute kaum erreichen. Im Gegenteil scheint die ukrainische Drohnen-Streitmacht mittlerweile 91 zu Buk-Einheiten gehörige Fahrzeuge aus den Gefechten herausgenommen haben, wie die Statistik-Website Oryx berichtet. Allerdings soll auch der Bestand der Ukraine an diesen Waffen um mehr als ein Dutzend Fahrzeuge geschrumpft sein.

„Beide Seiten verfügen über eine tödliche Luftabwehr, die es den gegnerischen Luftstreitkräften unmöglich macht, in ihr Kampfgebiet einzudringen. Das Ergebnis ist ein auf Abnutzung basierender Konflikt, von dem Russland profitiert“, hatte noch im Juli dieses Jahres David Deptula klargestellt. Der ehemalige Generalleutnant der US-Luftwaffe machte im Air & Space Forces Magazin deutlich, dass die russische Luftflotte mit zögerlichen und schlecht durchdachten Angriffen der Ukraine die Zeit verschafft hätte, ihre Luftabwehr über das Land zu verteilen sowie durch vorgetäuschte Luftabwehr-Stellungen feindliches Feuer in die Irre zu leiten, um selbst handlungsmächtig zu bleiben.

Düstere Prognose: Ukraine-Krieg werde sich ohne Lufthoheit noch ewig hinziehen

Unterdessen hätten sich Russlands dynamische Zielerfassung und Kampfschadensermittlung als langsam erwiesen und blieben blind gegenüber mobilen Einheiten der ukrainischen bodengestützten Luftabwehr oder verstreuten Flugzeugen, die die Führung bei der Bekämpfung russischer Luftoperationen übernahmen, bis sich die russische Luftabwehr am Boden nach Angriffen wieder formieren konnte, behauptet Deptula. Die Angriffe mit Drohnen hätten die ineffiziente Führung der russischen Raketenartillerie noch verschärft.

Ihm zufolge werde sich der Ukraine-Krieg noch ewig hinziehen, wenn keine der beiden Kriegsparteien einen entscheidenden Schritt zur Lufthoheit erlangen sollte. Der neuerliche Abschuss des Buk-Systems mag ein Schritt sein; wie groß die entstandene Lücke in der russischen Luftverteidigung ist, bleibt abzuwarten. Ebenso die Frage, wie viele Systeme dieses Typs Russland nachschieben kann. Nichtsdestotrotz sei der eingeschlagene Weg der Ukraine unumgänglich, wie Deptula in Air & Space Forces schreibt: Das gezielte Angreifen feindlicher Luftabwehrsysteme wie Boden-Luft-Raketenstellungen, Radaranlagen und Flugabwehrartillerie ebne den Weg für Folgeoperationen wie Luftnahunterstützung, Unterbrechung und konventionelle strategische Angriffe auf feindliche Schwerpunkte.

Allerdings ist sein Fazit düster: „Bis zum Herbst 2022 erreichten die beiden Seiten eine Stagnation, die bis heute anhält.“

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