Widersprüchliche Signale: USA erwägen wohl doch ATACMS-Erlaubnis für Ukraine

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Kiew fordert weitreichende Befugnisse für ATACMS-Raketen. US-Außenminister Antony Blinken zeigt jetzt Bereitschaft. Andere bremsen die Erwartungen.

Washington, D.C. - Die USA erwägen laut US-Außenminister Antony Blinken der Ukraine den Einsatz von Langstreckenwaffen tief in russischem Territorium zu erlauben. Kiew fordert seit längerer Zeit solche Befugnisse von seinen westlichen Verbündeten. Bisher hatte Washington aber kein grünes Licht gegeben, da eine Eskalation mit Moskau über den Ukraine-Krieg hinaus verhindert werden soll.

Blinken äußerte sich zu der Angelegenheit während seines Besuchs in London bei einer Pressekonferenz zusammen mit dem britischen Außenminister David Lammy am Mittwoch (10. September). Beide werden diese Woche gemeinsam nach Kiew reisen, was den ersten gemeinsamen Besuch dieser Art seit mehr als einem Jahrzehnt darstellt. Offenbar soll der Besuch auch genutzt werden, um die Frage nach weitreichenderen Einsatzmöglichkeiten der ATACMS-Raketen für Kiew auszuloten. Man wolle von der ukrainischen Regierung zunächst erfahren, „wie genau die Ukrainer ihre Bedürfnisse in diesem Moment sehen, welche Ziele sie verfolgen und was wir tun können, um diese Bedürfnisse zu unterstützen“, so Blinken in London laut dem US-Portal Newsweek.

Blinken schließt Befugnisse für ATACMS nicht aus – wird eine Eskalation mit Russland in Kauf genommen?

In der Frage der ATACMS-Flugkörper werde man den „ukrainischen Partnern aufmerksam zuhören“, so der US-Außenminister weiter. Anschließend würden Lammy und er „dem Premierminister [Keir Starmer] und Präsident Biden in den kommenden Tagen Bericht erstatten“. Neben den USA erwägt auch Großbritannien Kiew eine weitreichendere Einsatzbefugnis der eigenen Langstreckenwaffen vom Typ Storm Shadow zu erteilen.

US-Außenminister Antony Blinken bei seinem Besuch in London.
US-Außenminister Antony Blinken bei seinem Besuch in London. © IMAGO/Tayfun Salci

Einschränkend hob Blinken dem Bericht zufolge jedoch hervor, dass es unabdingbar sei, dass man „eine Reihe von kritischen Elementen“ berücksichtige. „Es ist nicht nur das System selbst, das zählt. Man muss sich auch fragen, ob die Ukrainer es effektiv nutzen können. Manchmal erfordert das eine umfangreiche Schulung, die wir durchgeführt haben. Sind sie in der Lage, es zu warten? Auch das ist etwas, woran wir gearbeitet haben. Ist es Teil einer wirksamen Strategie? All dies sind Fragen, die wir uns ständig stellen“, so der Außenminister weiter. Er verwies aber auch darauf, dass die USA in der Vergangenheit routinemäßig die Bereitschaft gezeigt hätten, ihre Unterstützung für die Ukraine an die Bedingungen auf dem Schlachtfeld anzupassen.

Widersprüchliche Signale aus Washington: Biden-Administration plant keine Änderung im Ukraine-Krieg

Aus Washington kamen eher zurückhaltende Signale. US-Präsident Joe Biden sagte zwar, man arbeite „das gerade aus“, zwei US-Beamte erklärten jedoch gegenüber CNN, dass die Biden-Administration keine Änderungen bei den Beschränkungen plane. Laut dem Nachrichtensender stellte ein hochrangiger Regierungsbeamter klar, dass es „keine Änderung der Politik“ geben werde. Es gebe auch keine Offenheit für die Aufhebung von Beschränkungen. Ein anderer US-Beamter habe sich dieser Meinung angeschlossen und geäußert, dass die Regierung, trotz der Tatsache, dass amerikanische und ukrainische Beamte diese Frage regelmäßig erörtern, keine Änderungen der Politik in Bezug auf ATACMS-Raketen erwarte.

Gleichzeitig seien aus der republikanischen Partei Stimmen laut geworden, die sich für eine Aufhebung aussprechen. Die Beschränkungen hätten „die Fähigkeit der Ukraine behindert“, Russland zu besiegen, „und den Truppen des Kremls einen Zufluchtsort gegeben“, von dem aus sie die Ukraine „ungestraft“ hätten angreifen können, so der Tenor der republikanischen Gesetzgeber laut dem Bericht. „Es ist längst an der Zeit, dass die Regierung ihren Kurs ändert und die verbleibenden Beschränkungen für den Einsatz der von den USA bereitgestellten Waffen gegen legitime militärische Ziele in Russland aufhebt“, habe es in dem Schreiben weiter geheißen.

Republikaner fordern ATACMS-Erlaubnis – obwohl Trump den Ukraine-Krieg nach US-Wahl beenden will

Wie bei früheren Schritten der USA zur Unterstützung der Ukraine auf dem Schlachtfeld gibt es innerhalb der Regierung Bedenken, dass die Erlaubnis für die Ukraine, weiter innerhalb Russlands zuzuschlagen, den Konflikt eskalieren und Russland dazu veranlassen könnte, die USA weiter zu beschuldigen, Teil des Krieges zu sein. Die republikanischen Abgeordneten hätten jedoch argumentiert, dass „die Bedenken der Regierung hinsichtlich einer Eskalation seit dem ersten Tag des Krieges durchweg entkräftet worden sind“.

Das Schreiben der Republikaner richtet sich gegen Entscheidungen der Biden-Harris-Administration, steht aber im Gegensatz zu den Äußerungen der republikanischen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten Donald Trump und J. D. Vance. Diese haben angedeutet, dass sie im Falle ihrer Wahl die Hilfe für die Ukraine einstellen könnten. Trump hat wiederholt versprochen, den Krieg unverzüglich beenden zu wollen. (tpn)

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