Pleitewelle rollt weiter: Bei Insolvenzen „erwarten wir einen heißen Herbst“
Experten erwarten, dass die Zahl der Insolvenzen in Deutschland weiter steigen wird. Eine Studie zeigt, wie groß die Unsicherheit in deutschen Unternehmen ist.
München – Die Pleitewelle unter deutschen Firmen ist nicht vorbei. Experten rechnen damit, dass im laufenden Jahr die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland auf etwa 20.000 steigen wird. Geschwächt von den Corona-Jahren, hohen Energiepreisen und gestiegenen Zinsen geraten immer mehr Firmen in Deutschland in Schieflage. Zudem sind Ausnahmeregelungen ausgelaufen, mit denen der Staat versucht hatte, eine Pleitewelle während der Pandemie abzuwenden.
Studie: Viele erwarten wirtschaftliche Schwierigkeiten für Deutschland
Auch eine Auswertung des Münchner Beratungshauses AlixPartners legt nahe, dass in Deutschland die Zahl der Unternehmen, die in Schieflage geraten wird, weiter steigen dürfte. Zudem fürchten, sie, dass die Bewältigung der Probleme immer schwieriger werden könnte.
Für die 19. globale „Turnaround & Transformation“-Studie wurden weltweit mehr als 700 Anwälte, Kreditgeber, Finanzberater und andere Führungskräfte befragt, die an Restrukturierungen beteiligt sind. 165 von ihnen kommen dabei aus Deutschland. Dabei zeigten sich die deutschen Befragten im internationalen Vergleich deutlich pessimistischer.
So glauben mehr als 70 Prozent der deutschen Befragten, dass Deutschland am ehesten wirtschaftliche Schwierigkeiten erfahren wird. Dies sei der im weltweiten Vergleich höchste Wert, so die Berater in einer Mitteilung. Auch bei einer deutschen Schlüsselbranche sieht man schwarz: 65 Prozent der Befragten in Deutschland rechnen außerdem damit, dass die Automobilindustrie im eigenen Land weiter unter erheblichem Druck stehen wird. Das ist beispielsweise deutlich mehr als in Nord- und Südamerika, wo der Wert nur bei 17 Prozent liegt.
Besonders besorgniserregend: Die wenigsten der deutschen Befragten rechnen mit einem Wirtschaftswachstum in den nächsten zwölf Monaten. Diese Besorgnis spiegele sich den Beratern zufolge auch in der wachsenden Aktivität des „Sunsetting“ wider, bei dem Unternehmen entweder durch den Verkauf von Vermögenswerten Liquidität generieren oder durch Geschäftsaufgaben Kosten senken.
Einschätzung vom Berater: „Die Unsicherheit der Unternehmen ist groß, das Investitionsklima schwach“
Rainer Bizenberger, Alix-Co-Chef für Turnaround und Restructuring in den deutschsprachigen Ländern, erklärt dazu gegenüber der Wirtschaftswoche: „Die Unsicherheit der Unternehmen ist groß, das Investitionsklima schwach“. Besserung sei nicht in Sicht. Die Beratungsanfragen hätten in den vergangenen Monaten zugenommen. „Wir erwarten einen ziemlich heißen Herbst“, meint Bizenberger.
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Ein Problem für die Firmen sei auch, dass die Lage immer komplexer würde, meint Axel Schulte, Co-Chef für den Bereich Turnaround und Restrukturierung in Europa bei AlixPartners, gegenüber dem Magazin. „Früher konnten Unternehmen ihre Herausforderungen und Themen nacheinander abarbeiten. Heute geht es Schlag auf Schlag“. Es gelte, „mehrere Brände gleichzeitig zu löschen.“
Ifo-Geschäftsklimaindex: „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest“
Auch sonst zeigt man sich in der deutschen Wirtschaft pessimistisch: So ist die Stimmung unter den Unternehmen in Deutschland laut Umfrage des Münchner Ifo-Instituts im Juli weiter gesunken. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ging auf 87,0 Punkte zurück, nach 88,6 Punkten im Juni, wie das Ifo am Donnerstag mitteilte. Demnach habe auch die Skepsis mit Blick auf die kommenden Monate „merklich zugenommen“.
„Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest“, erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Unternehmen waren demzufolge im Juli weniger zufrieden mit den laufenden Geschäften als noch im Juni. Die Stimmung habe sich „merklich eingetrübt“.
Die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib, fühlte sich an 2023 erinnert: „Genau wie im Vorjahr hatte sich die Unternehmensstimmung im Frühjahr noch aufgehellt, aber im Sommer ist der Stimmungsaufschwung schon wieder abgerissen.“ Dabei könne auch die Sorge über einen möglichen Wahlsieg des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump eine Rolle spielen, erklärte Köhler-Geib.
Trotz aller Risiken geht die KfW-Chefvolkswirtin davon aus, dass der Konjunkturaufschwung im laufenden und kommenden Jahr weitergeht. „Insbesondere dürfte der Konsum dank der jüngsten Kaufkraftgewinne noch stärker zunehmen und auch bezüglich der Investitionstätigkeit in Deutschland gibt es endlich wieder ein paar positive Signale“, erklärte Köhler-Geib. Mit Material der dpa und AFP