„Alarmsignal“: Warum sich gerade junge Menschen mit Klarna, Paypal und Co. verschulden
Unter-25-Jährige bangen um ihre Existenz, weil sie „Später bezahlen“-Funktionen unterschätzen. Für sie hat das besonders schwere Folgen, warnen Schuldenberatungen.
Jetzt kaufen, später erst bezahlen: Das Angebot von Anbietern wie Klarna und Paypal klingt verlockend. Wer den Service beim Online-Shopping nutzt, erhält die Bestellung direkt, die Rechnung erst mehrere Wochen danach. Das zieht besonders junge Menschen an, die häufig einen vollen Warenkorb, aber wenig Geld auf dem Konto haben. Aus #Klarna wurde sogar ein TikTok-Trend. Die Gefahr, den Überblick zu verlieren, ist hoch.
Klarna, Paypal und Co.: Junge Menschen gehen vermehrt zur Schuldenberatung
Immer mehr Menschen verschulden sich wegen solcher „Später bezahlen“-Möglichkeiten. Die Jüngeren sind besonders betroffen. Darauf weist das Ergebnis einer Umfrage unter 1400 gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland hin: 65 Prozent der teilnehmenden Beratungsstellen berichten, dass Probleme im Zusammenhang mit „Buy now, Pay later“-Angeboten im Vergleich zum Frühsommer 2023 zugenommen hätten.
Zwar stellte über die Hälfte der Beratungsstellen nicht fest, dass mehr Menschen unter 25 um Hilfe suchen. Ein Viertel der Beratungsstellen betreute im Frühsommer 2023 jedoch verstärkt Unter-25-Jährige. Roman Schlag, Referent für Schuldnerberatung beim Caritasverband für das Bistum Aachen und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) hält es für „ein Alarmsignal, wenn so viele junge Menschen in die Beratung kommen“.

Deshalb verschulden sich mit „Später bezahlen“ von Anbietern wie Klarna und Paypal besonders junge Menschen
Wie das passieren kann, erklärt Marco Rauter, der in einer Berliner Schuldenberatung arbeitet: Ein Jugendlicher möchte dieses eine neue Paar Turnschuhe. Vielleicht, weil er bei seiner Clique dazugehören will. Online reichen wenige Klicks, um sich den Wunsch zu erfüllen.
Früher war das nicht so: „Wenn Sie den Wunsch hatten, sich etwas zu leisten, mussten Sie zur Bank gehen. Wenn Ihr Konto das zuließ, sind Sie zum Laden gefahren und haben gehofft, dass die Schuhe in Ihrer Größe da sind. Sie hatten mehrere Optionen, um nachzudenken, ob Sie das Geld wirklich ausgeben. Das fällt alles weg bei diesen Systemen“, sagt Rauter bei einer Pressekonferenz auf Nachfrage von BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
Der Traum von der eigenen Wohnung kann durch „Buy Now Pay Later“ platzen
In der Regel haben junge Menschen ein eher niedriges Einkommen: Sie sind in der Ausbildung, studieren oder gehen noch zur Schule. Deshalb verschulden sie sich deutlich schneller, sagt Schlag. Überschuldung bedeutet, dass nach Abzug der Zahlungsverpflichtungen die eigene Existenz nicht mehr gesichert ist. Normalerweise geht das mit Problemen beim Zahlen der Miete einher.
Unter-25-Jährige, die sich verschulden, wohnen möglicherweise noch bei den Eltern. Irgendwann wollen sie in eine eigene Wohnung ziehen. „Dann kommt das Problem“, sagt Rauter. Vermieterinnen und Vermieter fordern in der Regel eine Schufa-Auskunft an. Die vielen aufgenommenen Kredite erhöhen jedoch den Schufa-Score. Betroffenen verlieren ihre Kreditwürdigkeit. Die Folge könne sein, dass der Traum von der eigenen Wohnung platzt. Rauter muss seinen jungen Kunden dann erklären, dass es einige Jahre dauern kann, bis sich der Schufa-Score erholt.
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Caritasverband fordert finanzielle Allgemeinbildung in der Schule
Wer jung ist, komme oft erst spät in die Schuldenberatung. Dann, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, sagt Caritas-Referent Schlag. Das bemerkt auch Rauter bei seiner Arbeit als Schuldenberater. „Vielleicht ist es einfach uncool“, sagt er. Er beobachte oft, dass es nicht nur das Schamgefühl sei, dass sie davon abhält, in die Beratung zu kommen, sondern auch das fehlende Wissen darüber.
Nach einer Umfrage im Auftrag der Schufa-Bildungsinitiative Wirtschafts-Werkstatt wünschen sich 93 Prozent der Jugendlichen, dass die Themen Geld und Finanzen stärker in der Schule behandelt werden. Die AG SBV, zu dem auch der Caritasverband gehört, fordert „finanzielle Allgemeinbildung von klein auf“. Die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin, bei der Rauter Vorsitzender ist, startet an Schulen bereits mit Präventionsprojekten. Zudem fordert die AG SBV striktere Transparenzregeln für „Buy now, Pay later“-Angebote, um die Folgen bereits in den Apps sichtbarer zu machen.
Klarna schreibt in einem Unternehmensblogbeitrag 2022, dass sich ihre jüngste Nutzergruppe „genauso verantwortungsbewusst verhält wie die Durchschnittsnutzer, wenn es um überfällige Gebühren und die pünktliche Bezahlung von Rechnungen geht.“ 2021 lag demnach die Mahnrate bei den 18- bis 25-Jährigen bei 10,8 Prozent. Das Unternehmen habe kein Interesse daran, dass Menschen bewusst Schulden machen und habe unter anderem mehr kostenlose Zahlungserinnerungen eingeführt.