„Das ist unwürdig“: Sechsköpfige Familie abgeschoben – Münchnerin will helfen

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Eine Familie aus Icking wurde in der Nacht auf Dienstag in die Türkei abgeschoben. (Symbolfoto). © Kappeler/dpa

Dramatische Szenen sollen sich in Icking abgespielt haben. Eine Familie wurde in die Türkei abgeschoben. Ilse Dietl hatte sich mit den Leuten angefreundet. Sie will für sie kämpfen.

Icking – Fünf Streifenwagen stoppen nachts vor einem Haus. Kurz darauf wird die Mutter von vier Kindern in Handschellen abgeführt: Es waren dramatischen Szenen, die sich in der Nacht zum Dienstag in Icking abgespielt haben sollen. Eine kurdische Familie wurde in die Türkei abgeschoben. Zwei Jahre lang lebten die Eltern mit ihren Kindern – drei Mädchen (3, 9 und 12 Jahre alt) und ein achtjähriger Bub – im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Ilse Dietl hatte sich mit der Familie angefreundet und unterstützte sie. Jetzt will Dietl für sie kämpfen.

Familie aus Icking abgeschoben: „Mutter vor den Augen der Kinder in Handschellen“

Der Kontakt zur Familie entstand durch Zufall. Eines Tages radelte die Münchnerin an dem Haus vorbei, in dem die Familie mit einer weiteren untergebracht war. „Ich wollte schauen, was da so los ist.“ Dietl kam mit ihnen ins Gespräch. „Die Mädchen waren so nett und intelligent.“ Mit der Zeit freundete sich die Münchnerin mit den Leuten an. „Am Samstag habe ich mit den zwei großen Mädchen noch einen Ausflug gemacht, später sind wir zur Tafel nach Geretsried“, erinnert sich die 64-Jährige.

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Dann kam der Tag, der alles veränderte. „Als ich am Dienstag auf das Haus zukam, sah ich die andere Familie schon weinen.“ Nachts um 3 Uhr sei die Polizei gekommen, schilderten sie Dietl. „Die Mutter wurde vor den Augen ihrer Kinder in Handschellen abgeführt, das muss man sich mal vorstellen“, empört sich die Münchnerin. „Das ist unwürdig. Wo bleibt da die Menschlichkeit?“

In Deutschland angekommen, lebte die Familie laut Dietl zunächst in einer Unterkunft in Geretsried, später zog sie nach Icking. Die zwei ältesten Mädchen gingen dort zur Grundschule. Sie lernten Deutsch, knüpften Kontakte, lebten sich ein. Von heute auf Morgen wurden die Geschwister nun aus ihrem Alltag herausgerissen. „Damit wurde den Kindern doch eine große Chance genommen“, meint Dietl.

Abschiebung in die Türkei: „Kindern wurde große Chance genommen“

Inzwischen weiß sie: Zunächst wurde die Familie – die Eltern waren ohne Job – von München nach Istanbul geflogen. Von dort aus ging es weiter mit einem Bus in ihre ursprüngliche Heimat. Per Whatsapp hat die 64-Jährige inzwischen mit den zwei ältesten Töchtern telefoniert. „Ihnen geht es soweit gut. Aber ich will nicht wissen, wie sich diese Ereignisse psychisch bei den Kindern einprägen.“ Dietl ist froh, zumindest auf diese Art mit der Familie Kontakt halten zu können.

Ich bleib‘ dran an dem Fall. Die Familie ist mir ans Herz gewachsen.

Aufgeben kommt für die Münchnerin nicht infrage. „Ich bleib‘ dran an dem Fall. Die Familie ist mir ans Herz gewachsen.“ Deshalb möchte sie Eltern und Kinder weiter unterstützen. Ihnen helfen, neue Anträge für eine Rückkehr nach Deutschland stellen zu können. „Sie sollen wissen, dass jemand hier auf sie wartet.“

Dietl betont: Ihr gehe es nicht nur um das Schicksal der Familie aus Icking, sondern generell um die Handhabung des Asylgesetzes. „Das muss sich ändern“, fordert die 64-Jährige. „Allein, wenn die Polizei plötzlich mitten in der Nacht bei einem vor der Tür steht und die Leute abführt. Da muss es doch andere Lösungen geben.“

Familie aus Icking abgeschoben: Bürgermeisterin möchte sich nicht äußern

Ickings Bürgermeisterin Verena Reithmann möchte sich auf Nachfrage nicht zu dem Vorfall äußern. Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen antwortet auf Anfrage in einer schriftlichen Stellungnahme, „sämtliche notwendige Maßnahmen, welche im Zusammenhang mit einer Aufenthaltsbeendigung beziehungsweise Abschiebung stehen, (stehen) unter Verschluss“, heißt es darin. Und weiter: „Zudem kann aufgrund des Datenschutzes zum beschriebenen Fall ohnehin keine detaillierte Auskunft gegeben werden.“

Fast 16.000 türkische Staatsbürger in der Bundesrepublik waren Ende September laut der Deutschen Presseagentur ausreisepflichtig. Zu diesem Zeitpunkt begann Deutschland mit den neu ausgehandelten Abschiebungen in die Türkei.

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