Schadenersatz-Forderung: Deutsche-Bank-Chef holt 17 Jahre alte Entscheidung ein
An sich hat er es geschafft: Christian Sewing hat erst den Ruf und dann die Solidität der Deutschen Bank wieder hergestellt. Beide waren in den Jahren zuvor reichlich ramponiert worden. Dazu beigetragen hatten Rechtsstreitigkeiten, in der mal die eigenen Mitarbeiter, mal die Konkurrenz und mal die Aufsichtsbehörden dem größten privaten deutschen Geldhaus Unregelmäßigkeiten bis hin zu Libor-Zins-Manipulationen vorwarfen, sodass in der Bilanz der Bank immer wieder hohe Rückstellungen für eventuelle Verurteilungen gebildet werden mussten. Mit all dem hat Sewing seit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren gründlich aufgeräumt.
Bürokonflikt im Millionenrahmen
Um so ärgerlicher für ihn und die Bank ist es jetzt, dass ein verhältnismäßig überschaubarer Rechtsstreit mit einem ehemaligen Mitarbeiter direkt vor Sewings Bürotür landet. Die Geschichte geht so: Die Bank ist seit mehr als einem Jahrzehnt in einen Streit verwickelt, der jetzt neu zu einer millionenschweren Klage eines ihrer ehemaligen Investmentbanker gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber geführt hat. Es geht um Geschäfte des Frankfurter Dax-Konzerns mit der italienischen Banca Monte dei Paschi di Siena aus den Zeiten der Finanzkrise, die vor Gericht landeten. In diesem Zusammenhang verlangt der Mann rund 152 Millionen Euro „für den durch das Strafverfahren in Italien und die erstinstanzliche Verurteilung erlittenen beruflichen Schaden“, wie auch im Deutsche-Bank-Geschäftsbericht zu lesen ist. Das Landgericht Frankfurt hat für den 4. Dezember eine mündliche Verhandlung darüber angesetzt.
Finanzkrise und Gerichtsverfahren
Hintergrund des Rechtsstreits sind Geschäfte, die die Deutsche Bank im Jahr 2008 in der sich abzeichnenden Finanzkrise mit der nach eigener Darstellung ältesten Bank der Welt, der Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) und einer Tochtergesellschaft der MPS abgeschlossen hatte. Elf Jahre später wurden in diesem Zusammenhang fünf ehemalige und ein damals aktiver Mitarbeiter der Deutschen Bank in Italien wegen Beihilfe zur Bilanzfälschung in Tateinheit mit Marktmanipulation zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Verurteilten gingen - mit Unterstützung der Deutschen Bank - in die Berufung. In dem neu aufgerollten Verfahren gab es 2022 dann Freisprüche für alle Beklagten.
Die sind damit jedoch nicht zufrieden. Einer jedenfalls verlangt jetzt Schadensersatz für die durch den Prozess und seine Rufschädigung erlittenen finanziellen Einbußen; wobei 152 Millionen Euro auch in Investmentbanker-Kreisen als „sportlich“ gelten. Kommt er damit durch, oder am Ende auch mit einer geringeren Vergleichssumme, könnten die anderen Betroffenen es ihm gleichtun.
Holt die Vergangenheit Sewing ein?
Die Deutsche Bank weist die Klage ihres ehemaligen Investmentbankers laut Geschäftsbericht für das Jahr 2024 schon mal vorsorglich zurück: „Die Deutsche Bank hält diese Ansprüche ausnahmslos für unbegründet. Sie wird sich energisch dagegen verteidigen und angeblich entstandene Schäden in unrealistischer Höhe, wie den in Deutschland geforderten Schadensersatz, bestreiten“, kündigt sie an.
Dass das Thema sich jetzt bis zum Chef hochgeschaukelt hat, liegt daran, dass unter anderem der britischen Financial Times Unterlagen zugespielt wurden, die belegen sollen, dass ein ähnlicher Deal wie der mit MPS zwei Jahre später mit der italienischen Unicredit abgeschlossen wurde. Das Problem für den Deutsche-Bank-Boss: Sewing hatte zu dieser Zeit Führungspositionen im Bereich Risikomanagement inne. 2010 war er Leiter der Kreditabteilung der Deutschen Bank. Drei Jahre später wechselte er in die Innenrevision der Deutschen Bank und war mit der Aufarbeitung der damaligen Rechtsstreitigkeiten konfrontiert. Dort musste Sewing den Unicredit-Deal in seiner neuen Rolle überprüfen und feststellen, dass auch er nicht optimal abgelaufen war. Ob ihm selbst daraus ein Vorwurf zu machen ist?
Rechtlich eher nicht, wie auch der letztliche Freispruch für die in den MPS-Deal verwickelten Banker zeigt. Tatsächlich dürfte hinter dem Versuch, Sewing in das laufende aktuelle Klageverfahren hineinzuziehen, das Ansinnen des aktuellen Klägers stecken, eine möglichst hohe Vergleichssumme herauszuhandeln. In Investmentbank-Kreisen wird eben oft mit schweren Geschützen um hohe Summen gerungen – was diesen Teil des Bankgeschäfts schon oft in Verruf gebracht hat.