Der Billionen-Zoff: Warum Aiwanger wohl nicht gefeuert wird
Am Montag, 16 Uhr, treffen sich Söder und Aiwanger, um den Schuldenstreit um Bayerns Haltung zum Billionen-Paket zu lösen. Die SPD hofft auf ein Platzen der Bayern-Koalition.
München – Der erste Flirtversuch kam am Morgen danach. Eine SMS war‘s, abgeschickt von der SPD an Markus Söders Handy. Die SPD stehe „immer für Gespräche zur Verfügung“, teilte der damalige Parteichef Florian von Brunn kurz nach der Landtagswahl im Oktober 2023 mit. Söders Antwort war knapp, ein kurzes Danke, ernste Gespräche folgten nicht. Doch immerhin lernte die Öffentlichkeit damals: Nanu, es würde ja in Bayern auch für ein schwarz-rotes Bündnis reichen, es muss nicht immer die Koalition mit Aiwanger sein.
Die Lage im Bundesrat
Für eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundesrat braucht es dort 46 von 69 Stimmen. Die ausschließlich von CDU, SPD oder Grünen gestellten Landesregierungen kommen aber nur auf 41 Stimmen. Die sechs bayerischen Stimmen könnten daher am Ende ausschlaggebend sein – wenn nicht andere Länder mit einer Regierungsbeteiligung von FDP, Linken oder BSW zustimmen, was aber in den meisten Fällen noch ungewisser ist. Länder können nur einheitlich abstimmen, sonst zählen die Stimmen nicht. Meistens regelt der Koalitionsvertrag: Sind die Partner nicht einig, enthält sich ein Land.
Von Brunn hat sein Amt schon nicht mehr, aber an seine SMS denkt man in diesen Tagen häufiger. Weil es akut Ärger gibt zwischen CSU und Freien Wählern, jetzt um Bayerns Haltung zum Schuldenpaket im Bundesrat, erinnern sich Söder wie Sozis plötzlich daran, dass sie gemeinsam im Landtag eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme hätten. Mehrere seriöse Genossen bringen das offen ins Spiel, die CSU raunt zumindest halblaut davon. Als ernste Option gilt das allerdings nicht – eher als Warnung an FW-Chef Hubert Aiwanger, nicht zu überreizen.
Koalitionskrise in Bayern: CSU und Freie Wähler kämpfen um Einigung im Schuldenstreit
Womöglich endet der Spuk vom Koalitionsbruch bereits am Montag. Ab 16 Uhr treffen sich die wichtigsten Köpfe von CSU und Freien Wählern zum Koalitionsausschuss. Ziel der CSU ist, den Streit abzuräumen und Aiwanger auf ein gemeinsames Ja im Bundesrat festzulegen, wenn die Länderkammer über die Grundgesetzänderungen zu Schulden und Verteidigung abstimmt. Bisher sind die Freien Wähler mehrheitlich auf Nein-Kurs. Inhaltlich erinnern sie an den Koalitionsvertrag in Bayern, der strikt ein Nein zu neuen Schulden vorsieht. Stilistisch fühlen sie sich von der CSU, die in Berlin das Paket mitverhandelte, überrumpelt. Söder habe sich, so sagen FW-Aktive verärgert, keine Sekunde darum geschert, Aiwanger einzubinden.
Erschwerend kommt hinzu, dass es bei den Freien gärt. Aiwanger ist nach seiner Wahlniederlage bei der Bundestagswahl nicht mehr sakrosankt. Es gibt mehrere rivalisierende Richtungen. Der junge Digitalminister Fabian Mehring achtet auf Profilierung, manche Ex-Kabinettsmitglieder haben noch Rechnungen offen. Der weit mächtigere Fraktionschef Florian Streibl bemüht sich um einen bodenständigen, sehr seriösen Kurs. Die große Basis der FW-Kommunalpolitiker hat wiederum große Sympathien für ein Schuldenpaket, wenn es nicht ausufert, aber den Kommunen zugute kommt. In der FW-Fraktion kam es jedenfalls letzte Woche zu emotionalen Kontroversen, ein erster Beschlussentwurf soll zerpflückt worden sein.
CSU hofft auf Einigung: Streit um Berliner Schuldenpaket – „finden eine gute gemeinsame Lösung“
Die CSU verfolgt Reibereien beim Partner neugierig, mitunter lustvoll, hofft aber am Ende auf eine Einigung. Weil es peinlich für Söder wäre, würde das Berliner Billionenpaket an Bayern scheitern; und weil der Freistaat inzwischen selbst klamm ist und 2026/27 gern Schulden machen würde. „Ich glaube, wir finden eine gute gemeinsame Lösung in unserer gemeinsamen Verantwortung für das Land und die Kommunen“, sagt etwa CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek, der Kontakt zu FW-Leuten ebenso wie zu den Koalitions-Unterhändlern in Berlin hält.
Meine News

Kompromissidee: Den Länderfinanzausgleich zu reformieren, wäre eine Forderung Aiwangers, hinter der immer auch die CSU steht und die mit dem Schuldenpaket vage verknüpft werden könnte; zumindest als Auftrag für Irgendwann. Als wahrscheinliches Szenario gilt, dass nach dem Koalitionsausschuss am Montag auch das Kabinett (Dienstag) und die FW-Fraktion (Mittwoch) noch beraten, ehe am Freitag der Bundesrat abstimmt. Die letzte Chance, Aiwanger vor der Bundesratssitzung zu entlassen, wäre übrigens am Mittwoch: Nur an diesem Tag kommt in München der Landtag zusammen, der über jede Ministerentlassung abstimmen muss, ehe sie gilt. (Christian Deutschländer)