Bayern im Richtungsstreit: Kommen Söder und Aiwanger überein?
Zoff zwischen CSU und Freien Wählern wegen der Schuldenbremse: Kritik am Manöver der CSU – mehr Geld für die Kommunen würden sie aber schon nehmen.
München – Es ist der Tag, an dem man sich mal wieder in die Augen sehen könnte. Nach vielen Misstönen zwischen CSU und Freien Wählern sitzt man am Dienstagmorgen gemeinsam am großen Kabinettstisch in der Staatskanzlei. Als Elefant mit im Raum: die Frage, wie sich die bayerische Regierung bei der Abstimmung über die Reform der Schuldenbremse verhält. Ihre Stimmen werden im Bundesrat für eine Grundgesetzänderung dringend gebraucht.
Sprunghafte CSU vergrault Freie Wähler
Die Freien Wähler aber zieren sich. Man hat inhaltliche Bedenken und ärgert sich über den Stil der CSU: Volle Breitseiten erst im Wahlkampf, dann beim Aschermittwoch – später nur ein paar SMS und kurze Telefonate. Folgt nun also im Kabinett die Aussprache?
Staatskanzleichef Florian Herrmann hat nach der Sitzung erkennbar keine Lust auf das Thema. Seine Antwort auf eine entsprechende Frage dauert elf Sekunden. Der Bund habe noch nichts vorgelegt, behauptet er (dabei soll am Donnerstag die erste Lesung stattfinden). Deshalb sei das kein Thema gewesen, die Stimmung ansonsten aber ganz prima.

Aiwanger spricht von „Wählertäuschung“ – So viel Geld könnte seine Meinung ändern
Auch FW-Chef Hubert Aiwanger, der die Pläne als „Wählertäuschung“ bezeichnet hatte, will vorerst gar nichts mehr sagen. Grund: Heute Nachmittag trifft sich die FW-Fraktion zur Sondersitzung. Zweieinhalb Stunden sind angesetzt. Nach Informationen unserer Zeitung dürfte es kein klares Nein gegen die Grundgesetzänderung geben, aber einen kleinen Forderungskatalog.
Die Fraktion ist hin- und hergerissen. Auch für Bayern geht es um eine Menge Geld. Da wären zum einen 100 Milliarden aus den Sonderschulden, die den Ländern zugute kommen, was wohl 15 Milliarden für den Freistaat abwerfen dürfte. Der Betrag könnte noch steigen, weil die Grünen in den Verhandlungen eine Verdoppelung des Länderanteils fordern.
Damit nicht genug: CDU/CSU und SPD wollen auch das bislang geltende Verbot für die Länder lockern und eine Aufnahme von Schulden in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ermöglichen. Das könnte für Bayern noch einmal 2,5 bis 3 Milliarden Euro ausmachen. Für das Duo Söder/Aiwanger, das in der letzten Legislaturperiode viele teure Wahlgeschenke verteilte, gäbe es neuen Spielraum.
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CSU vollziehe den „Salto Mortale“
Doch als der Landtag gestern Nachmittag berät, wird die Zerrissenheit der Freien Wähler deutlich. Die CSU habe da einen „Salto Mortale“ vollzogen, sagt der Abgeordnete Bernhard Pohl. „Diese Koalition ist wirtschafts- und finanzpolitischer Verantwortung verpflichtet“, ermahnt er die CSU. Mit rhythmischem Beifall quittiert seine Fraktion den Satz: „Die Schuldenbremse muss bleiben.“ Union und SPD planten plötzlich 500 Milliarden Euro „für Dinge, die eigentlich bekannt waren“.
Und trotzdem: Pohl schließt eine Zustimmung nicht aus. Dann müsse man aber den Länderfinanzausgleich gleich mitverhandeln und Änderungen zugunsten der Kommunen durchsetzen.
Ausnahmen für Naturkatastrophen und Notsituationen: Andere Lösungen werden gesucht
So oder so: Einfach wird es in Bayern mit den Schulden nicht: „Der Haushalt ist grundsätzlich ohne Nettokreditaufnahme auszugleichen“, heißt es in Artikel 82 der Verfassung im Freistaat. Ausnahmen gibt es für Naturkatastrophen und Notsituationen.
Für eine neue Schuldenregelung wäre also eine Verfassungsänderung nötig – erst durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag, dann noch durch eine Volksabstimmung. Dem Vernehmen nach suchen findige Juristen aber bereits nach einer Möglichkeit, wie man durch einen Passus in der Bundes-Schuldenbremse das Procedere im Freistaat vereinfachen könnte.

Söder gibt sich zuversichtlich
Markus Söder ist sich komplett sicher, dass die FW am Ende zustimmen. Er packt den Partner bei seiner DNA als Kommunalpartei, die ja erst durch den Sparkurs von Edmund Stoiber richtig groß geworden war. „Wer würde im Jahr vor der bayerischen Kommunalwahl den Kommunen quasi eines der wichtigsten Instrumente aus der Hand nehmen?“, fragte Söder in der ARD.
Sollten die FW den Streit – wider Erwarten – eskalieren lassen, stünde für die CSU theoretisch auch in Bayern noch die SPD als Koalitionspartner bereit. Fraktionschef Klaus Holetschek postete gestern ein Foto von einem Treffen mit deren Fraktionschef Holger Grießhammer. Als kleine Warnung quasi.