Baby-Rente sorgt für Reichtum im Alter – dank 10.000 Euro Startkapital

Deutschland steht vor großen demografischen Herausforderungen. Wird die gesetzliche Rente weiterhin im Gleichschritt mit den Löhnen angepasst, bedeutet dies längerfristig einen massiven Anstieg der Beiträge zur Rentenversicherung. Deren weitere Erhöhung dürfte bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern jedoch politisch kaum durchsetzbar sein.

Zudem bedarf es schon heute jährlicher Steuerzuschüsse in Höhe von über 100 Milliarden Euro, damit das Rentenniveau (Verhältnis von Rente zu Durchschnittseinkommen), wie im Koalitionsvertrag von Unionsparteien und SPD vereinbart, 48 Prozent nicht unterschreitet. Dieser Zuschuss entspricht bereits einem Viertel des Bundeshaushalts – der Spielraum ist daher gering.

Aus ökonomischer Sicht ist mit einem Rückgang der Renten im Verhältnis zu den Nettolöhnen zu rechnen.

Frühe Vorsorge mit Zinseszinseffekt 

Im neuen Regierungsprogramm wird vor diesem Hintergrund eine aktienbasierte, staatlich geförderte private Altersvorsorge („Frühstart-Rente“) ins Spiel gebracht. Diese soll Minderjährigen den Aufbau von Kapital mittels monatlicher Beitragszahlungen erlauben und kann nach Erreichen der Volljährigkeit fortgesetzt werden. 

Wirkungsvoller wäre es, diese neue Produktkategorie um die Variante eines Einmalbeitrags direkt nach der Geburt eines Kindes zu erweitern („Baby-Rente“). Dazu eine Beispielrechnung: Die Wertentwicklung deutscher Aktien lag in den Jahren 1955-2024 bei durchschnittlich 8,8 Prozent pro Jahr. Aus einem Aktieninvestment von 10.000 Euro könnte bei Annahme einer Wertentwicklung von 8 Prozent pro Jahr (abzüglich Verwaltungskosten von 0,5 Prozent und 25 Prozent Abgeltungsteuer auf die Kapitalerträge) ein Kapital in Höhe von 550.000 Euro im Alter von 70 Jahren entstehen. Inflationsbereinigt sind dies immerhin noch 138.000 Euro. Dies würde sich beispielsweise für Großeltern eignen, die bereit wären, einen Betrag für ihre Enkelinnen oder Enkel anzulegen.

Höhere Rente auf Lebenszeit

Für diese Form der privaten Vorsorge sollte die einzige Auszahlmöglichkeit die Rente auf Lebenszeit sein. Bisher gibt es in Deutschland Modelle mit garantierten lebenslangen Rentenzahlungen, die häufig den Nachteil hoher Abschlusskosten und niedriger Verzinsung haben. 

Das alternative Modell eines Entnahmeplans hat den Nachteil, dass der Auszahlungsvorgang „endlich“ sein kann, also mitunter schon Jahre vor dem Lebensende ausläuft. Dieses Problem besteht zum Beispiel auch bei beliebten ETF-Depots mit einfachem Auszahlplan, die nicht auf das maximal erreichbare Lebensalter abgestellt sind.

Bei der Rente lohnt sich der Blick nach Kanada

Für Deutschland lohnt sich daher der Blick über den Tellerrand: etwa nach Kanada. Der dortige Dynamic Pension Pool basiert auf einer sogenannten Tontine und funktioniert folgendermaßen: In der Auszahlungsphase, also im Rentenalter, kann Ihr Vermögen – anders als bei der garantieren Rente – lebenslang in Aktien investiert bleiben. Sie erhalten eine Rente auf Lebenszeit (Leibrente), deren Höhe allerdings nicht garantiert ist. 

Warum sollte dies attraktiver sein? Zum einen erübrigt sich das Risiko eines Verkaufs des Vorsorgevermögens zu niedrigen Aktienkursen bei Renteneintritt, da das Kapital in Aktien investiert bleibt. Zum anderen lässt sich der Zinseszinseffekt der Aktienanlage viel länger nutzen als im Fall der garantierten Leibrente.

Bei Geburt 10.000 Euro einzahlen

Ein Rechenbeispiel: Wir gehen wiederum davon aus, dass bei Geburt 10.000 Euro eingezahlt werden. Damit könnte eine lebenslange Rente von circa 43.000 Euro im Jahr (inflationsbereinigt circa 11.000 Euro pro Jahr) bezahlt werden. Dagegen wäre eine - wie bei vielen Lebensversicherern üblich - lebenslang in ihrer Höhe garantierte Rente um knapp 40 Prozent geringer, da das Vorsorgevermögen ab Renteneintritt (fast) nur in festverzinsliche Wertpapiere angelegt wird. 

(Hinweis: Bei den Berechnungen ist zugrunde gelegt, dass sich die Lebenserwartung bis 2070 um acht Jahre gegenüber heute verlängert und die Inflationsrate bei zwei Prozent pro Jahr liegt).

Ausblick: Frühe Vorsorge und Auszahlungsmodelle entscheidend

Am besten eignet sich eine neue Form der privaten Altersvorsorge („Frühstart-Rente“ oder „Baby-Rente“) mittels Aktienanlage, wenn sie bereits ab Geburt eines Kindes beginnt. Einmalbeiträge sind gegenüber monatlichen Einzahlungen aussichtsreicher: Einerseits renditeseitig aufgrund des Zinseszinseffektes und andererseits mit Blick auf eine deutliche Reduzierung der Verwaltungskosten. Sind Kapitalerträge in der Ansparphase steuerbefreit, kann die Rente rund 50% höher ausfallen.

Eine auf Lebenszeit angelegte private Vorsorge muss rentabel sein. Dafür sollte sie, wie etwa aus dem kanadischen Modell bekannt, in ihrer Höhe variieren dürfen. Regulatorisch ist dies in Deutschland bereits möglich. 

Peter Nies, CFA, ist Mitglied der CFA Society Germany und war viele Jahre in verantwortlichen Positionen in der Kapitalanlage der Versicherungskonzerne Zürich und Winterthur tätig.

Über die Kolumne „Finanzen. Klartext. Verstanden“

Für Privatanleger lohnt sich oftmals ein Blick darauf, wie professionelle Investoren den Markt einschätzen, mit neuen Entwicklungen der Finanzbranche umgehen und ihre Portfolien ausrichten. In dieser Kolumne schreiben Investmentexperten der CFA Society Germany alle 14 Tage für Focus Online. Der Verband setzt sich mit rund 3.000 Mitgliedern aktiv für Finanzbildung in Deutschland ein.