Seit 65 Jahren im Dienst: Der Nikolaus von Lenggries

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Viele Kinder fiebern dem Besuch des Nikolauses beim Lenggrieser Lichterzauber entgegen. Am Samstag ist es wieder soweit. © Wolfgang Müller/Archiv

Er dürfte der dienstälteste Nikolaus im Landkreis sein: Seit 65 Jahren besucht der Nikolaus (Wiedemann) in Lenggries die Kinder und liest ihnen die Leviten.

Lenggries – Er ist eine imposante Erscheinung, mit seinen gut 1,90 Metern. Der rote Mantel liegt ihm locker über den Schultern, die rot-goldene Bischofsmütze thront auf dem weißen Haar. Der lange weiße Bart fällt bis auf sein Gewand hinab. Ehrfürchtig blicken die Kinder in die gütigen Augen des Nikolauses. In diesem Fall heißt er Wiedemann mit Nachnamen und ist seit mittlerweile 65 Jahren als irdischer Helfer des Heiligen unterwegs.

Das erste Gewand lieh er sich von der Kirche

Eigentlich dürften es vielleicht sogar ein, zwei Jahre mehr sein, vermutet der 81-Jährige. So genau könne er nicht mehr sagen, wann er mit einem Spezl zusammen beschlossen habe, als Nikolaus und Krampus durch Lenggries zu ziehen – anfangs in einem geliehenen Gewand von der Kirche. „Wir waren auf der Lenggrieser Scheib‘n unterwegs, ohne Hintergedanken, was daraus werden könnte“, sagt Nikolaus Wiedemann. Doch schnell kamen die ersten Anfragen von Familien, ob der Nikolaus auch ins Haus kommen würde. Die Anfangsjahre seien mitunter schon „heftig“ gewesen, erinnert sich der 81-Jährige. Denn auf der Straße musste der Nikolaus schon mal den einen oder anderen Schneeballwurf einstecken. „Wenn es ganz blöd gelaufen ist, haben sie mir die Haube vom Kopf geschmissen.“ Wiedemann sagt das mit einem Schmunzeln, schließlich habe er das als Bub auch gemacht.

Wenn der Nikolaus in der Stube steht, verlässt so manchen der Mut

Doch selbst die größten Lauser, die eben noch feixend am Fenster standen, habe dann oft der (Über-)Mut verlassen, sobald der Nikolaus die Stube betreten hatte. Er könne sich an Nachbarsbuben erinnern, die den gesamten Vortrag des Nikolaus‘ unter der Bank zugebracht hätten. „Da hat das ganze gute Zureden vom Opa nichts geholfen. Die sind nicht rausgekommen.“ Doch als Wiedemann später nochmal vom Garten aus zum Fenster hochblickte, standen die Buben wieder am Fenster und schnitten Grimassen.

Perücken-Unfall im Café Herrschmann

Über die Jahre hat der Lenggrieser sein Aussehen immer weiter perfektioniert. Sein erster Bart sei noch auf eine Art Drahtgeflecht aufgezogen gewesen. Für die erste „Perücke“ habe er einfach Engelshaar auf einem Klebestreifen um den Kopf gelegt. Dass das nicht ideal war, bemerkte er spätestens, als er bei einem Besuch im Café Herrschmann mit der Mitra an einer Lampe hängenblieb und ihm die Haube vom Kopf fiel. „Ich hätte im Boden versinken können“, erinnert er sich. Sein Nachbar, ein Frisör, habe ihm dann zwei Perücken aus China organisiert. Eine wurde zum Bart umfunktioniert. „Die habe ich heute noch“, sagt Wiedemann. Seine Frau sorgte im Laufe der Zeit dafür, dass sie immer perfekter aussahen. Essen und Trinken seien heute kein Problem, sagt Wiedemann. Seit etwa 50 Jahren trägt er auch die rot bemalten Stiefel. Die legte er sich zu, nachdem ein Kind mit Blick auf das Schuhwerk des Nikolaus‘ skeptisch anmerkte, dass der heilige Mann dieselben Schuhe anhabe wie der Nachbar.

Diese Aufnahme von Nikolaus Wiedemann und seinem Klaubauf ist Ende der 50er-Jahre entstanden.
Diese Aufnahme von Nikolaus Wiedemann und seinem Klaubauf ist Ende der 50er-Jahre entstanden. © privat

Er freut sich über jedes Gedicht und Musikstück

Der 81-Jährige freut sich immer, wenn er in festlich geschmückte Stuben kommt, ihm die Kinder ein Gedicht aufsagen oder ein Musikstück vortragen. Weniger gut findet er es, wenn die Kinder zu der mit den Eltern vereinbarten Zeit nicht daheim sind oder der Fernseher wichtiger ist als der Besuch des Nikolauses. Glaubwürdigkeit ist für Wiedemann essenziell. Daher dürfe auch beispielsweise jeder Ditti, der dem Nikolaus übergeben wird, nicht von den Eltern später wieder herausgerückt werden. „Sonst wird der Nikolaus unglaubwürdig“, sagt Wiedemann. Allerdings hatte er damit immer wenig Probleme. „Die Kinder waren immer überzeugt, dass ich der echte Nikolaus bin, weil sie mich ja auch im Kindergarten und in der Schule gesehen haben“, sagt er schmunzelnd.

Das Familienauto enttarnte ihn einst beim eigenen Sohn

Und er achtete auch immer darauf, dass die Mädchen und Buben ihn nicht mit dem Auto kommen sahen – zumindest fast immer. Denn einmal beobachtete just Wiedemanns Sohn aus dem Fenster, wie das Familienauto beim Nachbarn parkte und nicht sein Vater, sondern eben der Nikolaus ausstieg. „Als ich später zum Auto zurückkam, stand mein Sohn daneben“, sagt Wiedemann, der den Buben aber zumindest dazu brachte, seiner Schwester nichts zu verraten.

Mit dem Schlitten durchs Dorf – dieser Wunsch ging nie in Erfüllung

Besuchte Wiedemann früher bis zu 15 Familien am Abend und das drei Tage in Folge, hat er heuer die Zahl bereits deutlich reduziert. „Privatkundschaft mache ich heuer zum letzten Mal“, kündigt er an. Begleitet wird er mittlerweile von einer seiner beiden Enkelinnen als Engerl, „nachdem mein Klaubauf schon vor fünf Jahren in Rente gegangen ist“. Die Besuche auf dem Lenggrieser Christkindlmarkt möchte er aber fortsetzen – „solange es gesundheitlich geht“. Einen Wunsch konnte sich Wiedemann in all den Jahren übrigens nie erfüllen: Er wäre immer gerne mit dem Schlitten durch den Ort und zu den Kindern gefahren. „Aber entweder hatte es keinen Schnee oder die Gemeinde hat geräumt.“

Weitere Info: Beim Christkindlmarkt in Lenggries am Samstag, 7. Dezember, ist der Besuch des Nikolaus für 16 Uhr geplant.

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