Nächste überraschende Wende im Konflikt um Baum-Fällung: Stadt beantragt Straßensperrung
Nach dem Veto der Denkmalbehörde gegen eine Fällung der Linden an der Hauptkreuzung nimmt der Konflikt eine neue Wendung. Die Stadt Penzberg kündigte am Dienstag an, beim Landratsamt eine Vollsperrung von Bahnhofstraße und Karlstraße zu beantragen, weil sie haften müsste, sollte ein abbrechender Ast oder Baum einen Menschen verletzen.
Penzberg – Bei der Drohung mit einer Vollsperrung geht es im Prinzip darum, dass sich die Stadt Penzberg in einer Zwickmühle sieht. Einerseits ist ihr zufolge die Fällung der Linden dringend nötig, weil die Bäume laut einem Gutachten vom Februar 2024 nicht bruchsicher sind und die Stadt als Baumbesitzer bei einem Unfall haftbar gemacht werden kann. Andererseits hat das Landesamt für Denkmalpflege ein Veto gegen die Fällung von zwei der drei Linden eingelegt, die direkt an der Kreuzung stehen und als Tatorte der Penzberger Mordnacht historisch bedeutsam sind.
Brügermeister: Jemand soll sich aus seinem Büro hierher bewegen
Vor diesem Hintergrund kündigte Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) am Dienstagabend in der Stadtratssitzung an, beim Landratsamt eine Vollsperrung der Bahnhofstraße und Karlstraße in dem Bereich zu beantragen. Aus rechtlicher Sicht müsse um einen nicht bruchsicheren Baum die doppelte Baumlänge im Radius gesperrt werden, um der Verkehrssicherheitspflicht nachzukommen, erklärte er. Das bedeute, dass man dort die zwei Straßen sperren müsse. Von den Behörden erwartet Korpan zudem eine Antwort, wie die Stadt weiter vorgehen soll. Bisher sei aber keine Antwort gekommen, sagte er am Dienstag. „Ich würde erwarten, dass sich jemand aus seinem Büro hierher bewegt und sich das anschaut.“
Stadt: Es ist „Gefahr im Verzug“
Man habe aktuell keinen Spielraum, man müsse die Vollsperrung beantragen, erklärte Carl-Christian Wippermann, Leiter der städtischen Abteilung für Umwelt- und Klimaschutz, in der Sitzung. Es sei „Gefahr im Verzug“. Das habe man auch dem Landratsamt mitgeteilt. Eine Gerüstlösung ist ihm zufolge auf die Schnelle nicht möglich. Wie berichtet, hat die Stadt am Montag bei der Denkmalbehörde eine Ausnahmegenehmigung für die Fällung beantragt – ob und wann sie kommt, ist offen.
Penzberger Mordnacht: Bäume mit historischer Bedeutung
Ursprünglich sollten die drei Winterlinden (nach einem Bauausschuss-Beschluss aus dem April 2023) bereits im vergangenen Herbst gefällt werden. Damals stellte jedoch der Penzberger Erich Sczepanski beim Landratsamt einen Antrag auf Denkmalschutz. Zugleich forderte der Penzberger Denkmalverein ein zweites Gutachten über den Zustand der Bäume. Der historische Hintergrund: An der Ecke war an einem Baum ein Opfer der Penzberger Mordnacht am 28. April 1945 erhängt worden. Ein anderer Mann, der am Baum daneben aufgehängt wurde, überlebte wie durch ein Wunder. Der Denkmalverein ist sich sicher, dass die drei aktuellen Linden die Originalbäume sind. Die Stadt Penzberg blies im Herbst die Fällung ab. Der Denkmalverein gab zugleich selbst ein Gutachten in Auftrag.
Bäume sollten noch im Februar gefällt werden
Das Ergebnis dieses Gutachtens wurde am Dienstag vergangener Woche im Penzberger Bauausschuss vorgestellt (wir berichteten). Es attestiert zwei der drei Linden, sie seien nicht bruchsicher, und empfahl, sie „zeitnah“ zu fällen. Beim dritten Baum sah das Gutachten die Möglichkeit, ihn mit einer weiteren Einkürzung der Krone wieder bruchsicher zu machen. In der Sitzung hieß es daraufhin, die Fällung der drei Linden werde „zeitnah“ erfolgen, also noch vor dem 1. März. Dazu kam es aber nicht, weil das Landesamt für Denkmalpflege drei Tage später, am Freitag, sein Veto einlegte. Es sprach zwei der drei Linden (nach Schätzung des neuen Gutachtens 100 Jahre alt) die Denkmaleigenschaft zu und teilte der Stadt mit, dass sie deshalb, sollte sie an einer Fällung festhalten, bei der Denkmalbehörde erst eine Erlaubnis einholen muss.
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„Wer übernimmt die Haftung, wenn ein Ast auf ein Kind fällt?“
Für die Stadt kam dieses Veto überraschend. Am Montag ließ sie die drei Linden mit einem rot-weißen Absperrgitter umschließen, das zum Teil bis in die Busspur der Haltestelle ragt. Am Dienstagabend in der Stadtratssitzung kommentierte dann Bürgermeister Korpan verärgert das Veto gegen die Fällung. „Was ist, wenn etwas passiert, wer übernimmt die Haftung, wenn ein Ast auf ein Kind fällt?“, zürnte er. Bei den Behörden habe man auf diese Frage bisher keine Antwort erhalten, weder schriftlich noch mündlich. Er erinnerte an zwei Fälle, in denen sich die Stadt vor Jahren wegen Verstoßes gegen die Verkehrssicherheitspflicht vor Gericht verantworten musste: wegen einer umgestürzten Umkleidekabine am Eitzenberger Weiher und wegen des tödlichen Eisglätte-Unfalls eines Fußgängers.
Stadt bestätigt: Antrag auf Straßensperrung gestellt
Am Mittwoch äußerte sich die Stadt nochmals auf Nachfrage der Heimatzeitung. Sie bestätigte, wegen der Verkehrssicherheitspflicht beim Landratsamt einen Antrag auf Vollsperrung der Straßen zu stellen. Dies ist laut Rathaus am Mittwoch geschehen. Außerdem bestätigte die Stadt, dass am Montag bei der Denkmalbehörde ein Antrag auf Fällung der zwei denkmalschutzrechtlich gewürdigten Linden gestellt wurde, sowohl per E-Mail als auch über die Internetseite des Landratsamtes.
Weiter hieß es, es habe bis Mittwoch früh weder vom Landesamt für Denkmalpflege noch von der Unteren Denkmalschutzbehörde im Landratsamt eine schriftliche Aussage gegeben, wie die Stadt Penzberg die Verkehrssicherung im Einklang mit dem Denkmalschutz herstellen kann. Die Stadtverwaltung habe das Landesamt und das Landratsamt mehrfach um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Zu einer Gerüstlösung erklärte das Rathaus, diese könne nur durch eine Fachfirma ausgeführt werden und müsse durch einen Baumsachverständigen begleitet werden. Soll heißen: Das würde dauern und aktuell nicht helfen.