Heimlich gefilmt – FPÖ-Politiker nennen ÖVP „jämmerlich“ und Flüchtlinge „Gesindel“
„Gesindel“-Eklat in FPÖ: Heimliche Stammtisch-Aufnahme löst Skandal in Österreich aus
FPÖ und ÖVP verhandeln in Österreich nach der Regierungskrise über einen Koalitionsvertrag. Ein Video der Rechtspopulisten gefährdet den Frieden.
Wien – Ihr politischer Stammtisch im Wiener Bezirk Simmering am 8. Januar könnte der FPÖ auf die Füße fallen. Französische Journalisten hatten die Veranstaltung der österreichischen Rechtspopulisten heimlich aufgezeichnet und damit die extremen Positionen der Partei mitten in der Regierungskrise in Österreich sichtbar gemacht. Seit Dienstag (14. Januar) sind die Aufnahmen öffentlich.
In den Aufnahmen, die auch dem Standard vorliegen, fantasieren die FPÖ-Abgeordneten Harald Stefan und Markus Tschank über EU-Austritt, Abschiebungen, Taliban-Finanzierung und Austritt aus der Menschenrechtskonvention. Die konservative ÖVP, ihr Partner bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen, bezeichnet Tschank als „lächerlich“ und sagt, sie gehöre eigentlich „auf die Oppositionsbank geschickt“.
Video zeigt: FPÖ-Abgeordneter würde gerne aus Menschenrechtskonvention austreten
Mit Blick auf Afghanistan wollen die FPÖ-Politiker den Taliban Geld bezahlen, um Geflüchtete zurückzuholen. Laut Stefan würden ohnehin nur Afghanen nach Österreich kommen, die bereits in Afghanistan negativ aufgefallen seien. „Das heißt, das ist wirklich so, ja, wir kriegen das letzte Gesindel“, erklärt Stefan die afghanische Gesellschaftsstruktur aus seiner Sicht. „A normaler Afghane is ja ned des, was bei uns da herumläuft. Das san ja ordentliche Leut.“

Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung der afghanischen Frauen durch die Taliban bringt er derweil nicht zu Sprache. Ohnehin würde Österreich und die EU das mit den Menschenrechten ein wenig zu ernst nehmen. „Wenn wir etwas ändern wollen im Migrationswesen, müssen wir anfangen, diese internationalen Verträge, wie zum Beispiel die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention, Anm.), die leider im Verfassungsrang ist, entweder ganz abzuschaffen, oder man ergänzt sie und macht ein entsprechendes Zusatzprotokoll“, sagt Tschank.
Die komplette Europäische Union sei ein Wahnsinn und „eigentlich müssten wir eh austreten“, sagte Stefan an anderer stelle. Nur mit der ÖVP sei das nicht realisierbar. Die Konservativen würde einen „Öxit“ seiner Meinung nach sicher als rote Linie bezeichnen.
„Asylwerber sind ja keine echten Flüchtlinge“, sagt FPÖ-Abgeordneter beim Stammtisch-Gespräch
Österreich könne keine Marokkaner aufnehmen, die „plötzlich draufkommen, dass sie homosexuell sind“. Stefan sagt zu Flüchtlingen allgemein außerdem: „Die suchen sich ja aus, wo sie hinwollen. Die Asylwerber sind ja keine echten Flüchtlinge, die sind ja Wirtschaftsflüchtlinge.“ Eine Frau wirft ein: „Na, es gibt scho Kriegsflüchtlinge a.“ „Aber ganz, ganz wenige“, antwortet Stefan.
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Insgesamt machen die FPÖ-Abgeordneten Migranten und politisch gegnerische Positionen für die wirtschaftliche Lage in Österreich verantwortlich. Es seien nur Menschen eingewandert, die „nichts können“. Und: Wokeness und Klimawandel seien nur eine Erfindung, um „Leute weiter einzuschränken“ und „Volkswirtschaften zu ruinieren“.
FPÖ gefährdet mitten in Regierungskrise in Österreich Koalitionsgespräche mit ÖVP
Die ÖVP, mit der die FPÖ aktuell in Koalitionsverhandlungen ist, reagiert am Mittwoch in einer öffentlichen Erklärung auf die Aufzeichnungen. Allerdings nahmen Österreichs Konservative allein auf die Fantasien eines EU-Austritts der Rechtspopulisten Bezug. Abschiebepläne und Homophobie der FPÖ wurden in der Stellungnahme nicht kommentiert.
„Wir sind befremdet über die Aussagen der FPÖ-Politiker, die sich offen einen Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft wünschen“, hieß es seitens der ÖVP. Ein mögliches Regierungsprogramm müsse klar proeuropäisch sein. Solche Ereignisse machen die Zusammenarbeit der ÖVP mit der FPÖ sicher nicht leichter“, erklärte die ehemalige Umwelt-, Gesundheits- und Frauenministerin der ÖVP, Maria Rauch-Kallat, im Gespräch mit dem Standard. (lm)