Treffen hinter verschlossenen Türen: Demokraten beraten über Bidens Zukunft

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Die Unterstützung für Joe Biden bröckelt. Hochrangige Parteivertreter sind überzeugt, dass er aus dem Rennen um das Weiße Haus aussteigen sollte.

Washington, D.C. – Für Joe Biden nähert sich langsam aber sicher das Jüngste Gericht. So sollen sich am Dienstagmorgen (Ortszeit) übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge zahlreiche Demokraten treffen und hinter verschlossenen Türen über Bidens Zukunft entscheiden. Der Präsident selbst wird nicht dabei sein; Biden muss sich anlässlich des Nato-Gipfels in der Hauptstadt schließlich um seine Gäste kümmern.

Tritt schlussendlich Kamala Harris statt Joe Biden zur US-Wahl an?

Der 81-Jährige konnte sich in den vergangenen Tagen wertvolle Unterstützung für seine Präsidentschafts-Kandidatur sichern, wie etwa die von Hakeem Jeffries. Der New Yorker agiert als Minderheitenführer im Repräsentantenhaus und stellte erst am Montag (8. Juli) klar: „Ich unterstütze Joe Biden und die Demokraten“. Seine Position habe sich – trotz des schwachen TV-Duells gegen Donald Trump – „nicht geändert“, sagte Jeffries vor der Presse im US-Kapitol.

Der hatte zuvor ein allgemeines Treffen zur Aussprache festgelegt, während Biden durch Pennsylvania tingelte und Wahlkampf betrieb. US-Medien berichteten danach unter Berufung auf mit der Situation vertraute Personen, dass mehrere hochrangige Parteivertreter überzeugt seien, dass Biden aus dem Rennen um das Weiße Haus aussteigen muss. In der fast zweistündigen Schalte habe es allgemeine Zustimmung dafür gegeben, dass stattdessen Vizepräsidentin Kamala Harris nominiert werden soll, berichtete der US-Sender CNN mit Verweis auf eine an dem Gespräch beteiligte Quelle. Jeffries hatte sich hingegen – zumindest öffentlich – hinter den Präsidenten gestellt.

Es macht derzeit definitiv den Anschein, dass eine „stille Mehrheit“ überwiegt, die Biden als Kandidat auswechseln will. Am Wochenende enthüllte auch die New York Times, dass sie infolge der TV-Debatte mit mindestens 50 Demokraten gesprochen habe. Der Konsens: Biden sei im Rennen um die US-Wahl 2024 „unhaltbar“ geworden. Auch mit einem ausführlichen Fernsehinterview konnte der Präsident kaum punkten.

US-Präsident Joe Biden am 7. Juli auf einer Wahlkampfveranstaltung in Harrisburg, Pennsylvania.
US-Präsident Joe Biden am 7. Juli auf einer Wahlkampfveranstaltung in Harrisburg, Pennsylvania. © Saul Loeb/AFP

US-Wahl 2024: Demokraten suchen nach stärkeren Optionen als Joe Biden

Still halten allerdings nicht alle. Einige Politikerinnen und Politiker der Demokratischen Partei nennen das Kind beim Namen – und das deutlich. „Ich habe immer weniger Vertrauen in die Fähigkeit dieser Kampagne, diesen Wahlkampf zu gewinnen“, sagte Scott Peters, kalifornischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus, gegenüber der Times. „Wenn wir wissen, dass wir verlieren werden, wären wir dumm, wenn wir uns nicht nach einem anderen Weg umsehen würden“, so Peters weiter. Und die Abgeordnete Angie Craig aus Minnesota betonte im Gespräch mit der Zeitung, dass Joe Biden nicht „gegen Donald Trump gewinnen kann“.

Öffentlich schließen sich Craig und Peters damit unter anderem den Abgeordneten Mike Quigley (Illinois), Raúl Grijalva (Arizona), Lloyd Doggett (Texas) und Seth Moulton (Massachusetts) an, die Biden bereits zum Rückzug aufforderten. „Er ist erledigt“, sagte ein namentlich nicht genannter Abgeordneter dem Portal Axios. Julián Castro, einst unter Barack Obama Bauminister, sagte zudem, dass man stärkere Optionen als Biden habe – „einschließlich Vizepräsidentin Harris“.

Kamala Harris selbst hat sich bisher loyal gegenüber ihrem Präsidenten gezeigt. Bei einem Auftritt auf dem Essence Festival of Culture in New Orleans erwähnte sie Joe Biden am Samstag laut Associated Press zwar „kaum“. Doch die Vizepräsidentin habe ein „leidenschaftliches Plädoyer“ für die Demokraten gehalten, wie The Daily Beast berichtet.

Ärger im Weißen Haus: Berichte über Arztbesuche sorgen für hitzige Debatte um Biden

Sollte ein Großteil der Demokraten überzeugt sein, dass Biden weichen sollte, müsste sich die Partei schnellstmöglich auf einen neuen Präsidentschaftskandidaten für die US-Wahl einigen. Trotzdem müsste Joe Biden zuvor jedoch aus freien Stücken seinen Hut nehmen.

Wie groß der Druck bei Demokraten aktuell ist, zeigte auch die Reaktion von Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Dabei war es zu einer aufgeheizten Debatte zwischen ihr und den anwesenden Journalistinnen und Journalisten gekommen.

Jean-Pierre weigerte sich, Angaben dazu zu machen, warum der Neurologe Kevin Cannard das Weiße Haus in den vergangenen Monaten regelmäßig besucht hatte. Die New York Times schrieb unter Berufung auf offizielle Besucherprotokolle, dass Cannard achtmal seit dem vergangenen Sommer in der Regierungszentrale gewesen sei. „Es spielt keine Rolle, wie sehr Sie mich drängen, es spielt keine Rolle, wie wütend Sie auf mich sind“, sagte die Sprecherin auf mehrere Nachfragen der Presse. „Wir können die Namen der Spezialisten nicht nennen, vom Dermatologen bis zum Neurologen.“

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Inzwischen hat sich Joe Bidens Leibarzt Kevin O‘Connor in die Debatte eingeschaltet und den Namen Cannards bestätigt. Cannard sei aber nicht ausgewählt worden, weil er ein Spezialist für Bewegungsstörungen sei, sondern weil er „ein hoch qualifizierter und hoch angesehener Neurologe“ sei. Sein „sehr breites Fachwissen“ gebe ihm die Flexibilität, um eine Vielzahl von Patienten und Problemen zu bewerten, schrieb O‘Connor in einem von Washington veröffentlichten Brief. (nak)

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