„Noch grausamer“: Kim Jong-uns Schwester könnte Nordkoreas nächste Diktatorin werden
Nordkoreas Diktator Kim Jong-un ist bei schlechter Gesundheit. Eine Nachfolgerin steht deshalb schon bereit: seine Schwester. Die 36-Jährige dürfte eine rachsüchtige Herrscherin werden, glaubt ihr Biograf.
Für diesen Auftritt dürfte Kim Yo-jong lange geübt haben: Mit einem eiskalten Lächeln im Gesicht trat Nordkoreas Nummer zwei vor fünf Jahren ins Rampenlicht, das Kinn leicht nach oben gerichtet, aufrechter Gang, fester Blick. Dutzende Kameras waren auf die Schwester von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un gerichtet, als sie an einem Freitag im Februar 2018 am Flughafen von Incheon durchs Terminal schritt. Als erstes Mitglied der Kim-Familie seit dem Koreakrieg betrat sie südkoreanischen Boden, um an der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang teilzunehmen. Sollte sie nervös gewesen sein, man sah es ihr nicht an.
Die Welt verfolgte die Szenen damals gebannt und fragte sich: Wer ist diese Frau, die der nordkoreanische Diktator in den Süden des geteilten Landes geschickt hat? Für den Nordkorea-Experten Lee Sung-yoon ist die Antwort einfach: Kim Yo-jong, sagt er, ist „die mächtigste Frau der Welt“. Denn niemand in dem abgeschotteten Land besitze mehr Macht als sie, von ihrem Bruder einmal abgesehen. Weil Nordkorea über die Atombombe verfüge, mache das Kim Yo-jong zur „nuklearen Despotin“, die mit einem einzigen Knopfdruck die Welt in einen Atomkrieg stürzen könne. Lee glaubt: Kim Yo-jong ist eine Frau, die der Westen auf dem Schirm haben sollte. Weil sie ihren Bruder eines Tages als Nordkoreas Herrscherin beerben könnte.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un „könnte schon morgen einem Herzinfarkt oder Schlaganfall erliegen“
Lee Sung-yoon, gebürtiger Südkoreaner und heute Forscher an der US-Denkfabrik Wilson Center, hat sich über Jahre mit Kim Yo-jong beschäftigt. In seinem neuen Buch „Die Schwester“ beschreibt er die 36-Jährige als talentierte und ehrgeizige Frau, als klug und weltgewandt. Aber auch als berechnend, kalt und böse.
Kim Yo-jong wuchs zusammen mit Kim Jong-un und einem weiteren Bruder in Pjöngjang auf, in den 90-ern besuchten die drei eine Schule in der Schweiz. Heute ist sie Direktorin des nordkoreanischen Ministeriums für Propaganda und Agitation und eines der lautesten Sprachrohre des Regimes. „Wir werden weiterhin eine überwältigende und mächtige Militärmacht aufbauen“, tönte sie erst Ende April. Als Enkelin von Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-sung ist sie aber auch so etwas wie eine Heilige, ein Mitglied von Nordkoreas Königsfamilie, die das Land seit seiner Gründung 1948 uneingeschränkt beherrscht. Von Kim Il-sung ging die Macht der sogenannten „Paektu-Linie“ zuerst auf seinen Sohn Kim Jong-il über, dann, 2011, auf den Enkel Kim Jong-un.
„Die Macht muss in der Familie bleiben“, sagt Lee im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Und der nächste Anführer muss ein direkter Nachkomme von Kim Il-sung sein.“ Der Experte glaubt deswegen, dass eines Tages Kims Schwester die Macht übernehmen könnte. Sie ist zwar nur drei Jahre jünger als ihr Bruder, doch der sei „nicht bei guter Gesundheit“, sagt Lee. Kim Jong-un sei ein Kettenraucher und Alkoholiker und zudem stark übergewichtig. „Kim Jong-un ist jung, nur 40 Jahre alt. Er könnte also noch die nächsten 40 oder 50 Jahre leben“, sagt Lee. „Aber er könnte auch schon morgen einem Herzinfarkt oder Schlaganfall erliegen.“ Es sei jedenfalls kaum vorstellbar, dass Kim sich keine Gedanken darüber mache, wer ihm eines Tages nachfolgen soll.
Wird Kim Jong-uns Tochter seine Nachfolgerin – oder seine Schwester?
Nordkoreas Diktator hat wohl drei Kinder, darunter eine Tochter, die angeblich auf den Namen Ju-ae hört. Südkoreas Geheimdienst hält das Mädchen, das etwa zwölf Jahre alt ist, für Kim Jong-uns „wahrscheinlichste“ Nachfolgerin. Dafür spricht, dass das Mädchen seit gut anderthalb Jahren immer wieder an der Seite ihres Vaters in der Öffentlichkeit auftritt: bei Raketentests, bei Militärübungen, zuletzt bei der Eröffnung eines Gewächshauses. Offenbar soll sie rechtzeitig in Position gebracht werden.
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Sollte Kim Jong-un aber schon in den nächsten Jahren sterben, dann sei Ju-ae schlicht zu jung, um ihrem Vater nachzufolgen, glaubt Lee Sung-yoon. Also rücke Kim Yo-jong an die Spitze des totalitären Staates. „Es gibt kein anderes mögliches Familienmitglied als seine Schwester, zumindest, bis eines der Kinder von Kim Jong-un das Erwachsenenalter erreicht.“ Dass Kim Yo-jong dann aber nur Regentin auf Zeit bleiben werde, bezweifelt Lee. Er hält es für möglich, dass sie die Macht schlichtweg nicht mehr aus den Händen geben will. Mit möglichen Rivalen geht das Kim-Regime seit jeher nicht zimperlich um, auch wenn sie Teil der Familie sind. So ließ Kim Jong-un seinen Onkel hinrichten und seinen Halbbruder ermorden.
Nordkorea ist eine von Männern dominierte Gesellschaft, Kim Yo-jong müsste sich als Frau ganz besonders beweisen, sollte sie ihren Bruder, ihren Vater und ihren Großvater beerben. „Es gibt deswegen keinen vernünftigen Grund für die Annahme, dass sie weniger rücksichtslos sein wird als ihre Vorgänger“, sagt ihr Biograf Lee Sung-yoon. „Ich glaube sogar, dass sie noch grausamer und rachsüchtiger sein wird.“