Waffen, Crystal Meth, Zwangsarbeit: So finanziert sich Nordkoreas Diktator Kim Jong-un
Nordkoreas Raketenprogramm verschlingt Unsummen. Weil das Regime von Kim Jong-un kaum legalen Handel treiben kann, greift es zu verbotenen Wegen. Vor allem eine Methode erwirtschaftet Milliarden.
Nordkoreas Botschafter in der Schweiz hatte es plötzlich eilig. Ende vergangenen Jahres ließ Han Tae-song die Rollläden des Botschaftsgebäudes in einem Vorort von Bern herunter, dann packte er seine Koffer – und verschwand. Han wurde offenbar in sein Heimatland zurückbeordert, weil Schweizer Regierungsbeamte und UN-Experten gegen ihn ermittelten. Ihr Vorwurf: Han soll daran beteiligt gewesen sein, Elfenbein aus Botswana zu schmuggeln. Schon einmal, Anfang der 1990-er Jahre, hatte es ähnliche Anschuldigungen gegen den Diplomaten gegeben. Es ist ein einträgliches Geschäft für das abgeschottete Land: Mehr als die Hälfte aller Diplomaten, die an Elfenbeinschmuggel aus Afrika beteiligt waren, kommen aus Nordkorea, wie 2017 eine Studie ergab, die drei Jahrzehnte umfasst.
Was aus Botschafter Han geworden ist, ist unklar. Zu Hause in Pjöngjang dürfte man ihn jedenfalls kaum mit offenen Armen empfangen haben. Allerdings nicht wegen der Ermittlungen selbst – sondern weil der Schmuggel aufgeflogen ist. Denn das international isolierte Nordkorea ist dringend angewiesen auf Gelder aus dem Ausland. UN-Sanktionen machen es dem Regime von Diktator Kim Jong-un aber unmöglich, auf legalem Wege an Devisen zu kommen.
Das Geld benötigt Kim, um Öl und Lebensmittel für sein hungerndes Volk zu importieren oder für Luxusgüter für sich und seine Getreuen. Einen Großteil aber verschlingt das Waffenprogramm des Landes, das Unsummen kostet. Offiziellen Zahlen zufolge fließen jährlich rund 16 Prozent der nordkoreanischen Regierungsausgaben ins Militär. Westliche Beobachter schätzen, dass das Land sogar ein Viertel bis ein Drittel seines Bruttoinlandsprodukts in die Rüstung steckt. Rund 1,3 Millionen Soldaten dienen in Nordkoreas Volksarmee; mehr Menschen haben nur China, Indien, die USA und Russland unter Waffen. Teuer sind für das bettelarme Land auch die vielen Raketentests, die groben Schätzungen von Experten der US-Denkfabrik RAND Corporation zufolge mit bis zu zehn Millionen US-Dollar je Start zu Buche schlagen. Für sein Nuklearprogramm soll das Land einer südkoreanischen Schätzung zufolge rund 1,6 Milliarden US-Dollar ausgegeben haben.
Um sein Raketenprogramm zu finanzieren, ist Nordkorea jedes Mittel recht
Zwar kann Nordkorea den für den Raketenbau benötigten Stahl selber herstellen. Auch technisches Know-how und Arbeiter hat das Land genug – zwei Millionen der geschätzt 26 Millionen Nordkoreaner sollen in der Rüstungsindustrie beschäftigt sein. Bestimmte Bauteile sowie Präzisionsmaschinen muss das Land aber importieren. Dabei umgeht Nordkorea internationale Sanktionen gleich doppelt: indem es Teile für sein verbotenes Nuklear- und Raketenprogramm einführt, die es dann mit illegal erwirtschaften Devisen bezahlt.
Dazu ist der Regierung in Pjöngjang offenbar jedes Mittel recht. Kim Jong-un betreibt Restaurants im Ausland, vor allem in China und Südostasien. Auch ein Museum in der Nähe der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Wat erwirtschaftet Devisen. In Berlin verdiente das Regime bis 2020 monatlich 38.000 Euro mit einem Hostel, das auf dem Botschaftsgelände betrieben wurde. Wohl seit den frühen 1990-ern produziert Nordkorea auch illegale Drogen, darunter Methamphetamin wie Ice oder Crystal Meth, die in China und anderen Teilen Asiens landen.

Zudem exportiert Nordkorea Kohle, etwa nach China, obwohl die Sanktionen auch das verbieten. Zu weiteren Exportgütern zählen Textilien und tonnenweise künstliche Wimpern – vieles davon landet am Ende unter dem Siegel „made in China“ auch im Westen. Nach einem Exporteinbruch während der Corona-Jahre konnten sich die nordkoreanischen Ausfuhren laut den Vereinten Nationen zuletzt wieder erholen. Koordiniert werden die illegalen Aktivitäten vom berühmt-berüchtigten Büro 39, einer Geheimorganisation, deren Hauptquartier sich im Zentrum von Pjöngjang befinden soll.
Meine news
Mit Cyberverbrechen erwirtschaftet Kim Jong-un Milliarden
Besonders viel Geld macht Nordkorea mit Cyberverbrechen. Vor zwei Jahren beispielsweise erbeuteten Pjöngjangs Staatshacker Kryptowährung in Höhe von 620 Millionen US-Dollar, indem sie in das Netzwerk eines Computerspiels aus Vietnam eindrangen. Laut Financial Times war es der bis dato größte Krypto-Diebstahl weltweit. Bis zu ein Drittel der Gelder, die Nordkorea in die Entwicklung von Raketen steckt, stammen laut der US-Regierung aus derartigen Hacks. Seine Ursprünge hat das Programm in den späten 1980-er und frühen 1990-er Jahren. Ziele der Attacken waren zunächst vor allem ausländische Regierungen, später dann auch Banken und schließlich Internetnutzer weltweit.
Von Kim Jong-uns 2011 verstorbenem Vater Kim Jong-il soll der Satz stammen: „Wenn das Internet wie eine Waffe ist, sind Cyberangriffe wie Atombomben.“ Angeblich stehen heute 7000 bestens ausgebildete Hacker im Dienste des nordkoreanischen Staates, gesteuert werden ihre Aktivitäten von der ominösen Lazarus-Gruppe. Erstmals wurde Lazarus Ende der Nullerjahre aktiv, bekannt wurde die Gruppe vor allem mit einem Angriff auf die Sony-Filmstudios 2014 und mit den WannaCry-Attacken, von denen 2017 weltweit mindestens 300.000 Computer betroffen waren. Ein UN-Bericht, den die Nachrichtenagentur Reuters Anfang des Jahres einsehen konnte, hat 58 nordkoreanische Cyberangriffe aus den Jahren 2017 bis 2023 untersucht, bei denen rund drei Milliarden US-Dollar erbeutet wurden.
Nordkoreanische Waffen für Russland und die Hamas
Auch mit Zwangsarbeit macht das Kim-Regime viel Geld. Nordkoreaner werden im Auftrag ihrer Regierung ins Ausland geschickt, um auf Baustellen, in Restaurants oder im verarbeitenden Gewerbe zu schuften. Sogar in Polen wurden vor einigen Jahren noch nordkoreanische Bauarbeiter eingesetzt.
Im Rahmen von 2017 verhängten UN-Sanktionen mussten eigentlich alle Länder Nordkoreaner, die im Ausland arbeiten, zurückschicken, damit diese keine Devisen für ihre Regierung erwirtschaften. Doch vor allem China scheint sich nicht daran zu halten: Eine ausführliche Recherche des Outlaw Ocean Project zeichnete unlängst detailliert nach, wie Nordkoreaner in chinesischen Fischfabriken ausgebeutet werden. Hinter Stacheldraht und von Sicherheitskräften bewacht, verarbeiten sie Fisch, der teilweise auch in Deutschland auf dem Teller landet. Von ihrem Gehalt sehen sie nur einen Bruchteil; das meiste kassiert nach dem Bericht das Regime in Pjöngjang.
Mit Beginn des Ukraine-Kriegs eröffnete sich für Nordkorea eine weitere Möglichkeit, an Geld zu kommen: Waffenexporte an Russland. Dass die Kim-Dynastie zweifelhafte Regime weltweit mit Waffen und Munition beliefert, ist nichts Neues. Iran, Syrien, Jemen oder der Libanon standen in der Vergangenheit auf der Empfängerliste nordkoreanischer Rüstungsgüter, aber auch Terrororganisationen wie Hisbollah und Hamas. Letztere setzte nach den Terrorangriffen auf Israel vom 7. Oktober nordkoreanische Panzerbüchsen vom Typ F-7 gegen israelische Streitkräfte ein. „Der Anstieg illegaler Waffengeschäfte Nordkoreas bildet eine Rettungsleine für das klamme Kim-Regime“, analysiert Andrew Yeo von der US-Denkfabrik Brookings Institution.
Nordkorea verdient am Ukraine-Krieg
Laut dem US-Außenministerium verkaufte Kim im ersten Kriegsjahr Infanterie-Raketen und andere Waffen zunächst an die Wagner-Gruppe, später dann auch direkt an die russische Regierung. Zwischen Juli 2023 und Ende Februar dieses Jahres hat das Kim-Regime laut dem südkoreanischen Verteidigungsministerium 6700 Container mit Artilleriegranaten nach Russland geschickt; die USA schätzen die Zahl sogar auf 10.000 Container zwischen September 2023 und Februar. „Der größte Teil der Gewinne wird wahrscheinlich direkt an den Staat und das Militär gehen“, heißt es in einer Analyse der US-Denkfabrik Stimson Center. Als Gegenleistung für die Waffenlieferungen erhält Nordkorea offenbar nicht nur Devisen und Lebensmittel aus Russland, sondern auch Technologie, etwa für sein Satellitenprogramm.
Der Elfenbein-Schmuggel von Botschafter Han nimmt sich gegen all das eher bescheiden aus. Aber Kim Jong-un nimmt, was er bekommen kann. Am Montag erst ließ er zu Testzwecken drei ballistische Kurzstreckenraketen abfeuern. Die Raketen flogen rund 300 Kilometer weit – dann stürzten sie ab und versanken im Meer.