„Wie ein aggressives Insekt“ – Siedler-Drohne stört Baerbock-Gespräch im Westjordanland

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Radikale Siedler störten Baerbocks Besuch im Westjordanland. Palästinenser berichteten der Ministerin dort von ihrem Leid. Die kritisierte Israel scharf.

Ramallah – Radikale israelische Siedler haben einen Besuch der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Westjordanland gestört. Baerbock war am Montag (8. Januar) nach Al-Masraa al-Kiblija gekommen, ein Dorf in den kargen Hügeln nördlich von Ramallah, um mit palästinensischen Bewohnern über die Gewalt der Siedler zu sprechen. Die Menschen berichteten ihr von Bedrängnis und existenzieller Verzweiflung – als plötzlich von der anderen Seite des Tals mit lautem Surren eine Drohne nahte.

Baerbock Westjordanland
Annalena Baerbock beim Besuch in einem Dorf im Westjordanland. © JAAFAR ASHTIYEH (AFP)

Baerbock: Siedler-Drohne sollte "abschrecken und vertreiben“

Einige Augenblicke lang schwebte die Drohne „wie ein aggressives Insekt“ über Baerbock und ihren Gesprächspartnern, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Dann drehte die Drohne wieder ab, zurück zu radikalen Siedlern, die sie anscheinend steuerten. Die Drohne sei offenbar gekommen, „um zu sehen und zu hören, was wir hier tun“, sagte Baerbock. „Eine Drohne, die tagtäglich über den Menschen kreist, die eigentlich hier zu Hause sind, um sie offensichtlich abzuschrecken und von hier zu vertreiben“, sagte die Außenministerin.

Nach Al-Masraa al-Kiblija ist Baerbock mitten im Krieg in Israel gekommen. An einen Ort, an dem sich der Nahost-Konflikt fast täglich hautnah in Feindseligkeiten entlädt, ganz besonders seit dem 7. Oktober. Seit dem brutalen Überfall der Hamas-Terroristen, bei dem mehr als 1200 Israelis ermordet wurden, spitzte sich die Situation im Westjordanland immer weiter zu.

Palästinenser beklagten Siedlergewalt – Baerbock nimmt Israel in die Pflicht

Bei dem Ortstermin am Rande des Dorfes sprach Samhan Muhammad al-Scharita die Ministerin an. Niemand komme den bedrängten Dorfbewohnern zu Hilfe, klagte der 70-jährige Bauer und Ex-Lehrer. Die Menschen dort seien „Gewalt der Siedler ausgesetzt“, berichtete der alte Mann. „Sie beschädigen unsere Häuser, unser Hab und Gut“, klagte er. Seit mehr als 40 Tagen versperrten Siedler ihm den Weg zu seinen Feldern im Tal, sagte al-Scharita. Die Olivenernte drohe verlorenzugehen. „Das ist meine persönliche Leidensgeschichte. Aber es gibt hier Tausende wie mich“, sagte er.

Die Gewalt von Siedlern habe seit dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober „drastisch zugenommen“, pflichtete auch Baerbock bei. „Diese Gewalt muss enden“, sagte sie. Hier stehe „Israel in der Pflicht, Palästinenserinnen und Palästinenser zu schützen“.

Versuche, der Siedlergewalt Einhalt zu gebieten, gab es von israelischer Seite bereits. So ordnete der israelische Verteidigungsminister Joaw Gallant zuletzt mehrfach an, gewalttätige Siedler nach israelischen Militärstrafrecht für bis zu vier Monate in Gewahrsam zu nehmen. Das berichtete unter anderem die linksliberale israelische Zeitung Haaretz. Diese Festnahmen sind möglich, da im Westjordanland die israelische Militärgerichtsbarkeit für viele Bereiche zuständig ist. Die USA verhängten im Dezember mehrere Einreiseverbote gegen die Köpfe der radikalen Siedlerbewegung.

„Illegales“ Verhalten der Siedler macht „palästinensisches Leben unmöglich“ – Außenministerin Baerbock

Das Handeln der Siedler sei „illegal“, stellte auch die studierte Völkerrechtlerin Baerbock fest. Viele Menschen hier könnten „aus Angst vor Gewalt, vor radikalen Siedlern“ nicht mehr dort wohnen, so Baerbock. Die Siedler-Gewalt habe eine dramatische Konsequenz: „Palästinensisches Leben ist hier unmöglich“, sagte die Außenministerin.

Was Baerbock sieht, lässt für Optimismus wenig Raum. Eigentlich ist sie in den Nahen Osten gereist, um Möglichkeiten für eine künftige Friedensordnung zu sondieren. „Hier im Westjordanland zeigt sich, wie dringend nötig eine Zwei-Staaten-Lösung ist - aber auch, wie unglaublich sie gefährdet ist“, resümierte die Ministerin ernüchtert vor ihrer Abreise aus Al-Masraah al-Kiblija. (AFP/kb)

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