Lösungen bei krankhaftem Übergewicht: Krankenhaus stellt neues Adipositas-Zentrum vor
Am Krankenhaus in Penzberg entsteht derzeit ein Adipositas-Zentrum für Menschen, die an krankhaftem Übergewicht leiden. Verantwortlich ist ein Team um Prof. Dr. Christoph Seiler, der bereits im nordrhein-westfälischen Warendorf ein Adipositas-Zentrum aufgebaut hat. Nächste Woche wird es in einer „Penzberger Sprechstunde“ vorgestellt.
Adipositas beginnt laut Prof. Dr. Christoph Seiler nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation bei einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30. Diese Maßzahl erreicht zum Beispiel ein 1,78 Meter großer Mensch mit einem Gewicht von 95 Kilogramm. Es könne sein, dass er sich fit fühlt und pumperlgesund ist, erklärt der Chirurg. Er sei aber bereits adipös. Krankhaftes Übergewicht habe er, wenn er 127 Kilogramm und mehr wiegt. Die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck, Diabetes, Gelenkproblemen und Krebs steigt mit jedem Kilogramm.
Adipositas sei eine chronische lebenslange Erkrankung, ähnlich dem Bluthochdruck, erklärt Seiler. Zu sagen „Iss weniger“ nütze nichts. Eine Diät funktioniere in den weit überwiegenden Fällen nicht. „Das Gehirn merkt sich unwiderruflich den höchsten Gewichtswert, den der Körper jemals hatte, und das Gehirn tut alles, um wieder zu dem Gewicht zu kommen.“ Die effektivste Therapie, so der Arzt, sei deshalb die Operation. Dies kann die Entfernung eines Großteils des Magens sein, sodass nur ein sogenannter Magenschlauch übrig bleibt, oder ein Magen-Bypass. Wobei es mit der OP nicht vorbei ist. Der Patient muss seine Ernährung umstellen sowie Vitamine und Zusatzstoffe über Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen.
Mit Adipositas gehen viele Leiden einher
In Deutschland werde, anders als in anderen europäischen Ländern, erst sehr spät operiert, so Seiler. Zu spät nach seiner Ansicht, da mit krankhaftem Übergewicht viele andere Leiden einhergehen. Bayern sei zudem Schlusslicht in Deutschland bei der Zahl der Operationen. Das rührt laut Seiler daher, dass Krankenkassen sehr zurückhaltend mit Kostenzusagen waren.
Der Viszeralchirurg hat bereits vor einigen Jahren ein zertifiziertes Adipositas-Zentrum im nordrhein-westfälischen Warendorf mitaufgebaut. Dies ist nun auch das Ziel am Penzberger Krankenhaus. „Wir sind glücklich, dass wir da mit Professor Seiler einen Arzt mit hoher Expertise haben“, sagt die neue ärztliche Direktorin Friederike von Redwitz.
Die Vorbereitungen laufen seit einem Jahr. Das Adipositas-Zentrum gibt es im Prinzip bereits, Patienten können sich Termine geben lassen. Mehrere Fachdisziplinen arbeiten dort zusammen, auch Ernährungsmediziner und Psychologen für die Nachsorge. Aber zertifiziert ist das Zentrum noch nicht. Dafür müsste das Haus eine bestimmte Zahl an Operationen vorweisen.
Nach den Zertifizierungskriterien der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie ist das Penzberger Krankenhaus laut Seiler für die Versorgung der Adipositas-Patienten aber schon ausgestattet. Das gehe bei der Waage los und reiche über die Betten und die WC-Einrichtung bis zur OP-Ausstattung. „Es bedarf guter Vorbereitung“, sagt von Redwitz. So habe man im Vorfeld in einer spezialisierten Klinik in München-Bogenhausen hospitiert. Außerdem schloss sich das Penzberger Krankenhaus mit der örtlichen Adipositas-Selbsthilfegruppe kurz. „Sie sind mit uns durchs Haus gegangen und haben gesagt, ob es für die Betroffenen passt“, erzählt Seiler.
Fachdisziplinen arbeiten zusammen
Bei einem Vortrag in der Reihe „Penzberger Sprechstunde“ am Mittwoch, 13. November, wird Chirurg Seiler über „Lösungen bei krankhaftem Übergewicht“ und über das neue Adipositas-Zentrum sprechen. Referenten sind auch Ernährungstherapeutin Theresa Heinritzi und Psychologin Johanna Bauer-Schroff. Anwesend ist zudem die Penzberger Adipositas-Selbsthilfegruppe. Vorstellen wird sich ebenso Katharina Marx. Die von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie zertifizierte Fachkoordinatorin für Adipositas führt die Patienten „durch ihren neuen Lebensabschnitt“.
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Mit einer OP, erklärt Seiler, könne man das Übergewicht um 50 bis 80 Prozent reduzieren. Er werde im Vortrag aber auch auf medikamentöse Verfahren eingehen. Mit den modernsten Medikamenten, die man lebenslang einnehmen müsse, könne man eine Reduktion von bis zu 30 Prozent erreichen. Ob operiert wird, sei aber eine Individualentscheidung. „Das Thema ist so komplex, dass nur ein individueller Weg erfolgreich sein kann.“
Vortrag im
Krankenhaus
Der Vortrag „Hinschauen! Es gibt Lösungen bei krankhaftem Übergewicht“ in der Reihe „Penzberger Sprechstunde“ ist am Mittwoch, 13. November, 19 Uhr, im Veranstaltungsraum des Penzberger Krankenhauses zu hören. Der Eintritt ist frei. Referenten sind Prof. Dr. Christoph Seiler, Ernährungstherapeutin Theresa Heinritzi und Psychologin Johanna Bauer-Schroff. Außerdem stellen sich Adipositas-Koordinatorin Katharina Marx und Ernährungsmediziner und Diabetologe Dr. Nicolai Gappa vor. Moderiert wird der Abend von ärztlicher Direktorin Friederike von Redwitz.