Krank, jung, alt: Diese Gruppen treiben die Überschuldung in Deutschland nach oben

Nach Jahren des Rückgangs dreht sich der Trend: In Deutschland rutschen wieder mehr Menschen in die Schuldenfalle. Der neue Schuldneratlas 2025 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigt: 5,67 Millionen Erwachsene gelten inzwischen als überschuldet – 111.000 mehr als im Vorjahr, ein Plus von zwei Prozent. Damit steigt die Überschuldungsquote erstmals seit 2018 wieder auf 8,16 Prozent

Krisen und hohe Kosten fressen finanzielle Puffer auf

Creditreform führt die Entwicklung vor allem auf die Dauerbelastung der vergangenen Jahre zurück: Pandemie, Energiepreise, Inflation. Viele Haushalte haben ihre Rücklagen „restlos aufgezehrt“, warnt Creditreform-Experte Patrik-Ludwig Hantzsch. Steigende Zinsen und ein schwächerer Arbeitsmarkt könnten die Lage 2026 weiter verschärfen.

Unterschieden wird zwischen „harten“ Fällen, etwa wenn Inkasso, Vollstreckungen oder Haftbefehle vorliegen, und „weichen“ Fällen mit dauerhaften Zahlungsstörungen. Beide Gruppen wachsen – mehr als drei Millionen Menschen befinden sich inzwischen in juristisch relevanten Verfahren.

Krankheit ist Hauptauslöser für Überschuldung

Die wichtigste Ursache dafür ist nicht Konsum oder Arbeitslosigkeit, sondern Krankheit. Laut dem aktuellen „Überschuldungsreport 2025“ des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) ist jede fünfte Überschuldung (17,6 Prozent) auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen: chronische Erkrankungen, psychische Belastungen, dauerhafte Einschränkungen oder der Verlust der Arbeitsfähigkeit.

Betroffene müssen oft monatelang im Job pausieren, verdienen weniger oder gar nichts mehr – und laufen in dieser Zeit in Zahlungsstörungen. Besonders kritisch: Viele Menschen haben nach den Krisenjahren kaum Rücklagen.

Die sechs Hauptauslöser für Überschuldungsprozesse
Die sechs Hauptauslöser für Überschuldungsprozesse Creditreform

Junge kaufen auf Raten und Senioren schämen sich

Zwar betrifft der Trend inzwischen fast alle Einkommensgruppen, aber die neue Überschuldungswelle trifft zwei Altersgruppen besonders stark:

  • Junge Erwachsene unter 30: Viele geraten durch Online-Shopping, Ratenkäufe und „Buy now, pay later“-Angebote ins Minus. Die Caritas warnt bereits, dass junge Menschen häufig zu spät Hilfe suchen.
  • Über-60-Jährige: Steigende Lebenshaltungskosten und niedrige Renten bringen immer mehr Senioren an ihre Grenzen. Viele schämen sich, Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Diakonie fordert deshalb mehr Beratung an der Haustür – Hausbesuche senkten die Hemmschwelle deutlich.

Mehr als jeder zweite Ratsuchende (51,2 Prozent) lebt allein. Bei unter 25-Jährigen liegen die durchschnittlichen Schulden der Beratungsstellen bei rund 11.000 Euro, bei über 65-Jährigen bei 47.000 Euro.

Veränderung der Überschuldungsquoten nach Altersgruppen
Veränderung der Überschuldungsquoten nach Altersgruppen Creditreform

Beratungsstellen sind überlastet 

Rund 577.000 Menschen nehmen jährlich Schuldnerberatung in Anspruch. Aber: Zehnmal so viele sind überschuldet. In vielen Städten sind Wartelisten über Monate voll. „Die Telefone klingeln pausenlos, wir müssen Menschen wegschicken“, sagt Ines Moers von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. Der Verband fordert einen bundesweiten Personalschlüssel von zwei Beratern pro 50.000 Einwohner.

Neues Gesetz für kostenlosen Zugang zur Beratung

Der Bundestag hat jetzt immerhin ein neues Gesetz beschlossen: Schuldnerberatung soll künftig grundsätzlich kostenfrei sein. Gebühren dürfen nur in Ausnahmefällen erhoben werden. Zugelassen werden ausschließlich professionelle, unabhängige Stellen – etwa Caritas, Diakonie, Verbraucherzentralen oder Kommunen. Bund und Länder müssen nun ein Finanzierungskonzept vorlegen.

Wichtig: Ab 20. November gelten schärfere Regeln für Kleinkredite und „Buy now, pay later“-Produkte. Auch bei Summen unter 200 Euro ist künftig eine Kreditwürdigkeitsprüfung Pflicht. So sollen Verbraucher besser vor unbedachten Schnellkäufen geschützt werden.