Steinadler haben es im Mangfallgebirge besonders schwer: In Bayern, wo die Reproduktionsrate ohnehin niedrig ist, bildet die Region das Schlusslicht. Ein kleiner Hoffnungsträger hat sich heuer aber tapfer durchgekämpft.
Landkreis – Sie gelten als Könige der Lüfte – und sind doch stark bedroht: Die Steinadler haben im Mangfallgebirge einen schweren Stand. Wie es um die Population steht, was sie gefährdet und wie sich der heuer einzige Jungvogel entwickelt, verrät Ranger Alexander Römer (56) im Interview.
Herr Römer, seit drei Jahren begleiten Sie die Steinadler im Mangfallgebirge. Wie hat sich der Bestand entwickelt?
Es gibt im Landkreis acht Adlerreviere mit je einem Paar. Nachdem es 2024 überhaupt keinen Nachwuchs gegeben hat, haben wir heuer Nachwuchs in einem Revier: Ein Jungvogel ist durchgekommen und schon flugfähig. Ich hatte großes Glück und konnte ihn bei seinen ersten Flugübungen beobachten: Er hat drei Landeanflüge auf einige Fichtenzweige gestartet, bis er sich am letzten Zweig mit seinen Fängen festhalten konnte.
Wie lange bleibt er im Mangfallgebirge?
Mindestens bis zum nächsten Frühjahr. Einmal den Horst verlassen, wird er von den Altvögeln außerhalb des Horstes gefüttert und im Jagen unterrichtet. Im Frühjahr muss er das elterliche Revier verlassen und sein eigenes Reich suchen.
Wie stehen seine Chancen, ein eigenes Revier zu finden?
Das ist gar nicht so einfach: Die wenigen Reviere im Mangfallgebirge sind fast alle besetzt. Vor einigen Jahren hatten wir einen Jungadler besendert. So konnten wir live verfolgen, welch große Strecken ein Steinadler auf der Reviersuche zurücklegen kann. Dieser Adler flog über den Nationalpark Hohe Tauern, zum Großglockner und über das Salzburger Land zurück ins Mangfallgebirge, um zu sehen, ob er hier nicht doch ein Revier übernehmen kann. Nicht jeder Jungadler überlebt diese Suche. Im letzten Jahr haben wir einen Adler mit einer Schädelverletzung tot aufgefunden. Er wurde Opfer eines Revierkampfes.
Adler braucht Ruhe, um Beute zu schlagen
Ist das der Grund, warum wir im Mangfallgebirge so wenige Adler haben?
Revierkämpfe sind nur ein möglicher Grund. Hinzu kommen Veränderungen des Lebensraums durch die Forstwirtschaft und die durch Menschen verursachten Störungen. Was genau dazu führt, dass die Reproduktionsrate bei uns so exorbitant schlecht ist, ist weitgehend unbekannt. Sie ist aber ein ernstzunehmendes Zeichen, dem wir nachgehen wollen. In der Schweiz und Liechtenstein ist die Rate um ein Vielfaches höher als in Bayern. Und das Mangfallgebirge bildet das Schlusslicht innerhalb Bayerns. Immerhin, die direkte Verfolgung durch den Menschen scheidet als Ursache für die geringe Nachwuchszahl aus. Auch Bleivergiftungen gibt es kaum mehr, seitdem die Bayerischen Staatsforsten bleifrei jagen. Als Erklärung bleibt deshalb nur die Vielzahl an Störungen.
Warum stören Menschen den Adler so sehr?
Durch die Nähe zur sportbegeisterten Millionenstadt München ist das Mangfallgebirge sehr stark frequentiert. Vom Wandern und Sportklettern, übers Mountainbiken bis hin zum Gleitschirmfliegen ist bei uns alles möglich. Der Steinadler ist aber auf ein ungestörtes Jagdgebiet angewiesen. Kein Hase, kein Fuchs, keine Gämse und kein Birkhuhn wagt sich auf die Almflächen, wenn dort der Mensch als Homo sapiens rabiatus ständig lautstark unterwegs ist. Wie soll der Adler seine Beute schlagen, wenn sich diese verstecken muss.
Ranger versuchen, das Gelände beruhigt zu halten
Was können Sie als Ranger für die Steinadler tun?
Als Naturschutz-Ranger versuchen wir, das Gelände beruhigt zu halten, indem wir dafür sorgen, dass die Schutzgebietsbestimmungen eingehalten werden. Dazu zählen zum Beispiel kein Biwakieren, kein offenes Feuer oder laute Musik abzuspielen. Wir versuchen, die Besucher über die Problematik aufzuklären und zu sensibilisieren. Als Steinadlerkoordinator organisiere ich die Beobachtungen unserer ehrenamtlichen Helfer des LBV, der Berufsjäger und Förster. Nur mit deren Hilfe können wir über das ganze Jahr hinweg Daten sammeln und uns einen Überblick über die Population verschaffen. Bei der jährlichen Synchronzählung im Januar haben wir die Chance, Paare bei ihren Balzflügen aufzuspüren und ihr Verhalten zu beobachten. So können wir Rückschlüsse auf eine mögliche Brut ziehen und den Raum in einem Radius von 1000 Metern für den Flugverkehr sperren. Diese Maßnahme kommt erst zum Einsatz, wenn der Horst begrünt ist und wir davon ausgehen können, dass ein Gelege bebrütet wird.
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Wie stehen die Chancen, selbstständig oder bei geführten Wanderungen Steinadler zu sehen?
Das ist reine Glückssache. Um die Chancen zu erhöhen, muss man mindestens vier Stunden gezielt den Himmel beobachten, was kein einfaches Unterfangen ist. Bei Führungen ist das in der Regel zeitlich gar nicht möglich, da wir meist eine bestimmte Wegstrecke im Gebirge zurücklegen möchten und die alpine Fauna und Flora sonst zu kurz kommt. Am wahrscheinlichsten ist eine Sichtung um die Mittagszeit, bei gutem Wetter und mit einem guten Fernglas. nap