Thomas Weiß: „Wir müssen wehrpflichtig werden“ – Oberleutnant d.R. aus Miesbach zum Gesetzentwurf

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Miesbach
  4. Miesbach

Kommentare

Die Debatte um den Wehrdienst ist aktueller denn je: Ein Soldat in Flecktarnuniform (Symbolbild). © Henning Kaiser/dpa

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf für eine Wehrdienstreform auf den Weg gebracht. Damit ist die Debatte um den Wehrdienst aktueller denn je.

Landkreis – Einer, der diese Debatte seit Jahrzehnten verfolgt, ist Thomas Weiß (65). Der Oberleutnant d.R. aus Miesbach war 46 Jahre im Dienst, hat über Jahrzehnte junge Menschen ausgebildet und den Wandel der Bundeswehr miterlebt. Im Gespräch schildert Weiß, warum für ihn der Wehrdienst nicht nur eine sicherheitspolitische Frage, sondern auch ein prägendes Stück Lebenserfahrung ist.

Oberstleutnat Thomas Weiß
Thomas Weiß: Der Oberleutnant d.R. und frühere Leiter des Kreisverbindungskommandos Miesbach fordert eine Rückkehr zur Wehrpflicht. © sf

Herr Weiß, was sehen Sie als die größten Auswirkungen des Wegfalls der Wehrpflicht?

Mit dem Wegfall der Wehrpflicht ist ein großer Rekrutierungspool verloren gegangen. Das spürt man deutlich, vor allem bei den Reservisten. Im Landkreis ist die Resonanz auf die Bundeswehr zwar weiterhin hoch, aber ohne Wehrpflicht fehlen uns helfende Hände. Sie hat beiden Seiten etwas gebracht: Sie stärkt die Einsatzfähigkeit des Staates und bietet den jungen Menschen Kameradschaft, familiären Zusammenhalt und eine prägende Lebenserfahrung.

Sie haben das Schweizer Modell als positives Beispiel genannt. Was überzeugt Sie daran, und wo liegen die Schwierigkeiten?

In der Schweiz ist die Wehrpflicht für Männer Pflicht, Frauen können freiwillig teilnehmen. Jeder junge Mann wird gemustert und absolviert eine mehrmonatige Grundausbildung, danach folgen regelmäßige Wiederholungskurse bis zum 34. Lebensjahr. Das sorgt für eine starke Reserve und verankert den Dienst in der Gesellschaft. Ich halte das für ein gutes Modell, aber die Umsetzung in Deutschland wäre schwierig. Vor allem die Abstimmung zwischen Arbeitgebern und Bundeswehr ist ein Knackpunkt. Zudem haben wir in den letzten Jahren Kasernen geschlossen und Infrastruktur abgebaut. Doch die Kosten für den Wiederaufbau müssen wir angesichts von Bedrohungen wie dem Ukrainekrieg in Kauf nehmen.

Wie schätzen Sie die Lage in Miesbach ein, und wie ist Ihre persönliche Haltung zur Wehrpflicht?

Strukturell ist die Lage bei uns nicht dramatisch. In München gibt es ein großes Karrierecenter, dort ist man gut aufgestellt. Meine Haltung ist klar: Wir müssen wehrpflichtig werden. Ich habe selbst jahrelang Wehrpflichtige ausgebildet und weiß, wie wichtig das für die jungen Menschen ist. Im Einsatz entstehen Freundschaften fürs Leben, und die Jugend lernt den Staat auf eine ganz besondere Weise kennen. Reservisten waren schon in früheren Einsätzen wie in Afghanistan unverzichtbar – ohne Wehrpflicht wird es künftig immer schwieriger, genügend von ihnen zu gewinnen.

Auch interessant

Kommentare