"Perfide Systematik": Tontechniker enthüllt, wie es hinter den TV-Kulissen zugeht

Jan Rosemann ist seit 15 Jahren TV-Freiberufler. Auf Social Media postet er dazu Videos. Ein Clip, in dem er über seinen ersten Drehabbruch aus Angst um seine Sicherheit spricht, ging viral. Aber auch vorher machte er bereits auf erschreckende Zustände hinter den Kulissen aufmerksam. Im Interview mit FOCUS online spricht er über die Schattenseiten der Branche.

Besonders viel Aufmerksamkeit erhielt der Drehabbruch am "Horrorhaus von Göttingen". In seinem Video dazu erklärt er, dass es "oft System" habe, dass die Dreh-Umstände vorher nicht klargemacht würden.

"Hätte ich gerne im Vorfeld gewusst"

"Es gibt halt schon gewisse Formate und Genres, da passiert das schon öfter, dass man einfach ja in Situationen landet, die vorher nicht so abzusehen waren und über die man auch vorher nicht so ins Bild gesetzt wird, von Seiten einer Redaktion. Und das sind dann halt oft diese in Anführungszeichen investigativen Magazine", erklärt Rosemann.

Daraufhin spricht er darüber, dass auch die Verantwortlichen vor Ort oft am Tag selbst entscheiden, was gedreht werden soll. "Und dann ist man halt Teil dieses Tages, weil man ja auch dafür beauftragt und gebucht wurde. Dann ist man da dann dabei und merkt dann manchmal erst währenddessen. Okay, das war jetzt so eine Sache, die hätte ich gerne im Vorfeld gewusst." So habe sein Team einmal für einen Dreh das Haus eines Menschen mit Verbindung zur rechten Szene betreten. Die Wohnungstür sei offen gewesen, also sei beschlossen worden: "Wir sind jetzt mal so mutig und gehen da einfach mal rein in die Wohnung und verstoßen damit ja auch ein bisschen gegen sein Recht. Und drehen einfach mal so ein bisschen diese Wohnung dann von innen, obwohl das diese Person, glaube ich, nicht so toll fände."

"Es geht oft nicht allzu menschlich zu"

Rosemann beschreibt dies als "eine perfide Systematik". In solchen Momenten sei es dann auch einfach schwer, Nein zu sagen. Schließlich sei man bereits vor Ort und zum Teil auch von der Bezahlung abhängig. Nach seinem Video zum Drehabbruch habe Rosemann viele Nachrichten von Branchenkollegen erhalten, die von ähnlichen Erfahrungen berichteten.

"Ich glaube, in der Arbeitswelt allgemein, das betrifft nicht nur meine Branche, geht es halt schon in dem Kapitalismus oft nicht allzu menschlich zu, gerade wenn Druck vorhanden ist und wenn da ja wirtschaftliche Interessen dahinterstehen", begründet er dieses Verhalten. Allein in den letzten Monaten habe er viele negative Erfahrungen gemacht. "Überstunden in dem Sinne, dass man zwei Drehtage gerne in einen legt, vielleicht auch manchmal drei Drehtage" und "Mobbing am Arbeitsplatz, weil ich eben eine neue Person war und weil dort eben so viele Platzhirsche am Start sind".

Am Ende der Nahrungskette

Grund dafür seien die "lange gewachsenen, verkrusteten Strukturen. […] Überall wird halt gespart, bis und wo es nur geht. Das betrifft dann halt eben solche Dinge wie, dass da einem trotz der Tatsache, dass eine Reporterin am Vortag attackiert wurde, nur eine Security gestellt wird", so Rosemann. Es gäbe harte Hierarchien und auch Leute, die sich durch den Druck "auch zu Arschlöchern entwickeln, weil sie das auch selbst so erlebt haben. […] Wir (Freiberufler) sind halt die ganz unten in der Nahrungskette, die es dann halt ausbaden dürfen."

Mit seinem Video, in dem er über den Drehabbruch spricht, hat Rosemann mittlerweile mehr als 2,5 Millionen Menschen erreicht. Das komplette Interview mit ihm finden Sie auf dem FOCUS-online-YouTube-Kanal.