Türkei pocht auf Einfluss in Nahost – arabische Länder skeptisch
Die Türkei will im Gaza-Krieg eine entscheidende Rolle einnehmen. Doch arabische Machthaber bleiben misstrauisch gegenüber Erdogans Plänen.
Ankara – Die Türkei versucht seit Beginn von Israels Krieg im Gazastreifen seinen Einfluss in der Region zu stärken. Präsident Recep Tayyip Erdogan vertritt im Konflikt generell eine anti-westliche Haltung, spricht von „Israels Genozid“ und sieht die Hamas nicht als Terrororganisation. Trotzdem lehnten arabische Länder laut einem Bericht des israelischen Fernsehsenders Kan 11 bereits zu Beginn des Krieges eine türkische Lösung des Konflikts ab.
Die Türkei habe den arabischen Ländern bereits in den ersten Monaten des Krieges einen Plan für eine Sicherheitsvereinbarung und die Stationierung gemeinsamer Streitkräfte in Gaza am Tag danach vorgeschlagen. Die arabischen Länder, darunter Ägypten, lehnten die Idee laut Informationen eines anonymen Diplomaten allerdings ab. Der Versuch der Türkei, Einfluss auf das Geschehen in Gaza zu nehmen, wecke bei arabischen Ländern Misstrauen.
Für Erdogan ist die Hamas keine Terrororganisation und Westen „faschistisch“
Vergangenes Wochenende hatte Erdogan den politischen Führer der Hamas, Ismail Haniya, in Istanbul empfangen. Immer wieder betont der türkische Präsident die Rolle der Hamas als legitime Freiheitsbewegung und vertritt damit eine konträre Position zu den anderen Mitgliedern der Nato. Die Türkei stehe hinter der Hamas, auch wenn der Westen und Israel sie als Terrororganisation einstufen.
„Wir haben erlebt, wie diejenigen, die uns jahrelang über Demokratie und Meinungs- und Versammlungsfreiheit belehrt haben, plötzlich faschistisch werden, wenn es um Israel und Israels Interessen geht“, sagte Erdogan am Freitag laut dpa. Der Westen lege seine Werte ad acta, wenn es um Israel gehe.
Arabische Länder sehen in Erdogans Gaza-Position reine Machtinteressen
Arabische Staaten bleiben trotz Erdogans Tiraden gegen den Westen skeptisch gegenüber dem türkischen Machthaber. Einem arabischen Diplomaten zufolge, versuche die Türkei auf jede erdenkliche Weise Einfluss auf das Geschehen in Gaza zu nehmen und sich vor allem gegenüber den Amerikanern als wichtiger Akteur zu positionieren. Doch die Araber bleiben misstrauisch gegenüber einer fixen politischen Installation der Türkei in Palästina.

Sie sehen in Erdogans Hamas-Sympathie vor allem eigene Machtinteressen der Türkei in der Region und der Welt. Mit seiner klaren Anti-Israel-Haltung sichert sich der türkische Präsident auch innenpolitisch ab. Wie unter anderem NZZ berichtet, ist die türkische Bevölkerung in der Frage nach ihrer Positionierung im Gaza-Krieg relativ geeint. Nicht nur konservativ-religiöse Kräfte fordern eine klare Haltung gegen Israel. Auch progressive Kräfte stehen auf der Seite Palästinas.
Meine news
Frieden für den Nahen Osten – Baerbock reist nach Riad
Internationale Koalitionen suchen derweil weiter nach Lösungen für eine Feuerpause und weitere Geiselfreilassungen. Wie die AFP berichtet, verhandelt aktuell eine ägyptische Delegation in Israel. Es habe „erkennbare Fortschritte“ bei der Annäherung der „ägyptischen und israelischen Sichtweisen“ gegeben, berichtete der ägyptische Fernsehsender Al-Kahera News, der enge Verbindungen zu den ägyptischen Geheimdiensten hat. Auch israelische Medien berichten über einen neuen Plan für eine Waffenruhe und Geiselfreilassungen diskutiert habe.
Kommenden Montag (29. April) wird Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Riad an einem Treffen europäischer und arabischer Diplomatinnen und Diplomaten teilnehmen, bei dem die Lage im Nahen Osten im Mittelpunkt steht. Baerbock werde unter anderem ihren Kollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Scheich Abdullah bin Sajed al Nahjan, sowie die UN-Beauftragte für humanitäre Hilfe im Gazastreifen, Sigrid Kaag, treffen. (lm/dpa/afp)