„Das gleiche Problem wie Hitler“: Militärökonom sieht bereits strategische Niederlage für Putin
Im Ukraine-Krieg sieht ein Militärökonom die Zeit für Russlands Präsident Wladimir Putin ablaufen. Auch deshalb würde im Westen vermehrt nach einem Frieden gerufen.
Köln – Beim Blick auf den Ukraine-Krieg wird immer häufiger die Mutmaßung aufgestellt, Wladimir Putin würde nur auf Zeit spielen. Weil der Kreml-Chef wisse, dass sein Russland dem überfallenen Nachbarn quantitativ deutlich überlegen ist.
Deshalb heißt es auch in Deutschland oft von Gegnern der Waffenlieferungen an Kiew, so würde das Sterben und Leiden nur unendlich verlängert. Das Beste, das der Ukraine passieren könne, wäre ein ausgehandelter Frieden, mit dem aber auch der Machthaber in Moskau sein Gesicht wahren kann.
Putin und der Ukraine-Krieg: „Er muss wie Hitler in der kurzen Frist gewinnen“
Marcus M. Keupp dreht den Spieß um. Im Interview mit der Kölner Rundschau betont der Militärökonom, dass die Uhr vielmehr für Putin tickt. Und der 71-Jährige persönlich längst als Verlierer feststehe.
Dabei zieht der gebürtige Freiburger einen Vergleich zum Zweiten Weltkrieg und einem anderen angriffslustigen und menschenverachtenden Diktator: Adolf Hitler. „Putin hat das gleiche Problem wie Hitler. Er muss in der kurzen Frist gewinnen“, findet Keupp: „Denn auf lange Sicht hat er gegen das Industriepotential des Westens keine Chance.“ Genau deshalb verbrenne Putin an der Front Systeme und Menschen in massiver Form.
Militärexperte zieht Vergleich mit Zweitem Weltkrieg: „Putin macht es wie Marschall Sukow“
Keupp ist überzeugt: „Er will eine Entscheidung, bevor die ganze gewaltige Rüstungsindustrie in der gesamten westlichen Welt anläuft.“ Vor rund 80 Jahren sei es den USA ähnlich ergangen, als Washington sich einmischte, um Hitler zu stoppen: „Es hat Jahre gedauert, die US-Rüstungsindustrie hochzufahren. Das Maximum war erst 1945 erreicht, zum Kriegsende.“
Und auch Putin agiere wie die Sowjetunion damals gegen Nazi-Deutschland – auch wenn die damals zunächst um die Befreiung ihres eigenen Territoriums kämpfte. „Was Putin da macht, haben schon die Zaren gemacht und dann Marschall (Georgi) Schukow im Zweiten Weltkrieg“, erinnert der Dozent der Militärakademie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich: „Wenn bei einer Angriffswelle 30.000 fielen, war ihm das egal, am Ende konnten sich die Überlebenden auf neuen Positionen festsetzen.“

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Die jetzige Kreml-Taktik, auf Masse zu setzen, habe auch für Kiew Folgen: „Wenn Russland so weitermacht, wird die Ukraine irgendwann mobilisieren müssen, auch wenn das für eine Demokratie schwierig ist.“ Dem 46-Jährigen zufolge besitzt das Land „eine aktive Reserve von einer Million Mann“. Noch sei deren Zeit nicht gekommen: „Im Augenblick ist es für sie aber günstiger, auf Abnutzung zu setzen.“
Militärökonom Keupp sieht neue Taktik: „Kreml-Papageien krähen wieder ganz laut“
Doch nicht zuletzt wegen des nach monatelanger Blockade im Repräsentantenhaus freigegebenen milliardenschweren US-Hilfspakets scheint die Sonne für Kiew auf Sicht wieder heller. Dazu kommt, dass Russland trotz der Umstellung auf Kriegswirtschaft seine Grenzen aufgezeigt bekommt, betont Keupp: „Die russische Kriegsführung wird technologisch immer schlechter.“
Die Soldaten würden „mit uralten T62-Panzern ohne Geschützturm und teilweise in Golfkarts“ losgeschickt. Die Reserve an Panzern von fast 3000 Stück sei aufgebraucht, Satellitenfotos würden zeigen, dass in Artillerielagern die Rohre fehlten, die Systeme ausgeschlachtet wurden.
Keupp schätzt: „Ich würde sagen, 2024 und 2025 kann Russland den Krieg sicher noch weiter führen. Aber sie bekommen zunehmend ein Zeitproblem.“ Ein Indiz dafür sei für ihn, „dass die Kreml-Papageien wieder ganz laut zu krähen beginnen, mit den üblichen Parolen: über Frieden verhandeln, die Ukraine kann nicht gewinnen. Und so weiter.“ Hier darf sich wohl vor allem die AfD angesprochen fühlen.
Putin vor dem Ende? Experte Keupp setzt fest auf russische Niederlage im Ukraine-Krieg
Putin habe bereits erkannt, dass Russland der Ukraine mit ihren Verbündeten unterlegen sein werde: „Deshalb versucht er ja, die westliche Logistikbasis zu sabotieren, indem er Länder politisch umdreht und auf der deutschen Gefühlsklaviatur spielt, damit die Deutschen Angst bekommen.“
Keupp aber ist sicher: „Wenn die westliche Logistikbasis immer weiter nachschiebt, dann wird Russland den Krieg nicht nur nicht gewinnen, sondern verlieren. Mit allen Konsequenzen, die das für die innere Organisation Russlands hat.“

Für Putin könnte dies das Ende an der Macht bedeuten, aber er könnte seinen wichtigsten Unterstützern einen Dienst erweisen, hält Keupp fest. Indem er den Krieg beendet. „Russland würde wirtschaftlich absteigen und müsste sich intern wieder konsolidieren. Aber die Herrschaft der Silowiki, also der Gruppe, die Russland derzeit führt, die ginge weiter“, skizziert der Autor den Weg, um drohende Unruhen im Land zu vermeiden.
Ende des Ukraine-Kriegs: Laut Keupp steht Russlands strategische Niederlage seit Herbst 2023 fest
Keupp ist sicher, dass der Ukraine-Krieg jeden Tag enden kann. Es liege in Putins Hand. Zweifel sind aber wohl angebracht, ob der scheinbar allmächtige Kreml-Chef wirklich bereit wäre, als großer Verlierer in die Geschichte einzugehen, der unzählige Menschen in den Tod schickte und obendrein zwei einstige Bruderstaaten über mehr als ein Jahrzehnt hinweg zu seinen Zwecken entzweite.
Laut Keupp hat Russland den Ukraine-Krieg schon im Herbst 2023 strategisch verloren: „Spätestens dann war ersichtlich, dass die Produktions- mit der Abnutzungsrate nicht schritthalten kann.“ Festzuhalten bleibe aber: „Putin macht weiter, obwohl er den Krieg eigentlich im Herbst 2023 hätte abbrechen müssen.“ Als würde er einfach nicht wahrhaben wollen, dass die Zeit gegen ihn läuft. (mg)