Wissing bleibt Verkehrsminister und bricht mit Lindner: Was nach dem FDP-Austritt folgt

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Die Ampel ist geplatzt, die alte FDP-Garde aber nicht komplett aus dem Kabinett verschwunden: Verkehrsminister Volker Wissing setzt seine Arbeit fort.

Berlin – Paukenschlag in Berlin: Verkehrsminister Volker Wissing bleibt auch nach dem Ende der Ampel-Koalition bis zu den geplanten Neuwahlen im Amt. Mit dieser Entscheidung wolle er aber „keine Belastung für meine Partei sein“, sagte Wissing. Deshalb habe er Parteichef Christian Lindner „meinen Austritt aus der FDP mitgeteilt“.

Er wolle in keine andere Partei eintreten und sich auch nicht von den „Grundwerten“ der FDP distanzieren. Dies sei eine persönliche Entscheidung, die seiner Vorstellung von Verantwortung gerecht werde. „Ich möchte mir selbst treu bleiben.“ Der Regierung will Wissing künftig als Parteiloser angehören, wie er weiter mitteilte.

Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, nimmt an einem Pressestatement nach dem Bruch der Ampel-Koalition teil.
Verkehrsminister Volker Wissing bleibt auch nach dem Ampel-Aus im Amt und verlässt FDP. © Michael Kappeler/dpa

FDP-Austritt: Verkehrsminister Wissing verlässt Partei und bleibt im Amt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe ihn gefragt, ob er bereit sei, das Amt unter den neuen Bedingungen fortzuführen, sagte Wissing weiter. Er habe darüber nachgedacht und dies Scholz gegenüber bejaht. Zu seinen Beweggründen sagte Wissing, sein Vorgehen entspreche „meiner Vorstellung von Übernahme von Verantwortung“.

Er wolle sich treu bleiben, sagte Wissing, der bislang auch FDP-Landeschef in Rheinland-Pfalz war, zur Begründung. „Wir haben schwierige Zeiten“, erklärte der Verkehrsminister. Die Menschen seien verunsichert. Er appelliere „an alle“, in ihrer jeweiligen Funktion für die Demokratie „verantwortungsvoll“ zu handeln.

Bereits vor Ampel-Aus: Verkehrsminister Wissing gerät mit FDP-Parteichef Lindner aneinander

Wissing hatte sich Anfang November in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung für einen Verbleib der FDP in der Ampel-Koalition ausgesprochen. „Koalitionen sind nicht einfach. Regieren ist nicht einfach. Demokratie ist nicht einfach. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass es gemeinsam gelingt“, betonte der Verkehrsminister damals.

Am selben Tag war ein Lindner-Papier bekanntgeworden, in dem er eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik forderte – was den schon lange schwelenden Koalitionsstreit weiter anfeuerte. Einem Bericht der Bild zufolge ist Wissings Beitrag von FDP-Chef Christian Lindner scharf kritisiert worden.

Die Wissing-Erklärung im Wortlaut

Ich habe vergangene Woche meine Position zur Verantwortung in einer Regierungskoalition in einem Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ öffentlich gemacht, damit alle meine Position in dieser wichtigen Frage kennen. Parteiintern war meine Haltung allen seit langem bekannt. Nach dem gestrigen Koalitionsausschuss hat Herr Bundeskanzler mich in einem persönlichen Gespräch gefragt, ob ich bereit sei, das Amt des Bundesministers für Digitales und Verkehr unter den neuen Bedingungen fortzuführen. Ich habe darüber nachgedacht und dies gegenüber Herrn Bundeskanzler Scholz bejaht. 

Ich möchte mit dieser Entscheidung keine Belastung für meine Partei sein und habe deshalb heute Herrn Christian Lindner meinen Austritt aus der FDP mitgeteilt. Ich distanziere mich damit nicht von den Grundwerten meiner Partei und möchte auch nicht in eine andere Partei eintreten. Die Entscheidung ist eine persönliche Entscheidung von mir, die meiner Vorstellung von Übernahme von Verantwortung entspricht. Ich möchte mir selbst treu bleiben.

Verkehrsminister Wissing will bis zu den Neuwahlen Bahnsanierung vorantreiben

Wissing nannte als eine wichtige Aufgabe als Minister bis zu Neuwahlen die sogenannte Korridorsanierung bei der Bahn. Bis 2030 sollen besonders belastete Strecken grundlegend saniert werden. Mitte Juli hatte die Sanierung der ersten Strecke begonnen, die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Sie wird dafür bis Mitte Dezember komplett gesperrt. Ziel der Sanierungen ist es, dass die Bahn pünktlicher wird.

Der Minister hatte im September gesagt, er habe die Bahn zu seinem Amtsantritt 2021 in einem schwierigen Zustand vorgefunden, die Infrastruktur sei desolat gewesen. Der Bund habe der Bahn zusätzliche Milliarden zur Verfügung gestellt, gesetzliche Reformen zur Finanzierung des Schienennetzes umgesetzt. Es sei außerdem eine neue Infrastruktursparte gegründet worden.

In die Amtszeit Wissings fällt auch die Einführung des Deutschlandtickets im Nahverkehr. Das Ticket soll vom kommenden Jahr an 58 Euro pro Monat kosten und damit 9 Euro mehr als bisher, wie die zuständigen Verkehrsminister der Länder entschieden hatte. Die Länder fordern vom Bund seit langem generell mehr Geld für den Nah- und Regionalverkehr.

Union-Fraktionsvize wirft Wissing Versagen als Verkehrsminister vor

Kritik kam nach Wissings Entscheidung aus der Union. „Wissing muss weg“, sagte Union-Fraktionsvize Ulrich Lange der Deutschen Presse-Agentur. Der Verkehrsminister habe nichts auf die Beine gestellt, nur eine Bilanz des Scheiterns. „Die Bahn ist seit Jahren im Chaos, die Digitalisierung hängt, Automobilindustrie und Luftverkehr kehren Deutschland den Rücken“, so Lange weiter. Es sei eine bodenlose Frechheit, dass Wissing in dieser Lage Minister bleiben wolle. „Mal abgesehen von seinem Versagen als Verkehrsminister ist es auch ein charakterloser Loyalitätsbruch gegenüber seiner ihn tragenden FDP.“ (cs/dpa/AFP)

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