Das Franz Liszt Symphonieorchester Sopron setzt europäische Akzente
Das Franz Liszt Symphonieorchester Sopron hält im vierten Meisterkonzert die europäische Kulturlandschaft zusammen.
Kempten – Was sind Sie für ein Musiktyp? Hören Sie gerne Neues und Ungewohntes, sind Sie neugierig auf neue Klänge, weil sie neue Stimmungen und Ideen in Ihnen erzeugen? Oder gefällt es Ihnen, wenn Sie Gewohntes in einem neuen Kleid sehen, wenn Bekanntes in ungewohnten und ungewöhnlichen Kombinationen zusammenkommt? Möchten Sie einfach gut unterhalten werden durch Musik, weil das Ihren inneren Frieden stärkt oder lieben Sie das Gefühl, wenn Nie-Gehörtes neue Seelenlandschaften in Ihnen erzeugt oder auch nur ein neues Zimmer mit Aussicht?
Der geborene Sachse Tristan Schulze – in Kempten haben wir das nun schon mehrfach erfahren – ist der solide Tischler, der ganz in der Tradition seiner Handwerkskunst exakt und einfallsreich schöne „Möbel“ baut, die sich jede und jeder in sein Wohnzimmer stellen würde. Sein Konzert für Violoncello und Blechbläserquintett ist so ein „Möbel“. Keiner kann sagen, es ist altmodisch, weil es einfach so originell und kunstvoll virtuos in seinen vielen Details erscheint. Und – selbst wenn es altmodisch wäre, hätten wir keine Angst um Tristan Schulze, er versteht es, seine „Möbel“ zu verkaufen.
Bei jedem Konzert wird ein Werk von einer Komponistin aufgeführt
Die ungarische Komponistin Judit Varga kennen wir nicht persönlich, aber nach diesem Konzert wissen wir, dass sie es mit großer Kreativität versteht, durch ganz ungewöhnliche Klänge, die sie einem Orchester vorgibt, Erstaunen und Interesse in uns zu wecken. Wir ahnten es, aber nun bekommen wir es vorgeführt, dass viel mehr Möglichkeiten im Zusammenspiel von perfekt ausgebildeten Musikerinnen und Musikern steckt als in unserem CD-Schrank voller Vivaldis, Beethovens und Mozarts. Ob die Aussicht aus dem neuen Zimmer nun den Blick auf isländisches Moos freigibt („Mosar II“ heißt ihr Werk) oder andere geografische oder fiktive Landschaften, bleibt unserer Phantasie und unserem Verstand überlassen. Das Wichtige ist, wir blicken weiter.

Sprechen wir über die Musikerinnen und Musiker des vierten Meisterkonzerts im Kemptener Stadttheater. Das Franz Liszt Symphonieorchester Sopron, seinen künstlerischen Leiter Péter Kóczán, Dorottya Standi am Cello und Marisol Montalvo mit ihrer Sopranstimme. Hat man ihnen nicht wie immer durch die vielen Notenständer und Noten ein Korsett vorgegeben, aus dem es keine Möglichkeit gibt auszubrechen? Ist nicht die ganze klassische Musik zu starr und unflexibel, um Emotionen in Echtzeit zu transportieren? Nach diesem Konzert wissen wir, nicht ganz, denn – um nur ein Beispiel zu nennen – die Glissandi in Judit Vargas Komposition können gar nicht exakt notiert werden, sie entspringen der Stimmung des Augenblicks, der aktuellen Umgebung, dem Zwiegespräch zwischen Dirigent und Orchester. Und macht es nicht etwas mit unserem Hören der folgenden Musik, wenn ein Deutsch sprechender, sympathischer und zurückhaltender ungarischer Dirigent wie Péter Kóczán gleich zu Beginn des Konzerts die deutsche und inzwischen europäische „Ode an die Freude“ ansagt?
Mit Mahlers vierten Symphonie Herz und Verstand des Publikums erreicht
Im zweiten Teil des Konzerts kam mit der vierten Symphonie des Österreichers Gustav Mahler noch einmal alles auf den Punkt: Ein gut gewähltes Werk mit ungemein vielen Facetten von der beschwingten Unterhaltung (der erste Satz erinnert zuweilen an ein Johann-Strauß-Stück), tiefschürfender und doch anregender Klassik im zweiten und dritten Satz, im vierten Satz der flirrende und poetische Liedsatz. So wie Mahler in diesem Werk Tradition mit der Moderne in der Musik auf eine sehr zugängliche Weise verbindet, so schafften es Péter Kóczán und sein Orchester mit diesem Stück, die Verbindung zu Herz und Verstand des Publikums zu erzeugen und hinterlassen so mit diesem Konzertabend auch ohne weitere Zugabe einen bleibenden Eindruck in Kempten.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.