Die Ersten in Bayern: Pilotprojekt „Quartierpflege“ startet in Erpfting
Niemand will ins Altersheim. Damit Seniorinnen und Senioren so lange wie möglich im eigenen Zuhause bleiben können, gibt es das Konzept der Quartierpflege. Erpfting setzt das Konzept jetzt um.
Erpfting - Eine pflegerische Grundversorgung mithilfe der Nachbarschaft, und zwar nicht auf ehrenamtlicher Basis, sondern gegen Bezahlung – das ist, kurz gesagt, die Idee der Quartierpflege. Erpfting ist Pilotstandort für das Konzept, das älteren und pflegebedürftigen Menschen ermöglichen soll, weiterhin selbstbestimmt in ihrer gewohnten Umgebung zu leben und trotz des in der professionellen Pflege herrschenden Fachkräftemangels gut versorgt zu sein.
Die Ersten in Bayern: Erpfting baut auf einer guten Basis auf
Bereits seit Anfang des Jahres laufen die Vorbereitungen, im Januar soll es losgehen. Man habe die vergangenen Monate darauf verwendet, die finanziellen, personellen und strukturellen Grundlagen zu schaffen, berichtete OBin Doris Baumgartl vor zahlreichen Interessierten im Sportheim.
Unter dem Motto „Gemeinsam stark in Erpfting“ waren Pflegebedürftige, Angehörige und Nachbarn zu einer Informationsveranstaltung eingeladen worden, bei der alle maßgeblichen Akteure zu Wort kamen. Neben Baumgartl waren dies Florian Kiel, Vorsitzender der Gesellschaft für Gemeinsinn e.V. und Initiator der Quartierpflege, Pajam Rais-Parsi von der Koordinationsstelle Seniorenpolitisches Gesamtkonzept des Landkreises, Natalie Kauth vom gleichnamigen ambulanten Pflegedienst in Igling sowie die drei Frauen, die durch ihr Engagement die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass Senioren in Erpfting nun als erste im Freistaat in den Genuss der Quartierpflege kommen können: Irene Bleicher, Sissy Kratzer und Annemarie Rötzer.
Die Drei legten im April 2018 den Grundstein für eine Nachbarschaftshilfe, aus der inzwischen der Verein „Wir in Erpfting“ geworden ist. Angeboten – und gut angenommen – werden zahlreiche Begegnungsmöglichkeiten für Senioren sowie neuerdings auch Alltagsbegleitung. Irene Bleicher ist mittlerweile als Seniorenmanagerin im Auftrag der Stadt in Erpfting tätig. Die Nachbarschaftshilfe erbringt keine pflegerischen Tätigkeiten, hat aber bereits ein umfangreiches Netzwerk geschaffen, auf das die Quartierpflege nun aufsetzen kann. „Sie haben uns ein ganz dickes Sprungbrett gebaut“, sagte Florian Kiel.
Pilotprojekt Quartierpflege in Erpfting: ein Netzwerk bauen
Ziel ist es, innerhalb von fünf Jahren für 100 Menschen mit Unterstützungsbedarf Netzwerke aus 300 bis 500 Nachbarn und Nachbarinnen aufzubauen, die Sorge-, Hauswirtschafts- und Grundpflegeleistungen übernehmen. Bezahlt werden die Leistungen aus der Pflegekasse. Möglich ist eine Mitarbeit in Vollzeit, Teilzeit oder auch nur in geringem zeitlichem Umfang. „Es gehen auch drei oder vier Stunden pro Woche“, erklärte Florian Kiel. „Wir wollen, dass jede Person mitmachen kann.“ Eventuell werde aus einem Helfer eines Tages eine professionelle Pflegekraft, sofern das Interesse an einer entsprechenden Ausbildung erwache. In jedem Fall aber steige das Hilfskräftepotenzial.
Das Konzept ermöglicht es professionellen Pflegediensten, sich auf medizinische Behandlungspflege und Wundversorgung zu konzentrieren. Profis wie Natalie Kauth sind begeistert von dem Projekt, denn die Grundpflege sprenge mittlerweile den Rahmen dessen, was die Fachkräfte leisten können. Dass die Situation sich nicht verbessern wird, ist bekannt. Bereits in fünf Jahren würden mehr Pflegekräfte in Rente gehen als neue nachkommen, berichtete Pajam Rais-Parsi. „Wenn wir nichts verändern, droht eine handfeste Katastrophe.“
Hilfe von Prinz und Prinzessin von Bayern
Um als ambulanter Dienst bei den Pflegekassen zugelassen zu werden, muss eine Pflegedienstleitung eingestellt werden. Derzeit laufen die Bewerbungsgespräche. Interessierte, die als Helfer mitarbeiten möchten, können sich direkt an Seniorenmanagerin Irene Bleicher, Koordinatorin Katharina Wilke oder den Verein Wir in Erpfting wenden. Später sollen Bedarfe auch auf der Homepage der Quartierpflege ausgeschrieben werden, erklärte Kiel auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum.
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Prominente und auch finanzielle Unterstützung erhält das Erpftinger Projekt von der Stiftung Hilfsverein Nymphenburg unter dem Vorsitz von Ludwig Prinz von Bayern. Dessen Ehefrau Sophie war eigens zur Infoveranstaltung nach Erpfting gekommen, um mehr über die Quartierpflege zu erfahren. „Ich gratuliere zu dieser unglaublichen Initiative“, sagte Sophie von Bayern. Auch der Hilfsverein wolle sich für die Unterstützung älterer Menschen einsetzen. Die Quartierpflege Erpfting werde in diesem Bereich das erste Projekt sein, das man fördern werde.
Mehr Informationen sowie die Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen, gibt es unter www.quartierpflege.de.
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