Neue Studie findet Risikofaktoren für psychische Krankheiten: Uralte Viren im Erbgut

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Uralte Viren in unseren Genen galten als „DNA-Müll“. Doch die Retroviren sind aktiver als gedacht – und könnten bei Krankheiten wie Depressionen eine Rolle spielen.

London – Ob jemand eine psychische Krankheit entwickelt oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Corona-Pandemie etwa sorgte für einen rapiden Anstieg, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) feststellte. Eine neue Studie zeigt nun, dass auch alte Viren in unserer DNA ein Risikofaktor für eine psychische Erkrankung sein können. Das könnte die Forschung zur psychischen Gesundheit revolutionieren.

Verborgene Risiken in der DNA: Millionen Jahre alte Retroviren

Spätestens seit Corona sind die verschiedenen Übertragungswege von Viren bestens bekannt: über die Luft oder via Tröpfcheninfektion etwa. Sogenannte humane endogene Retroviren, kurz HERVs, hingegen sind uralte Viren, die von Generation zu Generation über das menschliche Genom weitergegeben werden. Bemerkenswert ist ihr Alter: Studien legen nahe, dass die Mehrzahl der sogenannten Einfügungen von HERV in die menschliche DNA-Sequenz vor etwa 1,2 Millionen Jahren stattfand.

„Bis vor kurzem ging man davon aus, dass diese ‚fossilen Viren‘ einfach nur DNA-Müll sind und im Körper keine wichtige Funktion haben“, berichten die Forscher rund um Rodrigo Duarte vom King‘s College, deren Studie nun bahnbrechende neue Erkenntnisse zutage brachte.

Das Humangenprojekt hatte bereits enthüllt, dass etwa acht Prozent unserer Gene von Retroviren stammen. Wie die Ende Mai im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie offenbarte, könnten diese alten Viren aber weiterhin aktiv sein. Und sogar psychische Krankheiten wie Depressionen, bipolare Störungen oder Schizophrenie auslösen. Dass psychische Störungen eine beträchtliche genetische Komponente haben, war Wissenschaftlern zwar bereits klar. Doch das Forscherteam um Rodrigo Duarte vom King‘s College in London konkretisierte die Risikofaktoren nun.

Psychische Erkrankungen können verschiedene Ursachen haben. Eine Studie gibt neue Einblicke (Symbolbild)
Psychische Erkrankungen können verschiedene Ursachen haben. Eine Studie gibt neue Einblicke (Symbolbild) © IMAGO/Zoonar.com/Berit Kessler

Retroviren im Gehirn: „Potenzial, die Forschung zur psychischen Gesundheit zu revolutionieren“

Die Forschenden entnahmen aus 792 Gehirnen postmortal Genmaterial und analysierten zudem Daten aus großen genetischen Studien mit Zehntausenden Menschen mit und ohne psychische Erkrankungen. Durch den Abgleich mit einer Genom-Datenbank konnten die Wissenschaftler feststellen, welche der aktiven Gene dieser Menschen einen viralen Ursprung hatten.

Von diesen ordneten die Forschenden fünf „als HERVs mit hohem Risiko“ ein. Zwei der Retroviren sind demnach spezifisch für Schizophrenie, einer steht im Zusammenhang mit dem Risiko sowohl für bipolare Störungen als auch für Schizophrenie und ein weiterer ist signifikant bei schwerer Depression. Die Studie lieferte hingegen keine Hinweise, dass Retroviren auch ein Risikofaktor für eine ADHS- oder Autismus-Störung sein könnten.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass diese Virussequenzen im menschlichen Gehirn wahrscheinlich eine wichtigere Rolle spielen als ursprünglich angenommen“, sagte einer der Studienautoren, Timothy Powell über die Ergebnisse. „Wir glauben, dass ein besseres Verständnis dieser alten Viren und der bekannten Gene, die an psychiatrischen Störungen beteiligt sind, das Potenzial hat, die Forschung zur psychischen Gesundheit zu revolutionieren und zu neuen Behandlungs- oder Diagnosemethoden für diese Erkrankungen zu führen“, kommentierte Douglas Nixon, ein weiterer Co-Autor der Studie. Um die Funktion der HERVs besser zu verstehen, sind weitere Untersuchungen erforderlich.

Indes gelang ein Durchbruch in der Long-Covid-Forschung. Forscher fanden die Ursache für den tückischen „Brain Fog“.

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