Haben Sie es schon einmal erlebt, dass jemand über Ihnen wohnt und so laut auftritt, dass bei Ihnen die Gläser in der Vitrine wackeln? Oder dass Sie schon am Knarzen der Treppenstufen hören, ob Ihr Partner nach Hause kommt? Willkommen in der faszinierenden Welt des Gangs, einer Körpersprache, die wir ständig wahrnehmen, aber selten bewusst deuten.
Während manche Menschen schwerfällig durch die Gegend stampfen wie ein Elefant im Porzellanladen, gleiten andere fast schwerelos dahin. Der Gang ist so individuell wie ein Fingerabdruck und verrät mehr über Persönlichkeit, Emotionen und sogar Sicherheit, als man denkt.
Joern Kettler ist Wirtschaftspsychologe, Mimik-Analyst und Bestsellerautor. Als Körpersprachen- und Lügenexperte begeistert er seit über 25 Jahren mit präzisen Analysen und klaren Botschaften. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Was der Gang über Emotionen verrät
Forscher haben den Gang in seine Einzelteile zerlegt. Vier Merkmale sind besonders wichtig:
Ganggeschwindigkeit
Freude, Ärger oder Angst lassen uns schneller laufen
Trauer, Langeweile oder Müdigkeit verlangsamen uns.
Schrittlänge
Stolz oder Ärger? Die Schritte werden länger und energischer.
Traurigkeit? Sie wird sichtbar durch kleine, schleppende Schritte
Armschwung
Gut gelaunt? Die Arme schwingen locker mit.
Traurig oder erschöpft? Die Arme hängen wie Blei seitlich am Körper
Fußgewicht
Ärger stampft. Freude federt. Ein leichter Schritt wirkt dynamisch, ein schwerer Schritt drückt Belastung aus.
Kurz gesagt: Der Gang ist ein emotionales Barometer.
Die dunkle Seite: Der Gang als Signal für Angreifer
Ein faszinierender, aber auch provokanter Aspekt: Ihr Gang entscheidet mit, ob Sie als potenzielles Opfer wahrgenommen werden. Johnston (2013) beschreibt, dass Täter nicht nach Größe oder Alter suchen, sondern nach Gangart.
- Leicht-anzugreifen-Gang: langsamer, kurze Schritte, kaum Armschwung, steif wirkende Bewegung.
- Schwer-anzugreifen-Gang: schneller, große Schritte, deutlicher Armschwung, insgesamt schwungvoll.
Die gute Nachricht: Studien zeigen, dass man sich durch Training bewusst einen „stärkeren“ Gang aneignen kann und dadurch weniger angreifbar wirkt. Anders gesagt: Wer läuft wie ein Opfer, wird als solches gesehen. Wer läuft wie ein Löwe, wird auch so behandelt.
Die Rolle der Arme – unterschätzt, aber entscheidend
Beim Gehen bewegen wir unsere Arme meist unbewusst. Doch diese Pendelbewegung hat einen Sinn: Sie spart Energie und stabilisiert den Körper. Die Forscher Collins, Adamczyk & Kuo (2009) und Ortega et al. (2008) zeigten, dass Menschen beim Gehen mit Armschwung weniger Energie verbrauchen als ohne.
Oder anders: Wer mit hängenden Armen durch die Gegend schlurft, sieht nicht nur deprimiert aus, er macht das Gehen auch unnötig anstrengend.
Persönlichkeit und Gang
Der Gang kann sogar mit Persönlichkeitstendenzen zusammenhängen. Studien fanden Hinweise darauf, dass schnelle Geher tendenziell als selbstbewusster, gesünder und sogar intelligenter wahrgenommen werden. Langsameres Gehen hingegen wird häufiger mit Unsicherheit oder Introversion assoziiert.
Natürlich heißt das nicht: „Langsam gehen = schwacher Charakter.“ Aber es zeigt, dass unser erster Eindruck stark durch die Art des Gehens geprägt wird.
Tipps für Ihren Alltag – so machen Sie mehr aus Ihrem Gang
Trainieren Sie Ihren Auftritt
Gehen Sie bewusst mit etwas längeren Schritten, aufrechter Haltung und lockerem Armschwung. Das wirkt selbstbewusst – und spart Energie.
Nutzen Sie den Gang als Booster für Ihre Stimmung
Wenn Sie schlecht drauf sind, gehen Sie absichtlich schneller und mit mehr Schwung. Fawver et al. (2014) zeigten, dass Emotionen unseren Gang beeinflussen – aber auch umgekehrt. Ein energischer Gang kann also Ihre Stimmung pushen.
Schützen Sie sich durch Körpersprache
Denken Sie daran: Täter achten nicht auf Ihre Schuhgröße, sondern auf Ihre Körpersignale. Ein kraftvoller, flüssiger Gang signalisiert: „Mit mir lieber nicht.“
Arme mitnehmen!
Vergessen Sie nicht den Armschwung – er macht den Gang effizienter und vermittelt Dynamik. Stellen Sie sich vor, Sie wären Ihr eigener Taktgeber.
Selbst-Check
Beobachten Sie sich bewusst: Wirkt Ihr Gang eher schlurfend oder energisch? Schon kleine Anpassungen (Schrittlänge, Haltung, Blick nach vorne) verändern den Eindruck enorm.
Fazit: Ihr Gang ist mehr als Fortbewegung. Er ist eine Visitenkarte, die andere blitzschnell lesen, egal ob Kollegen, Freunde oder potenzielle Angreifer. Studien zeigen: Tempo, Schrittlänge, Armschwung und Energie verraten viel über Emotionen, Persönlichkeit und Selbstsicherheit.
Die provokante Wahrheit: Wer schlurft, signalisiert Schwäche. Wer dynamisch geht, wirkt respektabler, selbstbewusster und schwerer angreifbar.
Also: Das nächste Mal, wenn Sie durch die Stadt laufen, machen Sie sich bewusst, dass jeder Schritt eine Botschaft ist. Entscheiden Sie selbst, ob Sie wie ein Opfer oder wie ein Boss auftreten wollen.
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Bildquelle: Joern Kettler
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