„Was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?“ – Lindner kritisiert Schuldenpläne scharf
Der scheidende FDP-Chef hat für das geplante Finanzpaket und den Sinneswandel von Merz kein Verständnis: Die Schuldenbremse schütze künftige Generationen.
Berlin – Der abgewählte Bundestag hat über die enormen Schuldenpläne von Union und SPD beraten. Und auch der frühere Finanzminister Christian Lindner trat noch einmal ans Rednerpult. Der FDP-Politiker hielt dem wahrscheinlichen künftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) vor, seine Überzeugungen für das Amt zu opfern. Merz habe plötzlich eine ganz andere wirtschaftspolitische Haltung als noch vor der Bundestagswahl. „Sie hier vorne in der ersten Reihe: Wer sind Sie? Und was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?“, fragte Lindner.
Lindner warnte CDU und CSU: „Sollte die Billionenwende der deutschen Politik das ökonomische Fundament unseres Landes beschädigen, dann trägt dafür alleine die Union die Verantwortung, denn sie hat es vorher besser gewusst.“ Mit Blick auf den Wahlsieger Merz und SPD-Chefin Saskia Esken fügte er hinzu: „Die Menschen haben Merz gewählt und Esken bekommen.“
Wegen Diskussion über Schuldenbremse: Ampel-Koalition bereits an Bundeshaushalt gescheitert
Zu seiner Zeit in der Ampel-Koalition sagte Lindner, er habe sich als Finanzminister fast drei Jahre „solchen Ansinnen von SPD und Grünen entgegengestellt“. Auch daran sei die Ampel-Koalition am Ende gescheitert. „Die Merz-Union hat nicht einmal zwei Wochen durchgehalten.“ Die „Charakterfrage der Politik“ sei: „Opfert man Ämter für seine Überzeugung oder opfert man seine Überzeugung für Ämter?“
Und nicht nur Lindner nutzte die Zusammenkunft des alten Bundestags, um Merz zu kritisieren. Der Linken-Politiker Christian Görke nannte das geplante Finanzpaket eine „wahnsinnige Flatrate für das größte Aufrüstungsprogramm“, das die Bundesrepublik je erlebt habe. BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht sprach von einem „grenzenlosen schuldenfinanzierten Aufrüstungsrausch“ und „unbegrenzte(n) Kriegskredite(n) für einen neuen deutschen Militarismus“.
Kredite ohne Grenzen: Alter Bundestag diskutiert über Schuldenpläne von Union und SPD
Hintergrund: Zweieinhalb Wochen nach der Bundestagswahl hat sich der alte Bundestag in einer intensiven Debatte mit den gewaltigen Schuldenplänen von Union und SPD beschäftigt. Eine Verabschiedung, die für kommenden Dienstag geplant ist, ist aber weiterhin offen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für die geplanten Grundgesetzänderungen steht weiterhin nicht. Außerdem könnte das Bundesverfassungsgericht das Vorhaben noch stoppen.
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Union und SPD verteidigten die Pläne für eine massive Kreditaufnahme für Verteidigung und Infrastruktur und begründeten das mit einer angespannten Sicherheitslage. CDU-Chef Merz bot den Grünen, auf deren Zustimmung CDU, CSU und SPD angewiesen sind, an, Gelder aus dem geplanten 500 Milliarden Euro großen Infrastruktur-Sondervermögen auch in Klimaschutz zu investieren und die Schuldenbremse nicht nur für Verteidigung zu lockern, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste.
Die Grünen wiesen das Angebot umgehend zurück und beschwerten sich heftig über die Verhandlungsführung von Union und SPD. Redner von AfD, Linken und BSW lehnten die Pläne zur Änderung des Grundgesetzes grundsätzlich ab und sprachen von „Aufrüstung“ und „Kriegskrediten“.
Merz verteidigt Vorhaben: Aufgrund des Ukraine-Kriegs müsse Verteidigungsfähigkeit erhöht werden
Merz sagte, das Vorhaben dulde keinen Aufschub mehr. „Wir müssen jetzt etwas tun, um unsere Verteidigungsfähigkeit deutlich zu erhöhen.“ Er verwies auf den Krieg in der Ukraine, die Entwicklungen in den USA, Angriffe auf die deutsche Infrastruktur oder Drohnenüberflüge über Bundeswehrkasernen. Es finde ein hybrider Krieg statt, der in den vergangenen Wochen massiv eskaliert sei.
An die Grünen gerichtet sagte er mit Blick auf sein zuvor unterbreitetes Angebot, dass damit Deutschland nicht nur bei der Verteidigung, sondern auch bei der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und beim Klimaschutz einen großen Sprung nach vorn machen könne. „Was wollen Sie noch mehr?“
Grüne kritisieren Merz Verhandlungsfähigkeiten: „Unzureichende“ Angebote gehörten nicht auf die Mailbox
Die Zustimmung ihrer Fraktion stehe infrage, bekräftigte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. „Das ist mit dem heutigen Tage nicht besser geworden“, sagte sie und äußerte Zweifel „am Verhandlungsgeschick mancher Kollegen“. Seit Tagen gebe es Gespräche. „Aber Angebote an unzureichende Gesetzentwürfe macht man weder über die Mailbox noch im Plenum, wenn man will, dass sie Erfolg haben.“

Zum Beginn der Sitzung scheiterte die AfD mit einem Antrag, die Debatte zu verhindern. Die AfD klagt neben der Linken und BSW-Vertretern auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, um die Verabschiedung des Schuldenpakets noch zu stoppen. Aus ihrer Sicht habe der alte Bundestag, der nun noch einmal zusammengetrommelt wurde, nicht mehr die Legitimität, solche weitreichenden Entscheidungen zu treffen.
AfD-Chefin Alice Weidel warf Merz den Bruch von Wahlversprechen vor. „Sie werden in die Geschichte eingehen als der Totengräber der Schuldenbremse, die Sie im Wahlkampf noch so vehement wie verlogen verteidigt haben.“ Ähnlich sieht es auch Lindner: „Wir sind im politischen Niemandsland zwischen altem und neuem Parlament“, sagt er. Im vorliegenden Änderungsentwurf des Grundgesetzes, so Lindner, werde die Schuldenbremse bis zur Wirkungslosigkeit gelockert (bg/dpa).