Verpatzte E-Auto-Wende in Deutschland: Neue Studie deckt wahren Gründe auf
Eine Studie zeigt, warum Deutschland den Anschluss bei der E-Mobilität verliert. Es werden deutliche Handlungsempfehlungen ausgesprochen.
Duisburg – Das abrupte Ende des Umweltbonus Ende 2023 hat der Elektromobilität in Deutschland offenbar stärker als erwartet geschadet. Dies geht aus der Studie „Elektromobilität am Wendepunkt – Notwendige Entwicklungen bis Ende 2025 zur Wiederherstellung einer positiven Perspektive“ des Center Automotive Research (CAR) hervor. Sie basiert auf Branchenanalysen, politischen Strategiepapieren, wissenschaftlichen Studien und Medienberichten.
Verpatzte E-Auto-Wende in Deutschland: Auf dem Privatmarkt sind Preis und Betriebskosten entscheidend
Laut der Analyse ging der Absatz rein elektrisch betriebener Autos (BEV) in Deutschland im Jahr 2024 um über 27 Prozent auf 380.609 Fahrzeuge zurück. Besonders dramatisch war die Lage im Privatmarkt: Hier halbierte sich die Zahl der Zulassungen von 170.000 auf 92.000 Fahrzeuge fast. Hintergrund ist vor allem der Wegfall des staatlichen Kaufanreizes, der vor allem für das preissensible Privatkundensegment von Bedeutung war.
Im folgenden Jahr reagierten Hersteller mit starken Preisnachlässen von bis zu 20 Prozent und attraktiven Leasingangeboten, was zu steigenden Zulassungszahlen führte. Allerdings wird die Marktdynamik derzeit noch stark durch gewerbliche Zulassungen getragen. Auf lange Sicht ist jedoch der Privatmarkt entscheidend. Und hier „bestimmen vor allem Preis und Betriebskosten über den Kauf – nicht Ideologie“, heißt es in der CAR-Studie.
Verpatzte E-Auto-Wende in Deutschland: Staatliche Förderung war nicht zielgerichtet
Allerdings ging die staatliche Förderung, als es sie noch gab, aus Sicht der Studienautoren teilweise am Bedarf vorbei. Vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen konnten nicht davon profitieren. Die durchschnittliche Förderung von 4.100 Euro reichte nicht aus, um die Preisunterschiede zu konventionellen Fahrzeugen zu kompensieren.
Dabei sind gerade diese preissensitiven Haushalte für eine flächendeckende Mobilitätswende von großer Bedeutung. Die Förderung von preisgünstigeren Modellen bis 25.000 Euro würde demnach zu einer Absatzsteigerung von 27 Prozent führen, im oberen Preissegment über 45.000 Euro sind es nur rund neun Prozent.

Verpatzte E-Auto-Wende in Deutschland: Mangelndes Vertrauen und Defizite in Ladeinfrastruktur
Ein weiteres Hindernis für den Durchbruch der Elektromobilität ist laut einer Studie auch das mangelnde Vertrauen. Demnach haben 70 Prozent der Führerscheininhaber noch nie ein BEV gefahren. Diese fehlende Alltagserfahrung „hemmt die emotionale wie rationale Kaufbereitschaft“. Um diese Erfahrungslücke zu schließen, werden niedrigschwellige Formate wie Probefahrten, Carsharing oder E-Dienstwagen empfohlen. Denn wer den Praxistest gemacht hat, bewertet BEVs deutlich positiver.
Auch beim Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos sieht die Analyse Defizite. Zwar wurde in den letzten Jahren viele gebaut, zum 1. Mai 2025 gab es in Deutschland aber nur 166.876 öffentliche Ladepunkte, 70.000 mehr als zwei Jahre zuvor. Damit kommt hierzulande nur ein Ladepunkt auf 17,3 E-Autos, in den Niederlanden sind es 6,4. Vor allem in ländlichen Räumen gibt es zu wenige Ladepunkte. Als Ursache werden eine ineffiziente Umsetzung – bedingt durch bürokratische Hürden – gesehen.
Verpatzte E-Auto-Wende in Deutschland: Nachbarländer machen es besser
Ein Blick auf unsere Nachbarländer zeigt, dass es auch anders geht. So erreichen Elektroautos in Norwegen aufgrund von Steuerbefreiungen und Privilegien wie Mauterlässe mittlerweile einen Anteil von 25 Prozent an den gesamten Pkw-Bestand. Dänemark verfolgt ein langfristig angelegtes, differenziertes Steuersystem für BEVs. Frankreich kombiniert Klimaziele mit Sozialpolitik: Einkommensschwachen Haushalten soll der Umstieg auf E-Mobilität erleichtert werden. In den Niederlanden bringen ein staatlich-kommunaler Ladeausbau und Subventionen die Elektromobilität voran.
Nicht alle Maßnahmen lassen sich auf Deutschland übertragen. Die Studie empfiehlt deshalb einen Mix aus einer sozial gezielten Förderung nach französischem Vorbild, kombiniert mit einem koordinierten Infrastrukturausbau wie in den Niederlanden und fiskalischen Impulsen wie in Norwegen.
Verpatzte E-Auto-Wende in Deutschland: Auch Autobauer unter großem Druck
Auch die deutschen Autobauer stehen vor großen Herausforderungen. Die Studie macht das am Beispiel VW deutlich. Der Gewinn der Pkw-Sparte ist im ersten Quartal 2025 um 85 Prozent eingebrochen. Ursachen hierfür sind unter anderem CO₂-Rückstellungen, Marktverluste in China, drohende US-Zölle und strukturelle Schwächen in der Software.
Hinzu kommt, dass chinesische Anbieter wie BYD oder Geely auf dem Vormarsch sind. Zwar blieben die Absatzzahlen chinesischer Marken in der EU im Jahr 2024 noch hinter den Erwartungen zurück, doch dieser Rückstand dürfte durch eine Professionalisierung in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service bald aufgeholt werden.
Verpatzte E-Auto-Wende in Deutschland: Dauerhafter Verlust der internationalen Führungsrolle droht
Das Fazit der Studie lautet, dass Deutschland Gefahr läuft, im globalen Wettbewerb um die Elektromobilität den Anschluss zu verlieren – nicht aus technologischen Gründen, sondern aufgrund fehlender industriepolitischer Konsequenz und mangelnder gesellschaftlicher Unterstützung. Ohne eine Kurskorrektur, so die Befürchtung der Studienautoren, droht die deutsche Automobilbranche ihre internationale Führungsrolle dauerhaft zu verlieren.
Als Maßnahmen empfiehlt die Studie zusammenfassend:
- Sozial zielgerichtete Förderung von E-Autos
- Beschleunigter Ausbau der Ladeinfrastruktur
- Förderung günstiger Einstiegsmodelle (< 25.000 €)
- Lokalisierung von Produktion zur Risikoabsicherung
- Vertrauensstiftende Kommunikation auf EU-Ebene
- Strategische Investitionen in die Batterieindustrie.