Merz-Plan für Arbeitszeiten sorgt für Ärger auf dem Bau – „Kann nur den Kopf schütteln“
Die Stimmung in der Baubranche ist angespannt. Dazu tragen Merz und sein Kabinett bei, wenn sie von neuen Arbeitszeitregeln und Rente ab 70 sprechen.
Berlin – Es gibt ihn in Deutschland seit über 100 Jahren: den 8-Stunden-Tag. Er wurde 1918 mit dem Ende der Monarchie gesetzlich eingeführt und vor rund 30 Jahren in seiner heutigen Form als Arbeitszeitgesetz festgeschrieben: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“
Man könnte sagen, der 8-Stunden-Tag ist durch diese Klausel bereits recht flexibel. Nicht flexibel genug für Bundeskanzler Friedrich Merz und die Regierung aus CSU, CDU und SPD. Sie haben im Koalitionsvertrag festgehalten, den 8-Stunden-Tag in seiner jetzigen Form abzuschaffen. Für Arbeitnehmer in der Baubranche sind die Bestrebungen ein fatales Zeichen.
Merz will 8-Stunden-Tag abschaffen: „Kinder schon am Schlafen, wenn man mit der Arbeit fertig ist.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte bereits im Juli angekündigt, sich gegen das Vorhaben der Koalition zu stemmen. „Über Aussagen, wie ‚die Leute hierzulande arbeiten zu wenig‘, kann ich nur den Kopf schütteln“, sagt Klaus Brunken aus Krefeld in einem Gespräch mit dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Der 60-Jährige arbeitet als Hochbaupolier im Ingenieur-Baubetrieb Karl-Heuck, ist Teil des Betriebsrates und Mitglied in der IG Bau.
Die Arbeitszeitregelung sei aktuell recht gut und man habe ja bereits die Möglichkeit, zehn Stunden zu arbeiten. „Jetzt soll es auf eine flexible Stundenregelung hinauslaufen. Das halte ich allein aufgrund der fehlenden Kontrollmöglichkeit für schwierig“, so Brunken. Eine Arbeitszeiterfassung wolle man in Reihen der Arbeitgeber „partout“ nicht. Werde an der jetzigen Arbeitszeitregelung gerüttelt, dann werde es „vielleicht eher so wie früher, wo die Kinder schon am Schlafen sind, wenn man mit der Arbeit fertig ist.“
IG-Bau-Gewerkschaftler verärgert über Merz‘ Bestreben: „Es steht schon so viel Mehrarbeit an“
Ähnlich sieht das Markus Pohlmann aus Magdeburg, Betriebsratsvorsitzende bei Strabag, einem der größten europäischen Bauunternehmen. „Unsere Kollegen sind an der Leistungsgrenze“, erklärt der Betriebsrat unserer Redaktion. Wenn Bundeskanzler Merz davon spreche, dass mehr gearbeitet werden solle, könne der Betriebsrat nur sagen: „Es steht schon so viel Mehrarbeit an und wir arbeiten bereits nicht unbedingt im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes.“ Dem Anstoß, das Arbeitszeitgesetz aufzuweichen, müsse Einhalt geboten werden, so Pohlmann.
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Wie repräsentativ die Arbeitnehmer-Meinung zu den Plänen von Regierung und Merz ist, hat eine Umfrage des Gewerkschaftsbundes gezeigt. 98 Prozent wollen demnach nicht länger als zehn Stunden pro Tag arbeiten. Auf die Frage, um wie viel Uhr Angestellte ihren Arbeitstag beenden würden, wenn sie selbst entscheiden könnten, antworteten 95 Prozent: um 18 Uhr.
Renten-Aussichten bereiten Arbeitnehmern in Deutschland Sorge
Aber nicht nur Aussichten auf das Arbeitszeitgesetz und fehlende Perspektiven auf eine digitale Zeiterfassung sorgen für Frustration. „Der Lohn wird durch die steigenden Lebenshaltungskosten geschluckt. Und mit Blick auf meine Rente kommen die Existenzängste schon mal auf den Tisch“, sagt Pohlmann.
Hochbaupolier Brunken aus Nordrhein-Westfalen plagen ähnlich Gedanken: „Wenn von einem Renteneintritt ab 70 gesprochen wird, dann mache ich mir schon Sorgen. Das wird mich nicht betreffen, aber die weiteren Generationen.“