Kanzler baut sich Rampe - Warum Scholz von der Kriegsangst der Deutschen profitieren könnte

Deutschland hat insgesamt Militärhilfen in Höhe von 28 Milliarden Euro für die Unterstützung der Ukraine bereitgestellt. Die Liste der militärischen Ausrüstung ist lang, darunter Leopard-Kampfpanzer, Verteidigungssysteme Patriot und IRIS-T.

Wenn man sich daran erinnert, wie sich noch vor rund zwei Jahren die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für die Lieferung von 5000 Helmen rühmte, sieht man: Ja, die Zeitenwende hat es wirklich gegeben.

Und gleichzeitig sagt Bundeskanzler Olaf Scholz bei jeder neuen Waffe, die auf der Wunschliste der Ukraine steht, erst „nein“, dann „vielleicht“ und manchmal am Ende doch „ja“. Wenn er über das deutsche Engagement in der Ukraine spricht, betont er immer besonders, was die Bundesregierung nicht machen wird.

Scholz: Den einen tut er zu wenig, den anderen zu viel

Keine Taurus zum Beispiel und erst recht keine Bodentruppen. In dieser Woche musste sich Scholz dafür vom französischen Präsidenten, in der Theorie dem engsten Partner Deutschlands, auf offener Bühne vorführen lassen.

„Viele derjenigen, die heute sagen: niemals, niemals, waren dieselben, die zuvor sagten: nie, nie Panzer, nie, nie Flugzeuge“, sagte Emmanuel Macron. Man kann nicht behaupten, dass Olaf Scholz mit diesem Ansatz besonders erfolgreich wäre.

Den einen tut er zu wenig, den anderen zu viel. Er wirkt unentschlossen – und das steht keinem Kanzler gut zu Gesicht. Die SPD liegt in Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent, so schlecht war eine Kanzlerpartei noch nie.

Und welches Signal sendet Deutschland damit an den russischen Machthaber? Man könnte ihm zumindest das Arsenal aufzeigen, statt alles Mögliche auszuschließen. Das ist noch nicht der Weg in den Weltkrieg, strategische Ambiguität nennt man das.

Scholz will ein Zeichen der Beruhigung setzen

Nach den vergangenen Jahren ist doch eins klar: Putin versteht die Sprache der Angst nicht, sondern nur die Sprache der Stärke. Warum spricht Scholz sie nicht? In einer Sonderfolge des Podcasts „Kanzler Kompakt“ von dieser Woche kann man eine Antwort finden.

Scholz bekräftigte, dass die Nato keine Kriegspartei sei oder werde. Und er werde keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden. „Das gilt. Darauf können sich unsere Soldatinnen und Soldaten verlassen. Und darauf können Sie sich verlassen.“

Mit Betonung auf „Sie“. Scholz will in Zeiten maximaler Verunsicherung ein Zeichen der Beruhigung senden: Mit ihm gibt es keinen Krieg. Scholz weiß, dass die breite Bevölkerung anders tickt als die Mehrheit der Journalisten.

Viele Politiker berichten, dass sie auf Marktplätzen nicht gefragt werden, wann endlich Marschflugkörper geliefert werden, sondern was getan wird, um einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat erhoben, dass 56 Prozent der Befragten gegen die Lieferung von Taurus sind, nur 35 Prozent dafür.

Scholz baut sich Rampe für nächsten Wahlkampf

Ähnlich war es bei den Kampfpanzern. Im Osten ist das Meinungsbild noch klarer. Im Konflikt mit Russland zieht Deutschland den Kürzeren, so denken viele in den östlichen Bundesländern. Und in dreien von ihnen wird im Herbst gewählt.

Sogenannte Russlandversteher gibt es im ganzen Land. Die SPD bot lange ein Zuhause. Bis zum Überfall Russlands auf die Ukraine galt für Sozialdemokraten der Glaubenssatz, dass es Sicherheit und Stabilität in Europa nicht gegen, sondern nur mit Russland geben kann. Egon Bahr, Willy Brandt und die sozialdemokratische Selbstbeschreibung als „Friedenspartei“, Gerhard Schröder und seine Geldgier – das alles vernebelte den Blick auf den Revanchismus im Kreml.

Die SPD hat ihr Programm geändert, aber Tradition lässt sich nicht mit einem Parteitagsbeschluss beseitigen. Das weiß auch Scholz. Scholz, so scheint es, baut sich die Rampe für seinen nächsten Wahlkampf.

Ampel hat einen schlechten Ruf

Die Ampel hat einen schlechten Ruf, er ist kein Sympathieträger. Den einzigen Trumpf, den er hat, ist die urdeutsche Aversion gegen Experimente.

Er wird sich als besonnener Staatenlenker in Szene setzen, der die Hände ruhig am Steuer hält – und eben das wird er Friedrich Merz, Robert Habeck oder wer sonst gegen ihn antritt, absprechen.

Taktisch mag das klug sein. Aber ein Bundeskanzler, der seine Politk an der Stimmung orientiert, macht sich klein. Zumal Scholz sich vorwerfen lassen muss, dass er zur Angst vor dem dritten Weltkrieg selbst beigetragen hat: Den Atomkrieg, den er zu verhindern verspricht, brachte er kurz nach dem Überfall Russlands in einem Interview selbst ins Spiel.