Hegt Putin Pläne in der Ostsee? Schwedischer Militär-Experte zeigt sich besorgt
Schwedens Generalstabschef Bydén warnt vor Putins Machtstreben in der Ostsee. Als reale Gefahr sieht er aber auch eine dortige ökologische Katastrophe durch Russland.
Moskau/Stockholm – Der Ostsee-Raum gilt als bedeutender Knotenpunkt, und das nicht nur für den Handel in Europa. Auch Russlands Machthaber Wladimir Putin dürfte die Bedeutung des baltischen Raums als strategischer Dreh- und Angelpunkt klar sein. Unter anderem die bereits seit Jahren zunehmenden Spannungen im Baltikum sowie der sorgenvoll auf Russland gerichtete Blick einiger baltischer Staaten machen dies deutlich.
Schwedischer Generalstabschef Bydén: Ostsee darf nicht zu „Putins Spielwiese werden“
Nun hat auch der oberste Befehlshaber des schwedischen Militärs, Micael Bydén, vor dem Machtstreben Putins im baltischen Binnenmeer gewarnt. Dabei könnte Putin nämlich eine strategisch bedeutende Ostsee-Insel im Blick haben, sorgt sich Bydén. „Ich bin sicher, dass Putin sogar beide Augen auf Gotland geworfen hat. Putins Ziel ist es, die Kontrolle über die Ostsee zu erlangen“, sagte der Armeechef den Zeitungen des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Die 3184 Quadratkilometer große Insel Gotland liegt nämlich an einer strategisch extrem wichtigen Stelle, zwischen dem schwedischem Festland und Lettland direkt am Zugang zum Bottnischen wie zum Finnischen Meerbusen. Außerdem liegt Gotland nur 250 Kilometer nördlich von der russischen Exklave Kaliningrad, wo Russlands Machthaber seine Ostsee-Flotte stationiert hält.
„Wenn Russland die Kontrolle übernimmt und die Ostsee abriegelt, hätte das enorme Auswirkungen auf unser Leben – in Schweden und allen anderen Ostsee-Anrainerstaaten. Das dürfen wir nicht zulassen“, fügte Bydén hinzu. Er betonte, die Ostsee dürfe nicht zu „Putins Spielwiese werden, auf der er die Nato-Mitglieder in Angst und Schrecken versetzt.“
Schweden rüstet auf seiner strategisch wichtigen Ostsee-Insel Gotland auf
Über 160 Jahre lang, genauer gesagt seit 1856, war die Insel Gotland vollständig demilitarisiertes Territorium. So wurde es nach dem Krimkrieg im Pariser Friedensvertrag dem russischen Zaren aufgezwungen, zu dessen Reich Aland als Teil des Grossherzogtums Finnland damals gehörte. Der Status wurde 1921 bestätigt, als Aland autonomer Teil des inzwischen von Russland unabhängigen finnischen Staates wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dies nochmals ausdrücklich bekräftigt.
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Seit einiger Zeit allerdings rüstet Schweden auf Gotland wieder auf und entsendet militärische Streitkräfte etwa zu Ausbildungszwecken auf das strategisch wichtige Ostsee-Eiland. Wie die US-Tageszeitung Politico berichtet, entsandte Schweden 2016 nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 wieder ständige Truppen nach Gotland. Wie viele es aktuell genau sind, ist unklar. Im September 2022 etwa berichtete Deutschlandfunk Kultur von 400 auf Gotland stationierten Streitkräften des schwedischen Militärs.
Schwedens Nato-Beitritt verpflichtet das Land zum militärischen Beistand anderer Nato-Angehöriger
Mit dem Nato-Beitritt Schwedens nun hat sich das skandinavische Land auch verpflichtet, seinen Verbündeten die Einhaltung von Artikel 5 des Nordatlantikvertrags zuzusichern. Ihm zufolge müssen alle Nato-Mitglieder einander im Falle eines Angriffs auf einen anderen Nato-Angehörigen militärische Unterstützung leisten.

Von Gotland aus könne Schweden anderen Nato-Staaten an der Ostsee helfen, in Sicherheit zu leben. „Wenn Putin aber in Gotland einmarschiert, kann er die Nato-Länder vom Meer aus bedrohen. Das wäre das Ende von Frieden und Stabilität in den nordischen und baltischen Regionen“, betonte der Oberbefehlshaber des schwedischen Militärs gegenüber den Zeitungen des RND weiter.
„Sie führen Übungen durch, aber nur auf dem erwarteten Niveau“
Infolge des Nato-Beitritt Schwedens hatte Putin dem Land mit Konsequenzen gedroht. Sorgen, der Kreml könne seinen Drohungen Taten folgen lassen, bestätigte Bydén unterdessen aber nicht: „Von Russland haben wir seit dem Beitritt im Grunde nicht mehr Aktivitäten gesehen als vorher“, betonte er.
Russische Truppenbewegungen hätte man zudem nicht unmittelbar an den eigenen Grenzen beobachtet, so Bydén weiter. „Sie führen Übungen durch, aber nur auf dem erwarteten Niveau.“ Hingegen seien „nicht-militärische Provokationen“ erwartet worden, wie Desinformation, Verleumdungskampagnen und Cyberangriffe.
Zwar räumte Bydén ein, es hätte einige schwerwiegende Cyberangriffe gegeben, allerdings sei dabei bisher unklar, von wem sie initiiert worden seien. „In einigen Fällen war es definitiv ein staatlicher Akteur, aber es könnte auch jemand anderes als Russland gewesen sein.“
Bydén besorgt angesichts der Möglichkeit einer ökologischen Katastrophe in der Ostsee durch Russland
Als reale Gefahr sieht Schwedens Generalstabschef Bydén in der Ostsee darüber hinaus eine ökologische Bedrohung durch Russland. In der Ostsee lägen nämlich zahlreiche russische Öl-Tanker, die dem schwedischen Generalstabschef zufolge „eine echte Gefahr für die Umwelt in Europa“ darstellen.
„Russland könnte eine Umweltkatastrophe direkt vor unserer Haustür verursachen und es wie einen Unfall aussehen lassen. Die Folgen für die Umwelt wären verheerend“, so Bydén. Russland könne diese Schiffe aber auch auf andere Weise zur Kriegsführung gegen die Nato einsetzen: „Es gibt keine bessere Möglichkeit für Russland, sich an uns heranzuschleichen, als sich als alter Öltanker zu tarnen. Mit den Schiffen können sie unsere Kommunikation abhören, heimlich irgendetwas transportieren oder sie für Unterwasser-Sabotage einsetzen“, fügte Bydén an. (fh)
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