„Todeszone Krim“: Putins Armee gerät auf Halbinsel unter Druck
Verbündete stellen neue Raketen-Systeme und Kampfjets für die Ukraine bereit – erklärtes Ziel: die Krim. Die russische Armee könne sich „nirgendwo verstecken“.
Kiew – Der 61-Milliarden-Dollar-Deal scheint Wirkung zu zeigen. Die im April von der Biden-Regierung nach sechsmonatiger Verzögerung beschlossenen Ukraine-Hilfen füllen das Waffenarsenal des osteuropäischen Landes wieder auf. Mit Blick auf die Schwarzmeer-Halbinsel Krim könnte das Hilfspaket die Lage für die russischen Truppen verschärfen.
Denn besonders die Ankunft der ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern ermöglicht es den ukrainischen Streitkräften nun weit entfernte Ziele zu treffen. Etwa strategische Orte auf der von Russland besetzten Krim.
Ukraine nimmt die Krim ins Visier – Hälfte der russischen Schwarzmeer-Flotte zerstört
Bereits Ende Mai feuerten die ukrainischen Streitkräfte ATACMS-Raketen auf die Krim-Stadt Kertsch. Diese hat für Russland hohe Bedeutung, da hier die einzige Verbindungsbrücke von Russland aus anlandet. Laut Angaben des Kremls trafen die Raketen aber nur eine Auto- und eine Eisenbahnfähre.
Die russische Flugabwehr zerstörte russischen Angaben zufolge den Großteil der Geschosse. Neben den US-Raketen setzte das ukrainische Militär bei dem Angriff auf die Krim auch Drohnen und Sprengstoffboote ein.

Doch unterschätzen sollte man die Effektivität der amerikanischen Waffen nicht. Denn durch sie könnte die Krim zu einer „Todesfalle für die Streitkräfte des Kremls“ werden – wie der britische The Economist attestiert.
Denn die Ukraine zeigte bereits, dass die von Großbritannien und Frankreich gelieferten Storm-Shadow- und Scalp-Marschflugkörper – sowie die eigens konstruierten Drohnen – russische Kriegsschiffe empfindlich treffen können.
Raketen und Drohnen sollen Putins Armee auf der Krim lahmlegen
Unter den Zielen waren bislang vor allem die großen Ropucha-Landungsschiffe. Diese dienten eigentlich als Militärtransporter – sind aber im Schwarzen Meer zum Großteil zerstört oder nicht mehr einsatzfähig. Ein Sieg für die Ukrainer. Zudem ist etwa die Hälfte der russischen Schwarzmeerflotte nicht mehr einsatzbereit, wie die britische Zeitung weiter mitteilt. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass die Ukraine über keine nennenswerte Marine verfügt.
Meine news
Das Ziel von Kiew könnte jetzt sein, mit der Kombination aus ATACMS-Raketen und Drohnen die Luftabwehr auf der Krim systematisch zu schwächen und auch Stützpunkte anzugreifen, von denen Abfangjäger starten.
Die Lahmlegung der russischen Abwehr könnte laut Lawrence Freedman auch Teil der Vorbereitung auf die anstehenden Lieferungen der ersten westlichen F-16 Kampfflugzeuge sein. Freedman ist ein Professor für Kriegsstudien am King‘s College London im Ruhestand.
Der belgische Premierminister Alexander De Croo stellte aber letzte Woche bereits klar, dass die Militärhilfe seines Landes nur „von den Streitkräften auf ukrainischem Territorium verwendet werden“ dürfen – darunter auch die F-16. Damit dürfen belgische Flieger zwar auf der Krim eingesetzt werden, aber an anderen Fronten blieben sie ineffektiv.
Westliche Verbündete uneins darüber, wo gelieferte Waffen außerhalb der Krim eingesetzt werden dürfen
„Alles, was in der Vereinbarung festgelegt ist, militärische Ausrüstung, militärisches Material, muss von den Streitkräften auf ukrainischem Territorium eingesetzt werden, wir haben eine solche Vereinbarung unterzeichnet“, sagte De Croo auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Andere Länder wie die Niederlande teilen diese Vorbehalte nicht. Die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren sagte am Freitag, die Regierung ihres Landes habe der Ukraine keine Beschränkungen für den Einsatz der gelieferten F-16-Kampfflugzeuge auferlegt
Die Ukraine könne sie „über oder auf russischem Territorium“ einsetzen, solange sie nicht gegen Artikel 51 der UN-Charta verstoße und sich an das humanitäre Völkerrecht halte. Auch Deutschland und die USA lockerten vergangene Woche die Freigaben für die gelieferten Waffen im Einsatz gegen Russland.
Ukrainische Generäle sehen sich an der Krim-Front im Vorteil gegenüber den russichen Truppen
Durch das Wirrwarr an Zulassungen und Verordnungen werde der Einsatz der Flugzeuge aber erschwert. Die Ukraine müsste bei jedem Einsatz genau beachten, welche Maschine aus welchem Land stamme, um Absprachen und Verträge einzuhalten. Im Krieg eine komplizierte Mehrbelastung für die Truppen.
Entmutigen lassen sich die ukrainischen Generäle anscheinend nicht: In einer Presseerklärung teilten sie mit, dass die russischen Streitkräfte und Truppen auf der Halbinsel sich „nirgends verstecken“ können. Jede Bewegung werde bereits überwacht. Die Brücke von Kertsch sei „dem Untergang geweiht“.
Die Ukraine kündigte immer wieder an, die Halbinsel von der russischen Besatzung zu befreien. Seit 1954 gehörte die Halbinsel zur sowjetischen und seit 1991 zur unabhängigen Ukraine.
Seit Ende Februar 2014 sind die Autonome Republik Krim und Sewastopol von regulären russischen Militäreinheiten besetzt und von der russischen Föderation annektiert.